Angesichts eines wahren Jobwunders in den USA rückt die zweite Zinserhöhung in diesem Jahr immer näher. Im April stellten Firmen und Staat insgesamt 211'000 Mitarbeiter ein und damit weit mehr als Experten auf dem Zettel hatten, wie die Regierung in Washington am Freitag mitteilte. Die Erwerbslosenquote ist mit 4,4 Prozent mittlerweile so niedrig wie seit fast zehn Jahren nicht mehr.

Präsident Donald Trump, der erst gut 100 Tage regiert, könnte sich bald mit der zweiten Zinserhöhung in seiner noch kurzen Amtszeit konfrontiert sehen: «Notenbankchefin Janet Yellen tut gut daran, weiter an der Zinsschraube zu drehen. Eine Erhöhung im Juni sollte nach den jüngsten Job-Daten in trockenen Tüchern sein», meinte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank in Liechtenstein.

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Trump mag tiefe Zinsen

Die Notenbank Federal Reserve, die Vollbeschäftigung anstrebt, ist praktisch am Ziel und hat bereits begonnen, die Zinszügel anzuziehen. Sie erhöhte den Schlüsselsatz zur Versorgung der Banken mit Geld im März auf die aktuelle Spanne von 0,75 bis 1,0 Prozent. Auf der jüngsten Sitzung am Mittwoch hielt die Fed noch still, doch machten die Währungshüter zugleich deutlich, dass sie die Wachstumsschwäche zu Jahresbeginn für einen Ausreisser halten. Sie peilen für dieses Jahr noch zwei Erhöhungen an, falls die Konjunktur rund läuft.

In den ersten drei Monaten schaffte die US-Wirtschaft aber lediglich ein Plus von aufs Jahr hochgerechnet 0,7 Prozent – so niedrig war das Wachstum seit drei Jahren nicht mehr. Doch Präsident Trump will die Wirtschaft mit einer radikalen Steuerreform und Investitionen in Billionenhöhe anschieben und den Jobmotor noch mehr auf Touren bringen. Er hat dabei die Latte extrem hoch gehängt: Seinen Wählern versprach er, der «grösste Job-produzierende Präsident» seines Landes zu werden, «den Gott je erschaffen hat.» Er machte aber zuletzt in einem Interview des «Wall Street Journal» auch seine Vorliebe für niedrige Zinsen deutlich.

Warnung vor Überhitzung

Mit den im April geschaffenen Stellen ist der Job-Aufbau aktuell allerdings weit stärker, als nötig wäre, um mit dem Bevölkerungswachstum Schritt zu halten: Dafür reichen nach einer Faustregel 75'000 bis 100'000 neue Arbeitsplätze pro Monat völlig aus. Da nun bereits Vollbeschäftigung herrscht, dürfte ein weiteres Anheizen des Jobbooms die Fed auf den Plan rufen: Notenbank-Chefin Yellen hat bereits klargestellt, dass sie eine Überhitzung der Konjunktur nicht zulassen will und notfalls einen aggressiveren geldpolitischen Kurs einschlagen könnte.

Die Fed ist nun zwar in puncto Vollbeschäftigung am Ziel, doch ist die Inflationsrate bislang noch etwas niedriger als den Währungshütern lieb ist. Sie setzen dabei auf steigende Löhne als Triebfeder für höhere Preise: Die Stundenlöhne zogen im April um 0,3 Prozent an und damit genauso kräftig, wie es Fachleute erwartet hatten: «Der Anstieg – wenngleich nicht ganz so stark wie bei einer derart niedrigen Arbeitslosenquote zu erwarten wäre – hält den Druck auf die Fed aufrecht», meint Ökonom Bernd Krampen von der NordLB. Auch er geht von einer Zinsanhebung am 14. Juni aus: «Sollte nicht irgendwo auf der Welt mehr als nur ein Sack Reis umkippen.»

Mögliche Störfeuer

In Europa blicken die Märkte derzeit mit besonderer Spannung auf die Stichwahl um das Präsidentenamt in Frankreich: Dabei gilt der europafreundliche Kandidat Emmanuel Macron als Favorit im Rennen gegen die rechtsextreme Marine Le Pen, die Frankreich aus der EU führen und ein Referendum über einen Euro-Austritt anstrebt. In der Vergangenheit hatte Störfeuer von aussen – etwa das Brexit-Votum der Briten und ein Börsenbeben in China – die Zinspläne der Fed mehrfach durcheinandergewirbelt.

Die ermutigende Daten vom US-Arbeitsmarkt schoben die Wall Street am Freitag leicht an. Zudem lebte die Rekordrally an den europäischen Börsen nach den starken Zahlen wieder auf: Der Dax erklomm bei 12'667,10 Punkten ein frisches Hoch.

(reuters/chb/gku/jfr)