Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Reizwort für viele Manager in Schweizer Firmen. Der Begriff sei zu schwammig, die Implementierung von konkreten KI-Techniken zu kompliziert und viele fragen: Was ist KI überhaupt?
Diese seit Jahren fühlbare Skepsis wurde nun mit einer Studie der Uni St. Gallen, der Beratungsfirma Altimeter und Microsoft deutlich. Darin wurden 800 Führungskräfte aus sieben europäischen Ländern und den USA befragt. Im internationalen Vergleich sehen die Schweizer Führungskräfte das Wachstum, das ihre Firmen durch KI erreichen können, weniger positiv (1 bis 4 Prozent, international 5 bis 9 Prozent). Schweizer Führungskräfte erwarten im Vergleich zu ihren Kollegen im Vereinigten Königreich, den Niederlanden oder Deutschland, dass der Aufbau von KI-Systemen sehr aufwendig sein wird.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Die Befragten rechnen mit mehreren Jahren Implementierungsdauer. Sie empfinden aber auch keine besondere Dringlichkeit, KI stärker einzusetzen. Auch sind viele davon überzeugt, dass sie weder die richtigen Leute für KI im Unternehmen haben noch dass sie diese so schnell auf dem Arbeitsmarkt finden werden. Skepsis und Verweigerung regieren offenbar, wenn es in der Schweiz um KI geht. «Im internationalen Vergleich erwarten die Schweizer Führungskräfte, dass die Umsetzung der KI mehr Zeit in Anspruch nimmt», sagt Heike Bruch, Professorin und Direktorin am Institut für Führung und Personalmanagement der Uni St. Gallen. Der «sense of urgency» sei tatsächlich weniger ausgeprägt als in anderen Ländern.

Es gibt aber auch Ergebnisse, die die Schweizer Manager nicht ganz als KI-Skeptiker aussehen lassen: «Trotzdem sind 41 Prozent der Schweizer Führungskräfte überzeugt, dass durch KI Erkenntnisse und Informationen gewonnen werden können, die ihnen helfen, wesentliche Entscheidungen im Business zu treffen. Das ist im internationalen Vergleich bemerkenswert und die zweithöchste Zahl in der Umfrage in acht Ländern», streicht Bruch heraus.

Tech-Grundlagen und Ethik

Marc Holitscher, National Technology Officer und Mitglied der Geschäftsleitung von Microsoft Schweiz, beschäftigt sich seit längerem mit der Rolle von KI und den Auswirkungen auf Firmen und Führungskräfte und glaubt daran, dass sich auch das Führungsverständnis dadurch ändern kann. Für ihn müssen sich Managerinnen und Manager folgende Fragen stellen: «Wie kann mich KI im Alltag entlasten? Welche Auswirkungen hat KI auf die Unternehmensstrategie? Und welche kulturellen Veränderungen sind mit dem Einsatz von KI verbunden?»

Für Holitscher brauchen Chefs und Chefinnen neue Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die diese Dinge vorantreiben. Deshalb hat seine Firma Microsoft, die ein geschäftliches Interesse daran hat, Firmen bei der Implementierung von KI zu begleiten, gemeinsam mit der renommierten Business School Insead im März eine sogenannte AI Business School ins Leben gerufen. Dort sollen Manager – immerhin gratis – lernen, wie sie KI in ihrem Betrieb und ihrem Team nutzbar machen können. Das Themenspektrum reicht von technischen Grundlagen bis zu Ethik-Seminaren, die die Grenzen der Technik aufzeigen sollen.

Peter Zemsky, Deputy Dean und Dean of Innovation an der Insead, erläutert: «Die AI Business School hat es sich zum Ziel gesetzt, Führungskräfte zu befähigen, im Zeitalter der künstlichen Intelligenz selbstbewusst zu führen. Die Online-Masterclass-Serie hilft ihnen zu lernen, wie sie KI strategisch in ihren Unternehmen anwenden, ihre KI-Strategie gestalten, eine KI-Kultur fördern und die Verantwortung für die KI umsetzen können.»

KI kann Freiräume für Chefs schaffen

Konkret sieht das so aus: Die Manager-Studenten sollen sich auf vier Themen konzentrieren: Erstens Strategie, also die Frage, wie KI in die Organisation implementiert werden kann. Hier sollen auch erfolgreiche Business Cases analysiert werden. Der zweite Bereich ist Kultur: Hier sollen Microsoft-Führungskräfte erklären, wie sich die Firmenkultur in den Bereichen Finanzen, Marketing, Verkauf und Kundenservice durch den Einsatz von KI verändern wird. Drittens und besonders interessant: Verantwortungsbewusste KI. Hier sollen Studenten ethische und Governance-Prinizipien erarbeiten, die den verantwortungsbewussten Umgang mit KI garantieren sollen. Viertens sollen technologische Grundlagen erläutert und die gängigsten Systeme maschinellen Lernens präsentiert werden.

Das neue Business-School-Angebot soll die Skepsis von Führungskräften hinsichtlich KI abbauen und das Modell entmystifizieren. Die Skepsis vieler Manager speist sich wahrscheinlich auch daraus, dass viele Fragen, die man sich im Zusammenhang mit der Technologie stellt, tatsächlich noch nicht ausreichend beantwortet beziehungsweise erforscht wurden: Wie verändert eigentlich künstliche Intelligenz – konkreter ausgedrückt maschinelles Lernen, das bei Anwendungen im Kundenkontakt oder bei der Datenauswertung zum Einsatz kommt – die Aufgaben und Anforderungen an Führungskräfte? Müssen sie ihre Mitarbeiter anders anleiten, motivieren oder kritisieren, wenn KI in Firmen immer dominanter wird? Bringt mehr KI mehr Freiräume im Alltagsgeschäft des Teamleiters? Könnte KI daher ein neues Führungsmodell etablieren? Heike Bruch ist bei diesen Fragen optimistisch: «Erfolgreiche Führungskräfte nutzen KI auch, um bessere Führungskräfte zu werden», ist sie sich sicher. «Mit KI können sie das Wachstum vorantreiben und die richtigen Prioritäten setzen. Das bietet ihnen Freiraum, um Menschen zu motivieren und inspirieren.»

Für sie ist unvermeidbar, dass KI die Führung verändert und Führungskräfte sich für den erfolgreichen Umgang mit KI neue Fähigkeiten aneignen und ihre Leadership-Kultur dementsprechend auch weiterentwickeln müssen.
Bruch glaubt, dass KI Chefs und Chefinnen dabei hilft, sich auf das Wesentliche in ihrer Führungsarbeit zu konzentrieren, und zwar auf Mitarbeiter und strategische Prioritäten. «Operative Fähigkeiten hingegen werden in den Hintergrund treten. Wesentlicher werden demgegenüber zum einen Führungsqualitäten: Inspiration, Empathie, Offenheit, Respekt und Kreativität. Gleichzeitig werden Mut zu Fokus, Priorisierung sowie Umgang mit Komplexität und Unsicherheit zentral.»

Die KI-Lehrgänge in der Schweiz

Hochschule Luzern: Fachkurs Artificial Intelligence for Managers. Übersicht über grundlegende KI-Technologien, Beispiele für aktuelle und künftige Einsatzszenarien, aktuelle kommerzielle und Open-Source-Angebote. Kursdauer: Vier Tage, Studienstart: auf Anfrage.
Kosten: 1500 Franken

Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ): Certificate of Advanced Studies in AI Management. KI im Unternehmenskontext, Auswahl an praktischen Anwendungen, Beschäftigung mit KI-Reifegradmodellen, Leitung eines KI-Projekts, Wartung und Betrieb von KI-Technologien. Kursdauer: 18 Tage, Studienstart 2.5.2019 und 20.2.2020.
Kosten: 9500 Franken

Universität St. Gallen: CAS HSG Big Data and Artificial Intelligence. Ausbildung mit Schwerpunkt auf Big-Data-Themen und KI-Anwendungen. Wie baut man skalierbare KI-Organisationen auf? Was sind die Begriffe und wichtigsten Anwendungsfelder von KI-Modellen. Was ist eine Data Science Toolbox? Kursdauer: 16 Tage, Studienstart: 5.11.2019.
Kosten: 17 500 Franken

ZHAW: CAS Machine Intelligence. Wie schafft man optimale Bedingungen für maschinelles Lernen? Was bedeuten Deep Learning und Feature Engineering? Studenten können selbstlernende Systeme und Skripts unter Verwendung von Algorithmenbibliotheken wie Python/sklearn entwickeln. Kursdauer: Fünf Monate, Kursstart: 3.9.2019, 28.2.2020, 16.2.2021.
Kosten: 5900 Franken

Fernuni.ch: Master of Science in Künstlicher Intelligenz. Der Kurs vereint eine theoretische Ausbildung mit einer beruflichen Tätigkeit im Unternehmen. Die Studierenden spezialisieren sich im Bereich künstliche Intelligenz und entwickeln KI-Projekte im Unternehmen. Kursdauer: nächste Einführungsveranstaltung 31.1.2020. Kursstart: Einstieg jeweils 1. Februar.
Kosten: 2000 Franken (pro Semester)

Stefan Mair
Stefan MairMehr erfahren