Der Anfang war armselig: Die Geschichte des Master of Business Administration (MBA) beginnt auf einer Krankenstation. Am Dartmouth College im amerikanischen Bundesstaat New Hampshire fanden sich im Jahr 1900 vier Studenten ein, um sich für 100 Dollar Schulgeld auf ihren MBA-Abschluss vorzubereiten. Sie wohnten im «Pest House», wo bis kurz zuvor Studierende mit ansteckenden Krankheiten untergebracht waren. Die Lage besserte sich erst, als der schwerreiche Banker Edward Tuck eine Million Dollar spendierte. Damit wurde die erste Graduate School of Business der Welt gegründet und nach dem Vater des Gönners Amos Tuck School benannt.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Seither fand sich der MBA schon oft wieder im Krankenhaus, ja selbst in der Leichenhalle. Schon 1992 schrieb ihn die Zeitschrift «Forbes» tot. Der Titel sei nicht mehr so viel wert, wie er einmal war. Die Misere liege bei den Business Schools. «Selbstgefällig und arrogant sind sie und fragen immer weniger danach, was die Wirtschaft braucht», schrieb «Forbes». Denn «sie machen den gleichen Fehler wie zahllose Unternehmen: Das Interesse gilt der Produktion, nicht den Bedürfnissen der Kunden». MBA sei im Grunde genommen eine Abkürzung für «mediocre but arrogant».

Trotz den Unkenrufen, die nie mehr ganz verstummten, gibt es den MBA heute noch. Allein in den USA bilden Hunderte von Schulen ihre Studierenden in Betriebswirtschaft und Management aus. Geläufig sind aber nur die Namen derer, die es unter die 20 besten Business Schools in den Ranglisten von «Financial Times», «Economist» oder «BusinessWeek» schaffen: darunter immer Harvard, Stanford und Wharton. In Europa sind es die London Business School, das Insead bei Paris und das Institute for Management Development (IMD) in Lausanne. Was zählt, ist heute nicht mehr die Buchstabenfolge MBA allein, sondern auch die Schule, an der die Absolventen ihr Masterstudium abgeschlossen haben.

Ungeschützter Titel. Das hat private Unternehmer nie davon abgehalten, ins Geschäft mit dem MBA und noch viel häufiger mit dem Executive MBA (EMBA, siehe «Drei Formen, ein Titel» unter 'Weitere Artikel') einzusteigen. Da der Titel in der Schweiz so wenig geschützt ist wie in manchen Kantonen der Name Universität, versuchten neben seriösen Anbietern immer wieder auch reine Geschäftemacher ihr Glück. Die freien Universitäten Teufen, Zug und Cham sind vor kurzem sang- und klanglos verschwunden. Sie hatten die MBA-Titel an ihre Kunden ganz einfach verkauft – ohne Studium. Die ehemalige Zürcher Graduate School of Business Administration (GSBA) von Albert Stähli, die besonders in Deutschland heftig angefeindet war, wurde vergangenes Jahr vom früheren IMD-Präsidenten Peter Lorange gekauft und heisst jetzt Lorange Institute of Business. Der neue Besitzer geniesst einen ausgezeichneten Ruf in der Wissenschaft und den grossen Konzernen. Er krempelt nun den Betrieb völlig um. Von einem der bedeutenden Qualitätshüter (siehe «Diplom mit Gütesiegel» unter 'Weitere Artikel') akkreditiert oder in die Ranglisten der «Financial Times» aufgenommen zu werden, ist der Lorange School nach dieser kurzen Zeit noch nicht möglich. Der neue Eigentümer hat aber beides im Visier.

Gross im Geschäft sind auch die Fachhochschulen. An sich wäre gegen ein Nachdiplomstudium in Betriebswirtschaft und Management nichts einzuwenden, würden sie ihre Angebote nach der Bologna-Doktrin Master of Advanced Studies (MAS) statt Master of Business Administration nennen. Doch weder die Fachhochschulen noch viele private Anbieter können gewährleisten, was der Brite George Bickerstaffe von MBA-Schulen fordert. Er schreibt seit 20 Jahren für die Economist Intelligence Unit die Bücher «Which MBA? Making the right choice of education». Sie verkaufen sich so gut, dass auch die jüngste Ausgabe von 2009 bereits vergriffen ist. Unerlässlich für einen MBA- oder EMBA-Studiengang sind nach seiner Überzeugung:

  • eine solide Grundlage in den für General Management wichtigen Disziplinen, besonders Rechnungswesen, Finance und Marketing;
  • eine grosse Auswahl an Freifächern;
  • Professoren mit internationaler Erfahrung;
  • Professoren, die nicht nur hervorragende Wissenschaftler sind, sondern auch ausgezeichnete Lehrer;
  • Fallstudien aus Unternehmen verschiedener Länder;
  • die Beachtung von Soft Skills wie Führungsstärke oder Sozialkompetenz als Bestandteil des Studiengangs, aber nie auf Kosten der Grundlagenfächer;
  • die Projektarbeit in Unternehmen;
  • Studierende aus verschiedenen Ländern und Kulturkreisen.

Globaler Titel. Sinnvoll ist ein MBA-Lehrgang nur für jene, die unternehmerische Verantwortung tragen werden. Das ist kaum denkbar ohne Kenntnis der globalen Märkte. Also sind es vorwiegend internationale Konzerne, die Wert auf Mitarbeitende mit MBA legen. Das IMD in Lausanne arbeitet mit über 1000 Unternehmen aus aller Welt zusammen. Mit 200 ist es eine sogenannte «learning partnership» eingegangen, darunter ABB, Daimler, IBM, Royal Dutch Shell, Caterpillar und Nestlé. Der Nahrungsmittelkonzern hatte 1957 die Business School Imede in Lausanne gegründet, die sich 1990 mit der Alcan-Gründung IMI in Genf zum IMD zusammenschloss.

In der Schweiz hat der MBA keine so grosse Bedeutung wie der EMBA, auch nicht unter Arbeitgebern. Danach gefragt, geben alle Banken und Versicherungen ähnliche Auskunft: Sie haben nichts gegen einen MBA-Abschluss, aber zwingend ist er für praktisch keine Funktion. Er ist nicht einmal für den Lohn relevant. Der richte sich nicht nach der Ausbildung, sondern nach Funktion und Leistung. Nicht einmal mehr die Beratungsunternehmen McKinsey oder Boston Consulting Group, bei denen viele mit MBA-Abschluss arbeiten, verlangen von ihren Bewerbern den Titel.

Ist der MBA-Titel also doch tot? Keineswegs, er hat einfach an Glamour verloren. Er hat dahin zurückgefunden, wohin er gehört: in die Palette aller anderen Mastertitel von Medizin bis Theologie, ohne Mythos und ohne übertriebene Erwartungen zu wecken. Er ist Zeugnis eines wissenschaftlich fundierten, in der Praxis abgestützten, von qualifizierten Professoren und Mitstudenten begleiteten anspruchsvollen Studiums in Betriebswirtschaft und Management. Aber er ist keine Garantie für den schnellen Weg nach oben und auch nicht für ein Traumsalär. «In der Schweiz ist der MBA-Titel zu wenig verbreitet, um seine Rendite zuverlässig zu berechnen», sagt der Bildungsökonom Stefan Wolter. «Dass ein allfällig höherer Lohn eine direkte Folge des MBA wäre, lässt sich kaum nachweisen.»

Was die Schulen nicht daran hindert, den Durchschnittslohn ihrer Absolventen vor und nach dem Studium zu publizieren (siehe Tabellen im Anhang). Das IMD Lausanne kommt nach eigenen Angaben auf einen Lohnsprung von 86 Prozent. Das ist – ebenso wie beim EMBA – weit weniger, als Business Schools in den USA ausweisen. Aber Vergleiche sind angesichts der unterschiedlichen Lohnstrukturen in der Schweiz und in den USA problematisch. Nicht einmal die Studiengebühren sind einfach zu vergleichen. In der Schweiz liegen sie für ein EMBA-Programm von etwa 18 Monaten bei 65 000 Franken. Zum Vergleich: Das Schulgeld für einen EMBA-Lehrgang am Insead bei Paris beträgt 90 000 Euro. Für Schweizer ist es immerhin möglich, ein paar Mal im Jahr nach Paris zu fahren. In den USA hingegen sind diese berufsbegleitenden Lehrgänge praktisch ausschliesslich für Amerikaner reserviert. Die Studiengebühren für einen normalen MBA-Lehrgang belaufen sich sowohl an der Universität St.  Gallen als auch am IMD in Lausanne auf 60 000 Franken und in Harvard auf 48 300 Dollar. Doch Qualität lässt sich bekanntlich nicht am Preis messen.

Teurer Titel. Die Bereitschaft, für ein gutes Angebot viel zu zahlen, ist nicht nur bei Studierenden, sondern auch bei Arbeitgebern vorhanden. Viele grosse Unternehmen wissen offenbar sehr genau, was sie tun, wenn sie Leute mit MBA-Titel zu nicht eben bescheidenen Löhnen rekrutieren, wie eine weltweite Studie des Graduate Management Admission Council (GMAC) zeigt. Die Antworten aus 1900 Unternehmen in 57 Staaten sind für Schulen und Studierende eine Genugtuung: 99 Prozent sind «zufrieden» mit den Absolventen, 76 Prozent davon «sehr zufrieden». Denn die Masters of Business Administration zeichneten sich durch ihr überdurchschnittlich grosses Fachwissen aus. Geradezu auffallend seien ihre Kompetenz in Strategie, Innovation und Entscheidungsprozessen, aber auch ihre Leadership-Qualitäten. Ein besseres Zeugnis für MBA ist noch nie ausgestellt worden.

Die Einschätzung der Unternehmen zeigt auch, dass in Fachkreisen ein MBA-Lehrgang an der richtigen Business School respektiert wird. Diese Schulen selektieren derart streng und stellen so hohe Anforderungen an Studierende, dass sich die Absolventen nicht nur durch den Titel, sondern auch durch Tatkraft, Durchhaltewillen oder Analysefähigkeit auszeichnen. Viele fühlen sich zum MBA berufen, aber nur wenige sind auserwählt. Die wahren Masters of Business Administration sind eben immer noch eine Elite.

Weitere Informationen:

BILANZ-Dossier: Ausbildung & Studium