Follower-Zahlen sind wichtig. Hohe Nutzerzahlen zeugen von Popularität und Relevanz eines Unternehmens. Das hilft, um Kunden anzulocken und das eigene Geschäft zu beflügeln.

Kein Wunder, dass im Internet das Angebot gross ist, Follower und Likes zu kaufen. Gegen Geld können Privatpersonen und Unternehmen ihre Fanzahlen rasant nach oben schrauben. Warum sollten sie sich auch mühen, über Monate und Jahre hinweg eine digitale Gefolgschaft aufzubauen, wenn es für ein paar Franken innerhalb weniger Tage Zehntausende neue Follower gibt?

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Einige Cents pro Klick

Weltweit ist längst eine Millionen-Dollar-Umsatz-Industrie entstanden, die für den gekauften Erfolg im Web parat steht. Solche Anbieter heissen etwa «Fans-Follower-Kaufen.com». Der für diese Geschäfte nach eigenen Angaben «grösste Anbieter in Europa» prahlt auf seiner Website mit mehr als 98 Millionen vermittelten Fans. Er behauptet, «nur reale und überprüfte Fans und Follower, die manuell den Gefällt-mir-Button oder ähnliches drücken», im Angebot zu haben.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Nutzerzahlen in den Social-Media-Kanälen in die Höhe zu treiben: Entweder generiert ein Computer Tausende von Follower-Accounts, die dem Profil des Käufers bei Twitter oder Facebook zugeordnet werden. Manche Anbieter versprechen sogar, dass die Aktion nicht auffliegt, denn Firmen wie Google, Facebook und Twitter haben natürlich kein Interesse an solchen Täuschungen und versuchen, Fake-Accounts zu löschen. Oder es sind Menschen, die einige Cent pro Klick dafür erhalten, dass sie einer bestimmten Person folgen, ein Angebot «liken» oder «retweeten». Dabei bietet zum Beispiel «Fans-Follower-Kaufen.com» auch Fans nach Zielgruppen an, also entsprechend «Land, Alter, Geschlecht, Hobby». Besonders teuer sind die Social-Media-Aktivitäten nicht, der Preiskampf in der Branche ist gross: Manche Firmen offerieren 1000 Follower schon für zwei Dollar. Für fünf Dollar gibt es 10'000 Follower - alles bequem per Kreditkarte zu bezahlen.

Schummelversuche im Web

Kaum jemand will allerdings zugeben, auf diese Art die eigene Gefolgschaft im Netz zu stimulieren. In Deutschland wurden etliche Firmen, Parteien und Sportler enttarnt, die plötzlich rasante Zuwächse bei ihren Followern hatten. Auffällig ist stets, wenn die Follower aus dem Ausland stammen, selbst keine Follower haben und sich so gut wie nie mitteilen. Dann deutet alles auf einen computergenerierten Account hin. Auch der kanadische Musiker Justin Bieber soll seine Fanzahlen im Netz geschönt haben. In den USA traf es im Frühjahr die Politikerin Hillary Clinton: Der sogar von Twitter verifizierte Account «Faith-Voters4Hillary» hatte plötzlich zusätzlich 12'000 Follower – allesamt gefälscht. Sie wurden allerdings schnell gelöscht.

Was nach solchen Aktionen trotzdem bleibt, sind peinliche Debatten in den Medien über die Schummelversuche im Web. Nach Einschätzung von Fachleuten ist der Kauf von Nutzern im Web nicht nur verpönt und schadet der Reputation. Es bringt auch nicht unbedingt einen Vorteil.

«Gesamtzahl der Follower nicht entscheidend»

«Eine hohe Zahl an Followern ist mit Blick auf die Reichweite zwar gut, doch die Gesamtzahl der Follower ist nicht entscheidend», sagt Manuel Nappo, Social-Media- Experte an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ).  Für eine gelungene Marketingbotschaft zähle vielmehr, ob die Follower eine bestimmte Botschaft überhaupt wahrnehmen würden. «Wenn etwa die Firma Red Bull 50 Millionen Fans auf Facebook hat, ist das schön. Doch es bleibt unklar, welcher Zielgruppe sie genau angehören. Sind es Österreicher? Ehemalige Mitarbeiter von Red Bull oder deutsche Vettel-Fans?»

Es gehe also darum, lieber eine kleine Gruppe an Nutzern zu haben, die eine Botschaft auch lesen, statt sich über Zehntausende Follower zu freuen, die sich mit einer Kampagne im Netz überhaupt nicht erreichen lassen. Hinzu kommt: Statt hohe Nutzerzahlen zu generieren, sei entscheidend, dass die Nutzer auch interagierten. «Das heisst, sie folgen nicht nur, sondern diskutieren, teilen Botschaften und belegen so ihr Interesse», sagt Nappo.

Kein nachhaltige Investition in Follower

Ähnlich äussert sich auch Microspot-Leiter Martin Koncilja: «Social Media ist für uns interessant, um neue Kunden zu finden», sagt er. «Viele Leute bei Twitter sind sehr technikaffin, interessieren sich für Elektronik.» Doch Follower zu kaufen, käme Koncilja nicht in den Sinn: «Das bringt überhaupt nichts.» Zwar könne ein Massenmedium wie Twitter auch Massen von Kunden erreichen. Doch für ihn zähle vielmehr, wie viele Kunden tatsächlich von Twitter auf die Microspot-Website kämen und dort auch Waren kauften. Microspot hat mehr als 20'000 Likes auf Facebook und mehr als 1000 Follower bei Twitter.

Dass gekaufte Follower kein erfolgreiches Investment für die Ewigkeit sind, räumen sogar die Schummelanbieter ein. Eine Firma schreibt auf ihrer Website: «Kein legaler Anbieter, der Fans und Follower promotet, kann Ihnen garantieren, dass die gewonnenen Personen, also Fans und Follower, ein Leben lang auf Ihrem Profil oder Ihrer Site bleiben werden.» Dies hat wohl auch damit zu tun, dass das Angebot von Programmen, die falsche Accounts aufspüren, sich reger Nachfrage erfreut. So lässt sich zum Beispiel auf der Website twitteraudit.com prüfen, wie viele vermeintlich gefälschte Nutzer ein Twitter-Account hat. «Wer den Test macht, muss aber nicht gleich in Panik geraten», sagt Nappo, «10 Prozent gefälschte Follower zu haben, ist durchaus normal.»

Tim Höfinghoff
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