Grösster Börsengang aller Zeiten, von der Marktkapitalisierung her so gross wie die beiden nächstgrössten Konkurrenten Amazon und eBay zusammen, Kursanstieg zwischenzeitlich fast bis zu 40 Prozent an einem Tag – Alibaba scheint alle Rekorde zu brechen. Vor dem IPO am vergangenen Freitag gab es aber auch grosse Kritik. Beispielsweise gegenüber dem Firmengründer Jack Ma, der beim Börsengang Alibaba-Aktien im Wert von rund 900 Millionen Dollar verkauft hat und nun mit seinem Anteil am Online-Handelsunternehmen von 26,5 Milliarden Dollar nicht nur der reichste Chinese ist, sondern, der zugleich in ganz Asien auf Rang zwei der Multimilliardärsliste hinter den Hongkong-Chinesen und Immobilien-Tycoon Li Ka-shing nach oben rutschen konnte.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Deutliche Kritik wurde auch laut am wohl sehr geringen Mitspracherecht der Anleger und Investoren beim Online-Händler. Das Konstrukt bei Alibaba ist verschachtelt, und die Zweckgesellschaft, die für die börsennotierten ADR-Zertifikate verantwortlich zeichnet, hat ihren Sitz auf den Cayman Islands.

Hohe Gewinne mit den Mega-Tech-IPOs

Aber trotz allem Unmut: Selbst jetzt, rund eine Woche nach der Mega-Emission, werden an der Börse New York noch weit über 100'000 Kurse am Tag gestellt und täglich Alibaba-Aktien im Volumen von weit über 1,0 Milliarden Dollar gehandelt. Und auch jetzt notiert die Aktie noch rund 30 Prozent über dem Emissionspreis. Können so viele Anleger falsch liegen? Wie ist der Status, wie sind die Perspektiven bei Alibaba?

Zuerst einmal ein paar Kursvergleiche: Der letzte Mega-Tech-IPO – Facebook – fiel zwar schnell unter den Emissionspreis von 38 Dollar, und auch dort gab es viel Kritik und Zweifel etwa am Geschäftsmodell, doch inzwischen, nur zwei Jahre später, konnten Anleger der ersten Stunde ihren Einsatz bereits verdoppeln. Dann Google. Trotz einer seit Jahren vergleichsweise hohen Bewertung mit KGVs teilweise weit über 20 kletterte der Kurs der Aktie seit dem IPO im 2004 splitbereinigt im Vergleich zum Emissionspreis von 85 Dollar bereits auf das 15-Fache. Oder Amazon: Seit der Emission des Online-Händlers 1997 zu 1,50 Dollar ist der Kurs splitbereinigt inzwischen auf mehr als das 200-Fache gestiegen.

Alibaba: Langfristige Kursperspektive – der Optimismus überwiegt

So viel zu Kritik und Zweifeln. Nun aber zu Alibaba. Wie geht es weiter beim Online-Händler, der Einzelhändlern in China auf seinen Plattformen wie Taobao.com, juhuasuan.com oder Alimama.com einen eigenen Auftritt verschafft? Laut einer Umfrage des Researchhauses ConvergEX Group unter 322 professionellen Finanzakteuren gingen vor dem IPO 88 Prozent der Befragten davon aus, dass die Alibaba-Aktie im ersten Monat nach dem Börsengang steigen würde. Jeder Fünfte hielt dabei ein Kursplus von mehr als 20 Prozent für möglich. Langfristig betrachtet, scheinen die Börsenprofis ebenfalls zuversichtlich zu sein gegenüber der Aktie. 64 Prozent – also zwei Drittel – der Befragten halten Alibaba für ein sehr gutes oder gutes Investment im Zeitraum der nächsten drei bis fünf Jahre. 32 Prozent der befragten Finanzexperten waren neutral eingestellt, nur 4 Prozent hatten negative Kurserwartungen.

Wie viele Internet-Unternehmen wächst auch Alibaba rasant – und anders als viele Firmen der Branche profitabel. So stieg der Umsatz im ersten Quartal per Ende Juni um über 40 Prozent auf 2,5 Milliarden Dollar. Ähnlich hoch waren die Umsatzsteigerungen auch in den Quartalen der letzten Jahre. Der Gewinn im Dreimonatszeitraum 2014 lag bei 1,2 Milliarden Dollar.

Die Aktie – hohe Bewertung, aber auf branchenüblichem Niveau

Und dann sind da die Perspektiven. Abgesehen davon, dass Alibaba mit den IPO-Erlösen auch die internationale Expansion anschieben will, wächst auch der Heimatmarkt China rasant. So will Chinas Regierung das Breitband ausbauen. Im 2020 sollen 85 Prozent der Menschen im Land über einen Internetanschluss verfügen können, derzeit sind es mit 600 Millionen Menschen nur knapp 50 Prozent. Der E-Commerce-Markt in China soll dann grösser sein als in den USA sowie in Grossbritannien, Deutschland, Frankreich und Japan zusammengenommen. Schon im nächsten Jahr rechnen Experten mit einem Volumen von 540 Milliarden Dollar. Und mit einem Marktanteil im B2B-Bereich von 80 Prozent ist Alibaba die Nummer eins der Branche in China.  

Allerdings: Alibaba kommt auf ein geschätztes 2015er-KGV im Bereich von 45. Bei Wachstumsenttäuschungen besteht bei der Aktie viel Raum nach unten. Aber auch Facebook kommt auf ein 50er-KGV. Und Amazon schrieb erstmals 2001 – sechs Jahre nach der Firmengründung und vier Jahre nach dem IPO – schwarze Zahlen. Für etwas risikofreudige Anleger könnte sich der Einstieg also durchaus lohnen. Wer Alibaba kaufen will oder wer dort schon investiert hat, sollte jedoch einen langen Atem einplanen und Nerven besitzen. Denn wie bei Facebook oder Amazon könnte es zwischenzeitlich zu grösseren Kurseinbrüchen kommen.