27 Kilometer sorgen für Unruhe an den Ölmärkten. Die den meisten Menschen wohl unbekannte Meerenge Bab al-Mandab ist plötzlich in aller Munde. Sie ist ein Nadelöhr, durch das täglich knapp vier Millionen Barrel Rohöl geschleust werden. Doch der weltweit viertgrösste Transportweg für den Energieträger droht zum Kriegsgebiet zu werden. Er verläuft direkt vor der jemenitischen Küste. Und im Jemen hat ein internationaler Kampfeinsatz begonnen.

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Nach den ersten militärischen Luftangriffen der von Saudi-Arabien angeführten Golfstaaten-Allianz gegen die Huthi-Rebellen im Jemen sind die Ölpreise um acht Prozent in die Höhe geschossen. Innerhalb von einer Woche haben die Notierungen der Nordseesorte Brent knapp ein Fünftel zugelegt, so stark wie seit 2009 nicht mehr.

Viele Millionen Barrel täglich

Zwar ist der Jemen selbst kein besonders wichtiger Ölproduzent. Die Tagesförderung hat sich in den vergangenen 15 Jahren auf 130’000 Fass pro Tag annähernd gedrittelt. Das Land an der südlichen Spitze der arabischen Halbinsel belegt bei der Produktion weltweit nur noch Rang 31 hinter Vietnam und vor Dänemark.

Doch viel entscheidender ist Jemens geografische Lage. Täglich passieren viele Millionen Barrel aus Saudi-Arabien, Kuwait oder Katar die Meerenge Bab al-Mandab, die in den Golf von Aden mündet. Der Rohstoff wird grösstenteils Richtung Asien verschifft.

Bemerkenswerte Turbulenzen am Markt

Die Turbulenzen an den Ölmärkten sind durchaus bemerkenswert. Bislang hat sich der Preis für den wichtigsten Energieträger der Welt allen geopolitischen Unwägbarkeiten zum Trotz – auch in wichtigen Förderländern wie Russland, Libyen oder Nigeria – eher nach unten bewegt.

Auch die Börsen haussierten. Das hat sich mit dem Jemen-Konflikt erst einmal verändert. Strategen streiten allerdings darüber, ob dieser Konflikt die Energiemärkte, Börsen und letztlich die Weltwirtschaft langfristig tangiert und wie heftig die Erschütterungen ausfallen.

Citi: «Blockade unwahrscheinlich»

Die Experten der US-Grossbank Citi etwa wollen nichts von nachhaltigen Auswirkungen wissen. «Die Märkte fürchten die Blockade der Meerenge Bab al-Mandab. Doch ich halte die Wahrscheinlichkeit für nahezu Null, dass das passiert», sagt Dan Tobon, Stratege der Citi.

Der Bürgerkrieg im Jemen finde vor allem auf dem Festland und insbesondere der Hauptstadt Sanaa statt. Die Meerenge sei dagegen von den saudischen Bombardierungen nicht betroffen. Dagegen spricht seiner Meinung nach auch, dass die Küstengebiete nach wie vor fest in der Hand offizieller Regierungstruppen sind. Ausserdem befindet sich auf der afrikanischen Seite der Wasserstrasse in Djibouti die einzige Militärbasis der Amerikaner am Horn von Afrika. «Eine Menge Feuerkraft, die im Zweifel den Weg für die Tanker freihält», findet Tobon. Er hält deshalb den Ölpreisanstieg für vorübergehend.

«Jemen wird zum Stellvertreterkrieg»

Doch nicht alle Experten denken so. «Jemen wird zum Stellvertreterkrieg zwischen der führenden Schiiten-Nation Iran und dem sunnitischen Saudi-Arabien und damit den verfeindeten islamischen Religionsgruppen», sagt Kamran Bokhari, Analyst von der geopolitischen Denkfabrik Stratfor. Ein solcher Konflikt könnte sich ausweiten. Und es wäre nicht der erste. Saudi-Arabien war bereits in den 1960er-Jahren in einen Stellvertreterkrieg im Jemen verwickelt. Der Konkurrent war damals Ägypten unter Staatschef Gamal Abdel Nasser.

Im Norden des Jemens herrschte über Jahrzehnte ein konservatives schiitisches Königshaus. Im September 1962 putschten jedoch Offiziere und riefen eine Republik aus. Sie waren mit Nasser verbunden, dessen Pan-Arabismus in der ganzen Region sehr populär war. Ägypten schickte Zehntausende Soldaten in den Jemen, um die Putschisten zu unterstützen. Die Anhänger der gestürzten Monarchie erhielten hingegen Militärhilfe von Saudi-Arabien, das seine eigene Herrschaft massiv in Gefahr sah.

Türkei und Ägypten unterstützen Saudi-Arabien

Auch in der Gegenwart bilden sich bereits Allianzen. Die Türkei und Ägypten beispielsweise haben sich schnell auf die Seite Saudi-Arabiens geschlagen. Der Iran wiederum hat lautstark gegen die Luftschläge protestiert. «Die Sicherheitssituation im Jemen könnte die ganze Region destabilisieren und Unsicherheiten an den Energiemärkten auslösen», sagt Jean-Michel Saliba, Ökonom bei Bank of America Merrill Lynch.

Für den Iran ist ein Anstieg beim Ölpreis besonders willkommen. Das Land gehört zu den grössten Verlierern des Energiepreisverfalls. Um seinen Staatshaushalt im Gleichgewicht zu halte, braucht Teheran einen Barrelpreis von rund 140 Dollar. Das wissen natürlich auch die Saudis, die genau wie der Iran Mitglied Opec sind.

Opec ist uneins

Doch das Ölkartell ist gespalten wie nie. So blockierte Saudi-Arabien Ende 2014 beim letzten Treffen des Kartells in Wien die von ärmeren Mitgliedern wie Venezuela und dem Iran geforderte Drosselung der Förderung. So wollen die Saudis ihre weltweiten Marktanteile retten, die aufgrund der neuen Stärke der USA – die derzeit einen Ölboom erleben – in Gefahr sind. Auf die Befindlichkeiten der anderen Opec-Länder wird derzeit keine Rücksicht genommen.

Der Iran warf den beiden Feinden USA und Saudi-Arabien deshalb schon damals vor, konspirative Absprachen getroffen zu haben, um seine Wirtschaft zu ruinieren. Der saudische Ölminister Ali al-Naimi verliess die Sitzung damals hingegen sichtlich gut gelaunt und meinte nur: «Das war eine gute Entscheidung.»

Dieser Artikel ist zuerst in unserer Schwester-Publikation «Die Welt» erschienen.