Manager sind wie Fussballtrainer. Sie fungieren als Projektionsflächen für ein unternehmerisches Projekt, einen erfolgreichen Change-Prozess und die Umsetzung einer Unternehmenskultur. Immer mehr Manager wollen Projektionsflächen für das Thema der Stunde sein: die Digitalisierung. Nur ist das wenig glaubwürdig, wenn im Verwaltungsrat (VR) einer grossen Firma Java nur als indonesische Insel bekannt ist. Wer digital glaubwürdig sein will, muss heute wissen, was Codes sind, heisst es. Noch besser: Er soll in der Lage sein, selber etwas zu programmieren. Erst dann können die Mitarbeiter glaubwürdig zu digitalen Höchstleistungen angetrieben werden.

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Deshalb ploppen auch in der Schweiz erste Coding-Akademien wie Propulsion auf, IT-Crack Jürg Stuker von Namics coacht Manager beim Coden, Online-Seminare zum Thema boomen. Ergibt der Manager-Coding-Trend aber Sinn, oder häufen Chefs Wissen an, das sie dann kaum verwenden?

Coding-Analphabeten unerwünscht

«Das Ziel ist nicht, dass Manager innert kürzester Zeit eigene Programme programmieren und ihre täglichen Aufgaben vernachlässigen», sagt Jürg Stuker, Coding-Coach und Chef der Firma Namics. Es gehe vielmehr um das grundsätzliche Verstehen der Konzepte einer IT-Infrastruktur und der Essenz von digitalen Geschäftsmodellen. Vor allem bei grösseren Investitionsentscheidungen im IT-Bereich oder einem Strategieentscheid im Digitalen ist Coding-Analphabetismus hinderlich.

Wer sich nicht sofort einen Coding-Coach anheuern, sondern sich und sein Team erst einmal mit dem Thema Coden vertraut machen will, dem stehen eine Reihe von praktischen Anwendungen zur Verfügung. So kann man beispielsweise mit der App Swifty Apples Programmiersprache Swift erlernen. In der neuesten Version gibt es 200 Tutorials von absolutem Anfängerwissen bis zum Fachwissen für geübte Programmierer. Ein weiterer Vorteil: Die App ist in verständlichem Deutsch verfügbar.

Auch die App Lrn ist etwas für blutige Anfänger. Der Lernprozess wird unterstützt durch kurze Frage- und Antwort-Spiele. Zur Auswahl stehen die Lernfelder Javascript, Ruby, Python und natürlich HTML und CSS. Wem das zu kompliziert ist, der kann auch mit einer App einsteigen, die eigentlich für Kinder gedacht ist: Lightbot. Dort spielt der User ein Hindernisspiel mit einem Roboter und lernt nebenbei und spielerisch die Grundprinzipien des Coden. Bei dem Spiel geht es eher darum, Denkmuster zu trainieren, die beim Coden nützlich sind, und Grundbegriffe des Coden verständlich zu machen.

Online-Universität

Wer eher der Frontal-Lernen-Typ ist, ist mit Udacity bedient. Hierbei handelt es sich um eine mobile Online-Universität, die auch Programmierkurse anbietet. Mittels kurzer Online-Videos kann man sich mit den wichtigsten Prinzipien des Coden vertraut machen, wobei das Niveau hier schon deutlich anspruchsvoller ist als bei den vorher genannten Apps. Besonders wer sich für Android interessiert, findet hier die Entwicklungs- und Designkurse von Google aus erster Hand. Ein weiterer populärer Klassiker beim Coden-Lernen ist der Online-Kursanbieter Codeacademy. Seit dem Jahr 2011 haben hier 24 Millionen Menschen Coding-Kurse absolviert und dabei über eine Milliarde Zeilen an Codes produziert.

Natürlich kann man sich auch ins Coding-Klassenzimmer setzen: etwa bei der Propulsion Academy in Zürich anmelden, die seit Anfang dieses Jahres aktiv ist. Der dreimonatige Kurs dort kostet allerdings bis zu 15 000 Franken. Von den ersten vierzig Bewerbern dort sind aber nur sieben übrig geblieben, nachdem einige aufgrund der hohen Anforderungen den Kurs bereits abgebrochen hatten.

Programmier-Sabbatical für Manager

Amerikanische Konzerne wie American Express oder General Electric, aber auch Schweizer Firmen wie Ringier, haben bereits Coding-Unterrichtseinheiten für ihre Manager etabliert. Meistens in Form von zweitägigen Workshops wird ihnen Wissen über die Prinzipien und die Schwierigkeiten der Programmiersprachen beigebracht. Beim Autobauer Volkswagen nutzt man den Weiterbildungsanbieter Lynda, der zu Linkedin gehört, um Managern mithilfe von Online-Videos Grundprinzipien etwa von Javascript beizubringen.

Immer öfter macht auch der Begriff des Code Sabbatical die Runde: eine bewusst genommene Auszeit eines Managers, um sich mit den Grundzügen der Programmiersprache vertraut zu machen. Wie etwa bei der Produktmanagerin Tina Egolf. Sie arbeitete für Startups in Deutschland und in Dänemark und entschied sich für ein Coding-Bootcamp: Drei Monate lang lernte sie 8 bis 10 Stunden Coden im Rahmen eines Programms des Anbieters Bloc. Sie sagt: «Ein Entwickler, der mit einem Manager zusammenarbeiten muss, steht meist vor der gleichen Herausforderung wie ein Maler, der ein Bild für einen Blinden malen muss.» Ein gegenseitiges Grundverständnis könne das Frustrationspotenzial auf beiden Seiten massiv senken - und als Nebeneffekt Entscheidungsschlaufen oder -verschleppungen verhindern.

Stefan Mair
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