Vollbart, Dreitagestoppeln, Schnurrbart: Bärte sind omnipräsent. Besonders beliebt in kreativen Jobs - gepaart mit Holzfällerhemd und Jutebeutel - spriesst in letzter Zeit auch in den Chefetagen die Gesichtsbehaarung. Credit-Suisse-Schweiz-Chef Thomas Gottstein zeigte sich kürzlich im Gespräch mit der Handelszeitung mit Bart

Auch Daniel Vasella, Ex-Chef von Novartis, hat die glattrasierten Wangen für einen dichten Bart ausgetauscht. Vorbilder für die Schweizer Manager gibt es seit längerem in den USA: Google-Mitgründer Sergej Brin trägt seit Jahren Vollbart. Und sogar Goldman-Sachs-CEO Lloyd Blankfein zeigte sich unlängst mit Dreitagestoppeln. Zeichen, dass die Gesichtsbehaarung in den Chefetagen angekommen ist?

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Sieben heisse Tücher

Darauf deuten zumindest die Barbershops hin, die in Schweizer Grossstädten aus dem Boden spriessen. Einer davon ist Bullfrog im Zürcher Niederdörfli. Im Laden des Mailänder Ex-Beraters Romano Brida kommen regelmässig Banker und andere Geschäftsleute vorbei. «Die Business-Community macht einen grossen Teil unserer Kundschaft aus», sagt Brida. Sie kommen sowohl für Rasuren als auch für Haarschnitte. 

Besonders beliebt ist die traditionelle nordamerikanische Rasur. Sie umfasst eine Behandlung mit sieben heissen Tüchern sowie eine doppelte Rasur. Zum Schluss wird die Haut mit einem eiskalten Tuch beruhigt und der Bart mit verschiedenen Produkten gepflegt und gestyled. Kostenpunkt: 69 Franken. Einen schnellen Trim gibt es bereits für 29 Franken. 

Auch Warenhäuser wie Globus und Jelmoli rüsten mit Barber-Services auf: Jelmoli bietet immer wieder Barber-Pop-Ups an. Herren-Globus führt gar einen eigenen Barbershop in der Zürcher Filiale an der Löwenstrasse. Hier steigen die Preise für die Rasuren je nach Behandlung bis auf 189 Franken. Sogar Färben oder Highlights für den Bart liegen drin. 

«CEOs können Bart tragen»

Im Geschäft ist das Barttragen allerdings noch keine Selbstverständlichkeit: Manager sollten ihre Gesichtsbehaarung nicht wild spriessen lassen, sagt Stilberater Clifford Lilley. Ein No-Go seien Bärte heutzutage aber meist sogar in den höchsten Etagen nicht mehr, fügt er hinzu. «Auch CEOs können Bart tragen».

Für die Wahl des richtigen Bartstils rät Lilley, sich am Umfeld des Unternehmens zu orientieren: Kultur und Atmosphäre eines Arbeitsplatzes müssten beachtet werden. Ist das Arbeitsumfeld klassisch und konservativ, dürfte der Bart eher fehl am Platz sein, so Lilley

Den entsprechenden Dresscode zu erstellen ist dabei vor allem Aufgabe des Managements, sagt Stilberater Lilley. Neue Mitarbeiter müssten instruiert werden, wie die Firma nach aussen wirken möchte. Besonders junge Berufseinsteiger sollten sich bewusst sein, dass ein langer Wikinger-Vollbart unangebracht sein kann und ihre Erfolgschancen bremsen könnte.

 

Sanfteres Fading ist im Trend

Grundsätzlich empfiehlt Lilley, lange und dichte Bärte im Büro zu vermeiden. «Ein mittellanger, gut gestutzter Bart sieht stylisch aus und muss nicht unbedingt vom professionellen Image ablenken.» Modisch sei ausserdem der Dreitagebart. Egal welcher Bart: «Der Bart sollte zum Typ passen und nicht getragen werden, um in zu sein», so Stilberater Lilley.

Wer sich dabei nach dem neusten Trend richtigen will, sollte sich an Bullfrog-Gründer Bridas Empfehlung halten: Der Bart werde neuerdings so getragen, dass er in den Haarschnitt übergehe, sagt dieser. «Das sogenannte Fading an der Schläfe des Kunden, also die Verbindung zwischen Haar und Bart, wird sanfter.» Zuvor hatten Bartträger die Ausläufer des Bartes auf wenige Millimeter gekürzt und damit Bart und Kopfhaar klar getrennt. 

Ein boomender Markt

Vom Hype um die Gesichtsbehaaarung profitieren auch die Detailhändler. Globus sowie Jelmoli und Manor erfahren nach eigenen Aussagen eine stärkere Nachfrage bei Bartpflege-Produkten. Besonders beliebt sind Bartöle, Conditioner und Bartwachs. Man baue das Angebot stetig aus, heisst es. Genaue Umsatzzahlen kommunizieren die Warenhäuser nicht. 

Auch die Migros hat mit der Linie The Great British Grooming Co. entsprechende Produkte ins Sortiment aufgenommen. Hier findet der Bartträger alles vom Thickening Serum, das den Bart fülliger aussehen lassen soll bis hin zum Beard Wash mit Argan-Öl und Pro-Vitamin B5. Coop führt seinerseits die Marke Barber Mind, welche etwa italienisches Bartöl mit Macademiaöl und Lavendelduft anbietet. 

Neben den Pflegeprodukten erfährt auch das traditionelle Bartwerkzeug ein Revival. Viele Barber nutzen neben dem Elektrorasierer auch ein langklingiges Messer für die Rasur. Jelmoli etwa verzeichnet einen steigenden Absatz an diesen traditionellen Bart-Messern. Das geht auf Kosten von Rasierklingen: Davon wurden im Premium-Warenhaus in letzter Zeit weniger verkauft. 

Redaktorin Caroline Freigang
Caroline Freigangschreibt seit 2019 für den Beobachter – am liebsten über Nachhaltigkeit, Greenwashing und Konsumthemen.Mehr erfahren