Nur widerwillig stimmte Alfred Schindler zu. Der Geschäftsstellenleiter der Pensionskasse des Kantons Glarus hatte kaum eine andere Wahl. Anfang Juni, gut 14 Jahre nach der Gründung der Sustainable Performance Group (SPG), wurde das Ende der Beteiligungsgesellschaft in nachhaltige Unternehmen besiegelt.

Schindlers Kasse gehörte zusammen mit der Sulzer Vorsorgeeinrichtung und den Pensionskassen Thurgau, Zug und Wallis mit einem Anteil von 4,15 Prozent zu den Hauptaktionären des Anlagevehikels. Wollte er einen Verlust von mehr als 40 Prozent vermeiden, blieb ihm nichts anderes übrig, als die Überführung der Anlage in den nachhaltigen Globalance Sokrates Fund zu genehmigen. Doch der Frust bleibt.

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«Die Entwicklung dieser nachhaltigen Anlage war so enttäuschend, dass der Stiftungsrat sogar den Ausstieg aus dem gesamten Segment ins Auge fasst», erklärt Schindler. Grundsätzlich habe man natürlich nichts dagegen, wenn mit den Finanzanlagen der Pensionskassen auch noch ökologische, soziale und ethische Kriterien erfüllt würden. «Doch am Ende des Tages muss die Rendite stimmen», hält er fest.

Steile Wachstumskurve

Dabei erfreuen sich nachhaltige Anlagen bei Pensionskassen und anderen institutionellen Anlegern in der Schweiz nach wie vor einer wachsenden Beliebtheit. Waren es im Krisenjahr 2008 noch gut 9 Milliarden Franken, die in das Segment flossen, waren es 2009 bereits 12,4 Milliarden Franken, wie die Research- und Beratungsfirma Onvalues in ihrer jährlichen Marktstudie festhält. 2010 nahm der Anteil nochmals um 15 Prozent zu und lag bereits bei 14,3 Milliarden Franken. Damit geht jede dritte in der Schweiz getätigte Anlage in Nachhaltiges auf das Konto von institutionellen Anlegern. Auf die Gefahr hin, dass damit wie im Fall SPG die Renten der Beitragspflichtigen riskiert werden.

Nur zu oft mussten nämlich Vorsorgeeinrichtungen bei ihren Nachhaltigkeits-Investments kräftig abschreiben. So bei der bis zum Konkurs Anfang Jahr in Bern kotierten Recyclingfirma Citron oder beim nachhaltigen Forstunternehmen Precious Woods, wo Pensionskassen mithin zu den wichtigsten Geldgebern (siehe Kasten) gehörten.

So kann die Forstgesellschaft Precious Woods, deren Aktie in den vergangenen zwei Jahren einen Absturz um mehr als 50 Prozent einbrach, auf die Beamtenversicherungskasse des Kantons Zürich (BVK) als Grossaktionärin mit einem Anteil von 3,9 Prozent zählen. Allerdings hat die Kasse bis 2007 grosse Positionen im Titel abgestossen. Zu Gewinnen und Verlusten nimmt die BVK keine Stellung. «Wir können bei börsennotierten Einzeltiteln keine Auskunft geben», erklärt Adrian Wipf, Chef der Vermögensverwaltung bei der BVK- Personalvorsorge.

Auf einem Verlust bleibt wohl die Integralstiftung für die berufliche Vorsorge Thusis sitzen. Sie zählt zu den grössten Obligationären der Recyclingfirma Citron, die sich derzeit noch in einem Konkursverfahren befindet. Im ungünstigsten Fall droht den Beitragspflichtigen ein Totalverlust von 7,3 Millionen Franken − angesichts eines Obligationenbestandes von 52,1 Millionen Franken per Ende 2009 ein Anteil von immerhin 14 Prozent.

Druck von aussen

Von einem erhöhten Risiko nachhaltiger Anlagen will Reto Ringger dagegen nichts wissen. Der Chef und Gründer der auf Nachhaltigkeit spezialisierten Globalance Bank führt die Kursrückschläge bei den erwähnten Aktien vielmehr auf eine ungenügende Evaluation der Titel zurück. «Nachhaltige Anlagen haben sich in den letzten zehn Jahren parallel oder leicht über den Benchmarks entwickelt», erklärt Ringger. «Dass es in diesem grossen Universum von weltweit über 2000 Anlagegefässen auch Ausreisser gibt, bestätigt, dass eine professionelle und unabhängige Evaluation der einzelnen Anlagen sehr wichtig ist», so der Pionier auf dem Gebiet der nachhaltigen Investments. Um aus diesem grossen und unübersichtlichen Universum eine sinnvolle Auswahl zu treffen, brauche es breite Marktkenntnisse, Erfahrung und Fachwissen.

Doch genau hier hapert es bei den Pensionskassen zuweilen. Statt im Auftrag der Destinatäre systematisch in die geeignetste nachhaltige Anlage zu investieren, erliegen die Kassen zum Teil schlicht dem Druck von aussen. Der Zürcher Bankenprofessor und Pensionskassenexperte Martin Janssen sagt, dass dafür vor allem zwei Gründe verantwortlich sind. Einerseits Personen, welche den Stiftungsrat zur Verfolgung eigener, vor allem «grüner» Interessen benutzen und zweitens die aufwendigen Marketingkampagnen der Anbieter.

Auch Martin Wechsler, Pensionskassenexperte aus Aesch BL und Berater von mehreren Vorsorgeeinrichtungen, kennt das Vorgehen. «Einzelne Gruppierungen, teils auch aus dem Arbeitnehmerkreis, fordern vermehrte Investments in nachhaltige Anlagen», hat er festgestellt. Um diese Forderung zu entkräften, würden die Kassen dann pro forma einige Millionen in nachhaltige Anlagen investieren.

«Alles andere ist Missbrauch»

Ein Pensionskassenmanager, der nicht namentlich genannt werden will, geht gar noch weiter. «Wir wollten halt einfach beim Thema Nachhaltigkeit früh mit dabei sein.» Ein konkreter Auftrag seitens der Beitragszahler, ihre Gelder in nachhaltige Beteiligungen zu investieren, habe dabei nicht bestanden.

Auch Schindler von der Pensionskasse des Kantons Glarus bestätigt: «Der Ruf nach nachhaltigen Anlagen kommt eher von anderen Gruppierungen als den Beitragszahlern.» Dies gelte derzeit auch, was die Anlagen in Rohstoffe betreffe. Indem aber die Vorsorgeeinrichtungen den Wünschen von Aussenstehenden nachgeben und Modeströmungen nacheifern, begeben sie sich selber auf dünnes Eis. «Es gibt für eine Pensionskasse nur eine Pflicht: Die Erwirtschaftung einer hohen risikokorrigierten Rendite im Interesse der Versicherten. Alles andere ist Missbrauch», erklärt Pensionskassenexperte Janssen. Es sei allein Sache des Destinatärs, sein Geld nachhaltig zu investieren.

Hinzu kommt, dass angesichts einer Modeerscheinung sämtliche Anbieter entsprechende Finanzprodukte zu verkaufen versuchen, die dann zum Teil nicht halten können, was sie versprechen. Das Menü heisse zwar immer Nachhaltigkeit, entscheidend sei aber, wie der Koch dieses zubereitet, umschreibt dies ein Pensionskassenmanager. Je nach Produkt würden daher zwar hohe Kosten entstehen, aber die gewünschten Resultate ausbleiben. «Die jüngste Untersuchung des Bundesamts für Sozialversicherungen hat ähnliche Tendenzen im Hinblick auf die Hedgefonds bestätigt», so Wechsler.

Nach der Überführung von SPG in den Globalance-Fonds will Schindler dem neuen Management nochmals eine Chance geben, bevor er das Thema Nachhaltigkeit endgültig abhakt. «Vielleicht waren wir ja mit SPG einfach noch zu früh.»

 

Nachhaltige Anlagen

Citron
Von 1997 bis 2010 betrieb das Unternehmen aus Zürich in Le Havre in Frankreich eine Recyclinganlage zur Verwertung von Schwermetallen aus Sondermüll. Nach anfänglichen Erfolgen musste die Firma seit dem Geschäftsjahr 2006/07 zahlreiche Rückschläge hinnehmen. Auseinandersetzungen mit den Behörden, Produktionsprobleme, Konflikte im Management und eine schleppende Nachfrage haben der Firma schwer zugesetzt. Ein Brand in der Anlage brach Citron 2010 das Genick. Anfang Jahr wurde der Konkurs über das Unternehmen verhängt. An der Berner Börse wurden die Namen- und Inhaberaktien sowie eine Wandelanleihe über 40 Millionen Franken gehandelt.

Precious Woods
Das auf nachhaltige Forstwirtschaft in tropischen Regenwäldern spezialisierte Schweizer Unternehmen ist in Zentralamerika, Brasilien und Gabun tätig. Dabei wird Tropenwald auf nachhaltige und schonende Weise bewirtschaftet und das Holz in eigenen Sägereien verarbeitet. Das an der Schweizer Börse kotierte Unternehmen erlitt 2009 Rückschläge im Holzhandelsgeschäft und kämpfte mit administrativen Hindernissen in Brasilien. Davon konnte sich Precious Woods bisher nicht erholen und befindet sich derzeit in einer Restrukturierungsphase. Diese soll Ende 2011 abgeschlossen sein.

Sustainable Performance Group (SPG)
Die 1997 kotierte Beteiligungsgesellschaft gehörte zu den ersten Anlagevehikeln zum Thema Nachhaltigkeit. Da die Aktie seit 2009 zeitweise einen Abschlag gegenüber dem inneren Wert der Beteiligungen von mehr als 20 Prozent aufwies, beschloss der Verwaltungsrat im Mai die Überführung der Anlagegesellschaft in den durch die Schweizer Privatbank Globalance verwalteten Globalance Sokrates Fund. Damit geht das Vehikel zurück zu Reto Ringger, der zu den Gründervätern von SPG gehörte.

Meyer Burger
Das Unternehmen aus Thun hat sich in den vergangenen Jahren zu einem weltweit führenden Anbieter von Systemen und Produktionsanlagen für die Photovoltaik in der Solarindustrie entwickelt. Derzeit befindet sich das Unternehmen im Übernahmekampf um die deutsche Roth & Rau. Nachdem Meyer Burger Anfang April ein Übernahmeangebot für den Photovoltaikzulieferer ausgegeben hatte, bildete sich Widerstand aufgrund des Kaufpreises. Meyer Burger hält derzeit 32,38 Prozent an Roth & Rau.