Der Schweizer Kosmetikhersteller Aquapresén aus Sevelen SG bei Vaduz will wachsen: 2012 gegründet, konnte die kleine Firma im vergangenen Jahr bereits rund 1 Million Schweizer Franken umsetzen. Neben den Kernmärkten Schweiz und Deutschland erschliesst Gründer und Chef Michael Keil derzeit Absatzmärkte für seine Produkte in Florida und Japan, zudem will er seine Cremes und Lotions künftig über eine eigene Teleshopping-Sendung verkaufen.

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Das dafür benötigte Kapital will der Unternehmer über das sogenannte Crowdinvesting einsammeln, bei dem sich viele Kleinanleger mit überschaubaren Beträgen übers Internet an Firmen beteiligen. «Für uns ist das eine Chance, ganz neue Investorenkreise anzusprechen», sagt Keil, der seine Firma bislang vollständig mit eigenem Kapital finanziert hat.

Kleiner Markt

Plattformen für das Crowdinvesting bringen Kleinanleger und Unternehmen auf der Suche nach Kapital zusammen. «Der Markt ist relativ klein und bedient eine Nische», sagt Kerstin Wagner, Leiterin Kompetenzfeld «Digitale Strategien» am Schweizerischen Institut für Entrepreneurship an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur. «Vor allem junge, wachstumsorientierte Unternehmen beschaffen sich auf diesem Wege Kapital.»

Plattformen wie investiere.ch und c-crowd.com konzentrieren sich ähnlich wie Risikokapitalgeber auf Startups, hinzu kommen Ableger ausländischer Anbieter wie etwa der deutschen Plattform companisto.com, die mittlerweile auch in der Schweiz vertreten ist. «Die Zahl der Plattformen ist sehr überschaubar», sagt Wagner. In Deutschland sei der Markt fürs Crowdinvesting absolut gesehen zwar deutlich grösser, gemessen an der Zahl der Unternehmen aber ebenfalls relativ klein.

Neue Finanzierungsquelle

Ausserdem gibt es in Deutschland die ersten Crowdinvestment-Plattformen für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU), die die Gründungsphase bereits überstanden haben. Aquapresén-Chef Keil hat sich für eine solche Plattform entschieden, er will 100'000 Euro in Form sogenannter Genussrechte, einer Mischung aus Aktie und Schuldverschreibung, über bankless24.de einsammeln. «Wir wollen KMU eine neue Finanzierungsquelle erschliessen», sagt Dirk Littig, Gründer und Geschäftsführer von bankless24.

Ab 100 Euro können Kleinanleger einsteigen: Die Unternehmen begeben Genussrechte und zahlen eine erfolgsabhängige Vergütung. «Solches Mezzanine-Kapital gab es bislang erst ab einer Grössenordnung von mehreren Millionen Euro», sagt Littig.

Anleger suchen Rendite

Die meisten der auf seiner Plattform präsenten Firmen sind junge KMU, die ihr Wachstum finanzieren wollen. Dafür sind die Genussrechte ein gutes Instrument: In der Bilanz gelten sie als Eigenkapital und verbessern damit das Rating.

Um Anleger zu überzeugen, müssen die Firmen freilich eine attraktive Rendite in Aussicht stellen: Übliche Verzinsungen liegen bei 12 bis 18 Prozent, sind allerdings nur dann zu zahlen, wenn das Unternehmen Gewinn erwirtschaftet. «Wir beraten die Unternehmen und geben Tipps, letztlich entscheidet aber jedes Unternehmen selbst, wie hoch es seine Genussrechte verzinst», so Littig. Ansonsten sind die Konditionen aus Kostengründen standardisiert, die Laufzeiten liegen bei drei bis sieben Jahren, danach zahlen die Unternehmen das Kapital an die Anleger zurück.

Variable Kosten

Daneben zahlen die Firmen auch die Kosten der Online-Plattform: Das benötigte Rating kostet rund 300 Euro, dafür müssen Unternehmen die Bilanzen der vergangenen beiden Jahre einreichen. Die Daten werden auch auf der Online-Plattform hinterlegt, wo registrierte Nutzer sie einsehen können. KMU müssen sich also ein Stück weit öffnen und der interessierten Öffentlichkeit Informationen bereitstellen – für manches KMU eine ganz neue Erfahrung. «Verglichen mit den Offenlegungspflichten an der Börse ist das noch überschaubar», sagt der Plattformbetreiber.

Neben dem Rating fallen weitere Kosten an, Littig berechnet je nach Finanzierungsvolumen 6 bis 8 Prozent Gebühr des eingeworbenen Kapitals. Erreicht die Firma das Finanzierungsziel nicht, fallen keine Gebühren an. KMU legen neben dem eigentlichen Kapitalziel zusätzlich eine niedrigere Schwelle fest, zum Beispiel in Höhe von 50 Prozent, bei deren Erreichen sie das Kapital abrufen können. «Wenn ein Unternehmen das Geld für eine Marketingkampagne braucht, kann es ja durchaus sein, dass es auch mit weniger Geld etwas anfangen kann und eine geplante Kampagne eben kleiner dimensioniert», sagt Littig.

Publicity als Nebeneffekt

Kommt nicht genug Geld zusammen, zahlt bankless24 das eingesammelte Geld wieder an die Investoren zurück. Selbst dann kann sich der Versuch aber gelohnt haben, denn die Präsenz auf der Plattform hat einen positiven Nebeneffekt: Grosse Privatanleger und andere Unternehmen werden so auf die Firmen aufmerksam.

«Wir haben schon erlebt, dass andere Firmen eine grössere Summe investiert und eine Vertriebskooperation angeboten haben», sagt Littig. Über die Plattform selbst sammeln die KMU in der Regel bis zu 100'000 Euro ein, weil darüber hinaus die regulatorischen Anforderungen deutlich zunehmen.

Deutsche Plattformen

Im Gegensatz zum Crowdinvesting ist die Finanzierung beim sogenannten Reward-based Crowdfunding nur ein Aspekt von vielen. Firmen nutzen das Crowdfunding zum Beispiel, um ein neues Produkt einzuführen.

Der Schweizer Jackenhersteller Rotauf etwa hatte im vergangenen Jahr eine neue Outdoor-Jacke entwickelt und zunächst einige Muster produziert. Bevor die Produktion tatsächlich in Serie ging, testete das Unternehmen, ob sich über die Schweizer Crowdfunding-Plattform 100 Days genug zahlungswillige Interessenten finden liessen: «Das Projekt war ein voller Erfolg», sagt Wagner, die das Unternehmen bei ihrem Crowdfunding-Projekt beraten hat. Statt der angestrebten 30'000 Franken hatte Rotauf Anfang dieses Jahres sogar fast 49'000 Franken eingesammelt.

Absatzpotenzial erkunden

Dabei sind die Geldgeber keine Investoren, sondern Konsumenten und Fans der Marke: Für ihre Beiträge bekommen sie keine Zinsen, sondern einen nicht monetären Gegenwert in Form sogenannter Goodies.

Die Höhe der Geldbeträge ist dabei vorgegeben: Für den höchsten Betrag von 348 Franken gab es eine der neu entwickelten Jacken zum Vorzugspreis, für 80 Franken eine Werksführung, für 38 Franken eine handgezeichnete Postkarte von Rotauf-Geschäftsführer und Designer Remo Frei, für 15 Franken schreibt er den Namen des «Spenders» ins Gipfelbuch des Calanda, des nächsten Berges gleich am Firmensitz. «Die Firma konnte auf dem Wege das Absatzpotenzial ihres neuen Produktes abschätzen, den Vertriebskanal promoten und obendrein die Produktion vorfinanzieren», sagt Wagner.

Kundenbeziehung aufbauen

Finanzierung und Vertrieb sind damit nur zwei von mehreren Funktionen des Crowdfunding: «Es geht vor allem darum, Kundenbeziehungen aufzubauen, Kunden zu binden und die Marktakzeptanz eines neuen Produktes zu testen.» Und es geht darum, Kunden vom Projekt zu begeistern: «Wer sein Projekt online stellt und nur wartet, dass etwas passiert, hat schlechte Karten», sagt Wagner.

Insofern gibt es durchaus Parallelen zum Crowdinvesting: «Schwarminvestoren wollen überzeugt werden wie alle anderen Investoren auch», so Bankless24-Betreiber Littig. Ähnlich wie beim Crowdfunding sieht Littig beim Crowdinvesting mehrere Vorteile: «Wer Schwarminvestoren wirbt, steigert damit auch die Bekanntheit seiner Produkte. Für viele Schweizer Unternehmen ist Deutschland ein wichtiger Markt.»

Ein Versuchsballon

Dann kann es auch Sinn machen, sich auf einer deutschen Crowdinvesting-Plattform Geld zu besorgen. Aquapresén-Hersteller Keil etwa hat viele wichtige Kunden in Deutschland, für ihn ist das Crowdinvesting gleichermassen Finanzierungs- wie Marketinginstrument. Investoren bekommen neben der monetären Rendite auch einen Warengutschein.

In den ersten Tagen hat Keil zwar erst wenige tausend Euro eingesammelt, dennoch gibt sich der Schweizer Unternehmer optimistisch, die Fundingschwelle von 50'000 Euro zu erreichen. «Wenn die Finanzierung nicht klappt, ist das aber auch kein Problem», sagt der Unternehmer. «Für uns ist das ein Versuchsballon. Wenn ich auf das Geld angewiesen wäre, hätte ich etwas falsch gemacht.»