Wie wichtig sind politische und zivile Freiheiten für die Wirtschaft? Eine Grafik nimmt die Antwort vorweg. Sie zeigt das BIP pro Kopf (auf der horizontalen Achse) und den Freiheitsindex von Freedom House (auf der vertikalen Achse) für 130 Länder.

Man erkennt: Praktisch alle reichen Länder haben ein hohes Mass an Freiheiten und praktisch keine unfreien Länder sind reich. Die Kurve von Demokratie und Wohlstand verläuft stetig von unten links nach oben rechts. Die einzigen Staaten, die trotz autokratischer Regierungsform reich sind, liegen im Mittleren Osten. Es sind Länder wie Bahrain oder Kuwait, die hauptsächlich vom Erdöl leben.

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Eigentlich ist der Fall damit klar: Ohne Demokratie kein Wohlstand. Entsprechende Sorgen sollte man sich um Länder wie Ungarn, Russland, die Türkei oder Äthiopien machen. In diesen (rot eingefärbten) Staaten wurde die Freiheit über die letzten zehn Jahre drastisch eingeschränkt. Die Statistik legt nahe, dass der Wohlstand in diesen Ländern stagnieren, wenn nicht sogar fallen wird.

(Die Schweiz ist auf der Karte übrigens rechts oben, mit einem Freiheitsindex von 96 und einem BIP pro Kopf von knapp 60'000 Dollar. Der grosse Punkt daneben sind die USA. Oben links ist Indien. Unten links ist China, wo die Schrauben unter Präsident Xi Jinping immer stärker angezogen werden. Mehr dazu später).

Eine echte Kausalität, nicht nur eine Korrelation

Wie robust ist der Zusammenhang zwischen politischen Freiheiten und wirtschaftlichem Wohlstand? Mit der Frage hat sich der amerikanisch-türkische Volkswirt Daron Acemoglu beschäftigt. Seine jüngste Studie, die er mit einigen Kollegen verfasst hat, heisst «Demokratie führt tatsächlich zu Wirtschaftswachstum». Ein erstaunlicher Titel, würde man meinen, angesichts der klaren Zahlen.

Doch unter Wissenschaftlern war man sich lange nicht im Klaren waren, wie die Dinge wirklich zusammenhängen. Ist Demokratie bloss eine typische Begleiterscheinung wachsenden Wohlstands oder generieren demokratische Systeme selbst Reichtum? Es handelt sich um eine jener typischen Fragen nach Korrelation und Kausalität, die sich oftmals nur schwer beantworten lassen.

Acemoglu bezieht jedoch klar Stellung: Länder mit besseren Demokratiestandards erfahren gegenüber autoritären Vergleichsländern über einen Zeitraum von zehn bis zwanzig Jahren eine mittlere BIP-Steigerung von 20 Prozent. Sinken die Standards, so fällt auch das BIP im Vergleich ab. Zu diesem Schluss kommt der Forscher mittels ökonometrischen Rechnungen, bei der die Dynamik des BIP-Wachstums mit den Bewegungen in Demokratie-Rankings verglichen wird.

Ein Teufelskreis aus Armut und Autoritarismus

Blickt man in die Daten von Freedom House, so verheisst diese Erkenntnis nichts gutes. Während Jahrzehnten befand sich die Demokratie in einem stetigen Aufstieg. Mitte der nuller Jahre kam der Trend jedoch zum Erliegen. 2017 ist bereits das elfte Jahr in Folge, in dem mehr Länder einen Rückschritt als einen Fortschritt verzeichnen. Die Pressefreiheit nimmt schon seit 13 Jahren ab.

Stimmt die These, wonach sich die antidemokratischen Turnarounds in Ländern wie der Türkei vor allem aus der ökonomischen Unzufriedenheit von Schichten nährt, die in der globalisierten Wirtschaftswelt ins Hintertreffen geraten sind, so ist vorerst wenig Besserung in Sicht. Im Gegenteil: Die drohende Stagnation dürfte die Lage dieser Schichten nur noch schlimmer machen.

Gute Regierungsführung ist langfristig der wichtigste Wohlstandsfaktor, sagen Ökonomen wie Uwe Sunde, Professor für Bevölkerungsökonomie an der Ludwigs-Maximilian-Universität in München. Je fortgeschrittener und innovationsgetriebener eine Volkswirtschaft, desto wichtiger sind auf Institutionen von hoher Qualität: Mitspracherechte, die vor Fehlentwicklungen schützen, freie Medien, die Regierungen zur Rechenschaft ziehen. Besonders die Eigentumsrechte seien in Demokratien besser geschützt.

Bei der Billiglohnwirtschaft ist Endstation

Und China? Viele Beobachter sehen hier die grosse Ausnahme: Das Land hat eine Einparteienregierung, die den Bürgern als «gutmütige» Entwicklungsdiktatur kaum Freiheiten gewährt. Dennoch wurde der Wohlstand über die letzten 25 Jahre kontinuierlich gesteigert. Das Reich der Mitte gilt vielen als Beweis dafür, dass Volkswirtschaften auch ohne Demokratie wachsen können.

Es gibt zwei Gegenargumente dazu. Erstens ist da die Tatsache, dass China seine jährlichen BIP-Ziele seit der Finanzkrise nur deshalb erreicht, weil es die Wirtschaft mit massiver staatlicher Hilfe ankurbelt und dabei hohe Schulden auftürmt. Die Nachhaltigkeit des Wirtschaftswachstums ist fraglich. Macht das Land noch Jahre so weiter, droht ein gigantischer Finanz-Crash.
 
Der zweite Einwand ist, dass China der eigentliche Test noch bevorsteht, wenn das Land von der mittleren in die hohe Einkommensliga aufsteigen will. Offensichtlich ist der chinesische Autoritarismus eine taugliche Regierungsform, um eine exportgetriebene Billiglohnwirtschaft zu kontrollieren. Ob er sich auch in einer Wissensökonomie bewährt, bleibt offen. Die Erfahrungen und Untersuchungen aus der Wachstumsökonomie nähren dazu jedenfalls einige Zweifel.