George Soros hat gesprochen – und verkündigte dabei wie so oft eine epochale Botschaft. Eine Botschaft, die die Mächtigen dieser Welt auf dem falschen Fuss erwischen dürfte. Der legendäre Investor, Milliardär und Polit-Stratege sieht Russland auf dem besten Weg zu einer neuen Supermacht.

Und das ausgerechnet zu einer Zeit, in der dem Riesen-Reich praktisch nichts zu gelingen scheint. Wirtschaftlich befindet sich das Land im Niedergang, das Ende der Rezession scheint nicht in Sicht.

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Absturz an der Fussball-EM

Sportlich müssen die stolzen Russen eine Niederlage nach der anderen verkraften. Nicht nur, dass ihre Leichtathleten wegen diverser Doping-Skandale nicht antreten dürfen, auch ihre «Sbornaja» hat bei der Fussball-EM versagt und nicht mal die Vorrunde überstanden. Ein gesellschaftliches Debakel für den nächsten WM-Gastgeber.

Und politisch gab es in dieser Woche den nächsten Tiefschlag. Nahezu geräuschlos haben sich die 28 Mitglieder der Europäischen Union auf die Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland verständigt – im Prinzip auf weitere sechs Monate, bis Ende Januar 2017.

Soros erwartet Kollaps der EU

Doch Soros denkt offenbar weiter und vor allem strategischer. Im Mittelpunkt seiner Idee vom mächtigen Moskau steht der «Kollaps» der Europäischen Union, den er schon länger voraussagt. Im gleichen Masse, wie die EU an Kraft verliert, würde der Kreml an globalem Einfluss gewinnen. Seine Gedankenspiele folgen einer Theorie der kommunizierenden Röhren. So sei die Europäische Union in den 80er- und 90er-Jahren just zu dem Zeitpunkt richtig aufgeblüht, als sich der Zerfall der Sowjetunion in Gang setzte.

Die Wirtschaftszahlen stützen die Idee der kommunizierenden Röhren. Die Volkswirtschaften der Euro-Zone erlebten in den 80er- und 90er-Jahren eine Blüte. Der Anteil an der Weltwirtschaft wuchs von unter 20 Prozent in den 60er-Jahren auf rund 27 Prozent in den 90ern. Russland wiederum rutschte von fast drei Prozent auf zwischenzeitlich unter ein Prozent ab. Inzwischen ist die ehemalige Supermacht wieder bei knapp drei Prozent angelangt.

Soros verfolgt eigene Agenda

Im vergangenen Jahr jedoch sorgten Ölpreis- und Rubelverfall für einen deutlichen Dämpfer. Soros Ideen mögen angesichts des aktuellen Zustands Russlands kühn klingen. Auch verfolgt der gebürtige Ungar eine eigene politische Agenda.

So ist er ein bekennender Verfechter der ukrainischen Interessen. In dem er Angst vor einem zu mächtigen Russland schürt, kann er leichter den Westen für die Unterstützung der Ukraine gewinnen. Doch der inzwischen 85-Jährige zählt zu den erfolgreichsten Börsenspekulanten und besten Prognostikern aller Zeiten. Immer wieder spürte er ökonomische Ungleichgewichte im Weltwährungssystem auf und machte mit Wetten darauf ein Vermögen.

Legendäre Wette gegen das Pfund

Die Bloomberg-Milliardärsliste führt Soros mit einem Vermögen von knapp 25 Milliarden Dollar auf Rang 26 der reichsten Menschen der Welt. Seinen legendären Ruf begründete er im September 1992, als er mit seinem Quantum-Hedgefonds die Bank von England in die Knie und das Pfund aus dem Europäischen Währungssystem zwang. Damals wertete das Pfund zur D-Mark rund 15 Prozent ab. An der Kapitulation der Notenbank verdiente Soros nicht nur Milliarden, sondern galt auf einen Schlag als einer der gewieftesten Investoren weltweit.

Auch den Verlauf der Euro-Krise hat er kommen sehen. Schon vor vier Jahren sagte er in einem Interview der «Welt» voraus, dass die Euro-Zone in die Deflation rutschen werde. Umso bedrohlicher klingt seine aktuelle Warnung vor einem Kollaps der Europäischen Union.

«Schwarzer Freitag»

Bereits in dieser Woche kommt es mit dem EU-Referendum der Briten zu einem weiteren Stresstest für den Kontinent. Hier hat Soros vor einem «Schwarzen Freitag» gewarnt, sollten sich die Insulaner für den Austritt entscheiden. Das Pfund könnte dann um 20 Prozent einbrechen und damit stärker als bei seinem Meisterstück gegen die Bank von England im September 1992. «Zu viele glauben, dass ein Votum zum EU-Austritt keine Folgen auf ihre persönliche Finanzlage haben wird. Das ist Wunschdenken», warnte er in einem Beitrag im britischen «Guardian».

Viele Briten würden «die wahren Kosten» eines Brexits schwer unterschätzen, betont Soros. Ein EU-Austritt hätte auch «sofortige und dramatische Auswirkungen auf Finanzmärkte, Investitionen, auf Preise und Jobs» – wieder so eine Botschaft, die aus seinem Munde besonderes Gewicht erhält.

Dieser Artikel ist zuerst auf unserer Schwester-Publikation «Die Welt» unter dem Titel «George Soros sagt Russlands Rückkehr als Supermacht voraus» erschienen.