Investoren, Aufseher und Mitarbeiter feierten John Cryan und Tidjane Thiam als Konzernlenker, die die zwei grössten Investmentbanken Europas wieder auf Kurs bringen könnten. Weniger als ein Jahr in ihren Ämtern ist die Freude verflogen.

Die Vorstandsvorsitzenden der Deutsche Bank AG und Credit Suisse Group AG stehen zwischen den Fronten. Während Anleger auf eine höhere Profitabilität drängen, sind ihre Mitarbeiter demoralisiert aufgrund des Stellenabbaus, niedrigerer Vergütungen und der schonungslosen Kritik ihrer Bosse. Die Aktien beider Banken sind dieses Jahr um mehr als 30 Prozent gefallen und erreichten die niedrigsten Kurse seit Jahrzehnten.

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Zweifel an Plänen

Die beiden Männer übernahmen ihre Posten mit dem Mandat, sich mit den kostspieligen Anleihehandelsgeschäften und veralteten Technologien zu befassen. Auch den schwachen Kontrollen sollten sie sich widmen, die mit dazu beigetragen haben, dass steigende Rechtskosten ihr Kapital auffressen. Inzwischen hat die Marktabkühlung bei einigen Investoren die Frage aufgeworfen, ob ihre Pläne weitreichend genug sind. Andere warnen derweil, dass zu tiefe Kostensenkungen die Banken in eine Krise stürzen könnten, indem die Motivation der wichtigsten Geldverdiener erstickt wird.

«In dem aktuellen Ertragsumfeld ist es beinahe unumgänglich, bei den Kosten noch weitergehen zu müssen», sagte Analyst Barrington Pitt Miller bei Janus Capital Group, einem der 50 grössten Aktionäre der Deutschen Bank. «Aber mal ehrlich, diese Pläne sind noch nicht sehr weit vorangekommen, und wir müssen sehen, dass die Banken das unternehmen, was sie zugesagt haben.»

Stellenstreichungen und Bonuskürzungen

Die Moral bei der Deutschen Bank nahm bereits ab, als Cryan im Juli Co-CEO Anshu Jain abgelöst hatte. Eine interne Umfrage zeigte, dass das Mitarbeiterengagement im Juni auf Jahressicht gesunken war. Sowohl der 55-jährige Cryan als auch der 53-jährige Thiam, der im Juni zur Credit Suisse kam, haben offenbar Investmentbanker und Händler mit Stellenstreichungen, Bonuskürzungen und ihrer Kritik an exzessiven Vergütungen vor den Kopf gestossen. Das erfuhr Bloomberg von derzeitigen und ausgeschiedenen Führungskräften der beiden Unternehmen, die namentlich nicht genannt werden wollten, weil sie über interne Angelegenheiten sprachen.

Die Deutsche Bank verzeichne eine Abwanderung von Fachkräften, sagte einer der Manager. Das gelte besonders für junge und leistungsfähige Mitarbeiter, die sich auf Stellen bei Banken bewerben würden, die sie früher nicht mal in Erwägung gezogen hätten. Die geplante Neuausrichtung der Vergütungsstruktur, indem Bonuszahlungen gekürzt und Festgehälter erhöht werden, sei für einige Führungskräfte entmutigend, verlautete zudem aus den Kreisen. Mehrere Bank-Veteranen würden nun das Büro früher verlassen, weil es jetzt nicht mehr denselben Anreiz gebe, härter zu arbeiten, erklärte eine Person.

Stimmung bei Global Markets gedämpft

Michael Golden, ein Sprecher für die Deutsche Bank, bestritt, dass das Unternehmen Schwierigkeiten habe, Mitarbeiter zu halten oder zu gewinnen. «Die Fluktuation durch freiwillige Austritte in unseren Investmentbanking-Geschäften ist merklich besser oder im Rahmen der vergangenen Jahre, was für das Engagement und die Loyalität unserer Angestellten spricht», sagte Golden.

Bei Credit Suisse sind bereits einige hochkarätige Banker und Händler von Bord gegangen. Andere murren, dass Thiam als ehemaliger Chef des britischen Versicherers Prudential ihre Geschäfte nicht verstünde oder nicht genug Interesse an ihnen habe. Selbst Händler, deren Arbeitsplätze nicht in Gefahr sind, sagen, dass die Stimmung im Geschäftsbereich Global Markets gedämpft ist.

Umgeben von Beratern und fokussiert auf die langfristige Zielfindung der Bank, scheine sich der einstige Partner bei McKinsey & Co. nicht so viele Sorgen um die Handelsrisiken zu machen wie sein Vorgänger Brady Dougan, sagte ein früherer und mit der Lage vertrauter Manager. Bei Treffen mit Führungskräften in den Monaten vor Bekanntgabe seiner Strategie im Oktober habe Thiam - anders als Dougan - selten ihre Bestände hinterfragt, fügte die Person an.

«Antiquierte» IT-Systeme

Aus Frustration wurde dieses Jahr Wut, als Thiam einen Verlust von fast 1 Milliarden Dollar auf Kreditpositionen enthüllte. Der CEO sagte, Händler hätte einige der Wetten ohne sein Wissen oder das seines Teams aufgebaut. Das ist nach Aussage eines ehemaligen Angestellten schwer zu glauben. Risikochef Joachim Oechslin leite regelmässig einen Bericht über die Positionen der Bank und damit zusammenhängende potenziellen Verluste an die oberste Führungsriege weiter, erklärte eine der Personen.

Nach Aussage von Christoph Meier, Sprecher für Credit Suisse, hat die Bank ihren Fokus darauf ausgerichtet, ein führender Vermögensverwalter zu sein, die Investmentbanking-Geschäfte in die richtige Grössenordnung zu bringen und profitabler zu werden. «Die Vorteile dieser Veränderungen werden unseren Aktionären in den kommenden Jahren zufliessen», schrieb er in einer E-Mail.

Beide Konzernchefs haben an ihren Banken unübliche Kritik geübt. Cryan, ein britischer Staatsbürger, der früher den Vorsitz im Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats der Deutschen Bank eingenommen hatte, spottete über exzessive Vergütungen, «antiquierte» IT-Systeme und «unzumutbare» Rechtskosten. Und auch wenn er den Grossteil seiner Karriere mit Investmentbankern zusammengearbeitet hatte, sagte er im November, er könne niemanden so recht verstehen, der zur Arbeit komme und härter schufte, weil er etwas mehr Geld haben könne.

«Umfeld scheint die Mitarbeiter zu entmutigen»

Auch Thiam, geboren in Abidjan, Elfenbeinküste und Staatsangehöriger der Elfenbeinküste und Frankreichs, nach Angaben von der Website der Credit Suisse, äusserte sich kritisch zu der Bezahlung der Investmentbanker und sagte, Angestellte sollten akzeptieren, dass die Vergütung steigen als auch fallen könne. Er wolle die riskanten Positionen so schnell wie möglich loswerden, um die Vermögensverwaltungsgeschäfte zu schützen, deren Kunden durch noch mehr schlechte Nachrichten verschreckt werden könnten, sagte eine mit den Überlegungen vertraute Person.

«Das Umfeld scheint die Mitarbeiter wirklich zu entmutigen», sagte Portfoliomanager Ben Kumar von Seven Investment Management in London, der unter den grössten Aktionären der Deutschen Bank den 30. Platz einnimmt. «Übrig bleiben ein paar Leute, die Angst um ihre Stelle haben und weniger bezahlt bekommen. Sind das die Leute, die das Geschäft wieder aufbauen werden?»

Trotzdem haben Kumar zufolge sowohl Cryan, ehemals Finanzchef der UBS, als auch Thiam gezeigt, dass sie das Geschäft effektiv leiten können. «Der Grund, jemand neuen reinzubringen, ist teilweise auch, damit sie sich mit diesen schwierigen Dingen befassen», erklärt er. «Ich bin nicht sicher, ob es jemand gegeben hätte, bei dem die Leute gesagt hätten: ’Ich bin froh, dass er die Verantwortung trägt, er hat das absolut gemeistert.’ Wenn die Zeiten schwierig sind, dann sind sie das für alle.»

«Muskel und Ertragsstärke weggeschnitten»

Sprecher beider Banken sagten, die Vorstandschefs seien nicht zu einer Stellungnahme für diesen Artikel bereit.

Investmentbanken haben mit einem Einbruch ihrer Erträge zu kämpfen. Niedrigere Energiepreise und das sich abschwächende Wachstum in China lassen die Kunden vor dem Handel und der Emission von Wertpapieren zurückschrecken, um Kapital aufzunehmen. In Europa schlagen sich die Banken mit rekordniedrigen Zinsen und Anleihekäufe der Zentralbanken herum, die die Profitabilität weiter reduzieren.

Die Deutsche Bank dürfte zwar Fortschritte bei der Senkung ihrer Kosten gemacht haben, doch das schwache Ertragsumfeld für alle europäischen Investmentbanken bedeutet, dass es ihr und Credit Suisse schwer fallen dürfte, den Nutzen ihrer Sparmassnahmen zu zeigen, erklärten Analysten der Royal Bank of Canada. Die Deutsche Bank legt ihre Zahlen für das erste Quartal am 28. April vor und Credit Suisse am 10. Mai.

Nach Einschätzung des Fondsmanagers Davide Marchesin der GAM Holding in Lugano werden die Investmentbanken durch Kostensenkungen nicht attraktiver. Er verkaufte seine Aktien an Credit Suisse, als klar wurde, dass der Markt in einen Abschwung eingetreten ist. «Diese Art von Geschäft braucht Ertragswachstum», sagte Marchesin. «Das ist ein von Menschen gesteuertes Geschäft. Es wird nicht nur das Fett weggeschnitten, es werden Muskel und Ertragsstärke des Unternehmens weggeschnitten.»

Probleme beim Namen genannt

Während Cryans Äusserungen einige Angestellten verunsichert haben, sind andere dankbar, dass er die Probleme der Bank klar beim Namen nennt, wie ein Arbeitnehmervertreter des Unternehmens sagte.

Aufseher und Politiker im Heimatland der Deutschen Bank unterstützen Cryan ebenfalls. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hält seinen Fokus auf Technologiesysteme für lange überfällig, während ein Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel die Transparenz begrüsste, die er zum Unternehmen brachte. Nach Aussage des Beraters, der anonym bleiben wollte, braucht Deutschland die von der Bank angebotenen Dienstleistungen, und er werde im zweiten oder dritten Quartal nach Hinweisen Ausschau halten, dass die Bank ihre Trendwende schaffen kann.

«Direktheit und Ehrlichkeit sind eine wohltuende Abwechslung», sagte Eddie Perkin, Investmentchef für Aktien bei Eaton Vance Corp. in Boston, dem fünfzehntgrössten Aktionär von Credit Suisse. «Investoren in Investmentbanken sind schon seit sehr langer Zeit enttäuscht worden. Die Aktienanleger sind zynisch geworden, was Ankündigungen von Restrukturierungen, Strategieänderungen und Finanzzielen angeht. Sie sind im ’Zeig’s-mir-Stadium’.»

(bloomberg/gku)