Mit der von ihr strategisch gelenkten Unternehmensgruppe hat Isabelle C. Nüssli (37) oberflächlich scheinbar wenig gemeinsam – abgesehen vom Firmennamen. Der Familienbetrieb mit Hauptsitz in Hüttwilen TG ist in den letzten 72 Jahren aufgestiegen zu einem international führenden Anbieter von temporären, modularen und permanenten Bauten für Events, Sportanlässe, Messen und Ausstellungen. Grosse Bühnen, Stadien, Hallen und Räume für imposante Darbietungen der Auftraggeber und deren Zuschauer oder Besucher sind die Welt seiner rund 390 Mitarbeiter.

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Isabelle C. Nüssli mag es kleiner. Obwohl sie seit eineinhalb Jahren Verwaltungsratspräsidentin ist, sucht sie das Rampenlicht respektive die Öffentlichkeit nicht. Für ihren ersten Medienauftritt wählt sie ein fast 600-jähriges Haus in Würenlos AG, in dem sie wohlbehütet aufgewachsen ist. Die ehemalige Mühle gehört ihren Eltern. «Das ist für mich ein Kraftort», erklärt die Tochter. Die Zeit wirkt hier nur stehen geblieben, da sie die in die Wand eingelassene antike Pendeluhr für das Gespräch angehalten hat. «Sie tickt sehr laut.»

Isabelle C. Nüssli mag es leiser. «Ich mache zuerst etwas, danach spreche ich darüber.» Trotz den Wurzeln in einer Unternehmerfamilie verlief ihr Werdegang anfangs weniger klar. «Mein Bruder und ich waren nicht verpflichtet, die eigene Firma in fünfter Generation zu übernehmen.» So kam es, dass der Bauspezialist Gebrüder Sekinger vor eineinhalb Jahren an die Bau- und Immobilienholding Hächler verkauft wurde. «Ich war von unserem Vater mit diesem Mandat betraut. Ich suchte ein Jahr lang nach der richtigen Lösung, ohne das Erbe zu verraten.»

Von Lust an der Wirtschaft gepackt

1996, mit 20 Jahren, zog Isabelle C. Nüssli von zu Hause aus, um in Freiburg Recht zu studieren. «Nicht weil ich gezwungen war, das Elternhaus zu verlassen, sondern weil ich ein neues Ziel anpacken wollte. Zum ersten Mal in meinem Leben musste ich mich selber entscheiden.» Bislang lief alles mit Vollgas problemlos geradeaus und Jus erschien ihr aufgrund ihres ausgeprägten Gerechtigkeitssinns zweckmässig. «Ich merkte aber schnell, dass ich das nicht auf Dauer machen wollte. Zum ersten Mal in meinem Leben musste ich mit meinem Ego brechen und einen gewählten Weg beenden.» Sie schloss das Erstjahresexamen ab – ahnte hingegen nicht, wie es weitergehen sollte.

«Da hatte meine Mutter die Idee, ich könnte Flight Attendant werden», sagt Isabelle C. Nüssli, die schon als Kind Fernweh hatte und ein Airport-Fan war. «Die Swissair suchte 1998 Personal für ihre Überseeflüge, nicht für die europäischen Verbindungen.» Diese Chance wollte sie packen. «Ich konnte das gesamte Langstreckennetz abfliegen. New York, Rio de Janeiro, Johannesburg, Dschidda, Singapur, Hongkong. Ein Traum ging in Erfüllung.» Es war eine Mischung aus Selbstverwirklichung, Tapetenwechsel sowie Findungsprozess. «Ich konnte die Welt entdecken und wie ein Schwamm alles aufsaugen. Es war gut und hat mir gut getan. Ich zehre noch heute davon.» Aus einem wurden zwei Jahre, obwohl sie wie die meisten ihrer Kolleginnen rasch wieder abspringen wollte.

Da ereignete sich Folgendes: «Während eines Nachtflugs nach Tokio kam ich mit einem schlaflosen Passagier ins Gespräch. Er erzählte mir von einem betriebswirtschaftlichen Trainee Program für Maturanden.» Zurück in der Schweiz erkundigte sich Isabelle C. Nüssli, welche Konzerne solche Angebote führen. Damals waren es primär Finanzdienstleister. Da ihr die Zurich am sympathischsten war, bewarb sie sich bei der Versicherung. Von 2000 bis 2002 absolvierte sie die zweijährige berufsbegleitende Weiterbildung in der Abteilung Sponsoring & Event Marketing in Opfikon ZH beim Flughafen Zürich. «Ich habe in kürzester Zeit alle Bereiche und Arbeiten einer grossen Firma kennengelernt.»

Dass Isabelle C. Nüssli dabei bereits richtungsweisend tätig war, nennt sie nicht Zufall oder Schicksal. «Doch es war irgendwie vorbestimmt.» Anschliessend sollte sie das erste Mal bewusst mit ihrem späteren Nachnamen in Berührung kommen. 2002 betreute sie als Event Manager den Auftritt der Zurich an der Expo.02 im Drei-Seen-Land. «Unser Happy-End-Pavillon war einer der wenigen, der an der Landesausstellung nicht von Nüssli war.» Trotzdem war das Logo oft zu sehen. «Es sagte mir nicht viel ... bis noch weniger.»

Im Trainee Program packte Isabelle C. Nüssli die Lust an der Betriebswirtschaft, wie sie es nennt. «Ich wusste immer, dass ich irgendwann einen Bachelor sowie Master machen wollte, und so erkundigte ich mich, wie man das mit meinem Hintergrund anstellen kann.» An einer Universität hätte sie bei null beginnen müssen, daher entschied sie sich für die ZHAW in Winterthur ZH. «Ich hatte von der Fachhochschule zwar keine Ahnung, aber hier ermöglichte man mir, die allgemeine Einführung zu überspringen und den englischsprachigen Bachelor in Business Administration in zwei statt drei Jahren zu absolvieren und ein Austauschsemester an der HTW in Berlin zu machen.»

Die erste Begegnung mit ihrem Mann

2004, in ihrem letzten Jahr, wurde Isabelle C. Nüssli als Studentin an eine Veranstaltung der ZHAW geladen, die nur für Fachleute aus der Wirtschaft bestimmt war. Eine prägende Wendung. Denn als letzter Referent der ersten Halbzeit trat Heinrich J. Nüssli auf. Das zweite Mal, dass sie bewusst mit ihrem späteren Nachnamen in Berührung kam. «Sein Vortrag war ein Feuerwerk. Der Vollblutunternehmer sprach über sein Engagement während der Expo.02 und ich erkannte sämtliche Bauten auch ohne das Logo wieder.» In der Pause kreuzten sie sich nicht – sie liefen ineinander hinein. «So haben wir uns kennengelernt und so sind wir ein paar Monate später zusammengekommen.»

Nach ihrer Diplomarbeit fragte Heinrich J. Nüssli sie, ob sie ein strategisches Projekt übernehmen wolle. Seine kleine Tochtergesellschaft Nüssli Special Events, die für die Expo.02 gegründet worden war, war Generalunternehmerin der Messe Schweiz für die Art Basel in Miami. «Er brauchte jemanden für das Controlling, dem er vertrauen konnte, weil in wenigen Tagen viele Millionen Dollar ausbezahlt wurden. Ich habe lange überlegt, ob ich Privates und Geschäftliches vermischen sollte. Ich habe mir gedacht: Wenn wir es jetzt nicht wagen, dann wissen wir es nie.» Von 2005 bis 2008 war sie im Betrieb tätig, ohne zur Familie zu gehören. Nebst der Kunstmesse in den USA baute sie für die Unternehmensgruppe das internationale Key Account Management auf. Parallel dazu machte sie in vier Monaten an der Universität St. Gallen das entsprechende Certificate of Advanced Studies (CAS).

Dennoch kam es zum Bruch. Nicht mit ihrem Lebenspartner, sondern mit seinem Lebenswerk. Die Master-Krone fehlte Isabelle C. Nüssli nach wie vor. Um diese standesgemäss aufzusetzen, kündigte sie, kehrte in die USA zurück, prüfte die Vollzeit-MBA-Programme von zwölf Anbietern und studierte von 2008 bis 2010 an der Kellogg School of Management der Northwestern University in Chicago samt Sommerpraktikum bei BS Engineering Consulting in China sowie Austauschquartal bei der Indian School of Business (ISB) in Indien. «Von aussen betrachtet mag das Risiko für unsere Beziehung gross gewesen sein. Wir haben eine solide Basis. Und wir haben uns regelmässig gesehen.»

Es sollte nur ein Zwischenschritt auf dem gemeinsamen Weg sein. «Mir war jedoch nicht klar, dass ich dermassen schnell in die Schweiz und zur Firma zurückkehren würde und was mein Ehemann mit mir beabsichtigte», sagt Isabelle C. Nüssli, die kurz darauf so hiess, wie es sich ziemt für den Familienbetrieb, den sie seit Mitte 2010 strategisch lenkt. Heinrich J. Nüssli war auf diesen Zeitpunkt aus dem Verwaltungsrat zurückgetreten und sie zuerst als Mitglied sowie Generalsekretärin eingetreten, bevor sie Mitte 2012 das Präsidium übernahm. «Heute stimmt mein Rucksack für diese Aufgabe», resümiert sie.

Vom Management auf den Grill gelegt

Zu ihrem ersten Jahr bei Nüssli meint sie: «2005 hat mich das Management auf den Grill gelegt. Ich musste mich bewähren und habe so das Vertrauen gewonnen, auch das des Personals. Ich zeige mich vor Ort und packe mit an.» Ihr Verhältnis zu Heinrich J. Nüssli spielte damals insofern keine Rolle, weil er bereits seit 2000 nicht mehr operativ tätig war und die Beziehung immer transparent gehalten wurde. Ähnlich sah es bei der Ablösung durch Isabelle C. Nüssli aus, da er komplett ausgeschieden ist und losgelassen hat. «Ich wurde mit offenen Armen empfangen. 90 Prozent der Belegschaft kannten mich von früher.»

Zur Zukunft sagt die stille Macherin: «Ich strebe ein moderates Wachstum an, wobei Profit vor Umsatz kommt, und versuche, Innovationen zu begünstigen. Zudem will ich neue Geschäftsfelder und Absatzmärkte erschliessen, um dereinst ein gesundes Erbe zu hinterlassen.» Mit der Unternehmensgruppe hat Isabelle C. Nüssli auch unter der Oberfläche viel gemeinsam, nicht nur den Firmennamen.

Nüssli: Einer der weltweit führenden Anbieter von temporären Bauten

Tradition
Der Zimmermann Heini Nüssli (1919 bis 2011) gründete den Familienbetrieb 1941 in Hüttwilen TG. 1958 stieg die Zimmerei in den Gerüstbau für Fassaden ein und begann ein Jahr später mit der Vermietung sowie Montage von Tribünen und Bühnen. 1980 übernahm Heinrich J. Nüssli (1952) mit 28 Jahren die Gewerbefirma von seinem Vater. Sukzessive strukturierte er sie zur Unternehmensgruppe. Es folgten der Schritt ins Ausland, mehrere Übernahmen und die Expansion in den Messebau. 2007 kam es zum Management-Buyout des Gerüstbaus. Seitdem fokussiert man sich auf den Veranstaltungs- und Ausstellungsmarkt. 2010 übernahm Ehefrau beziehungsweise Schwiegertochter Isabelle C. Nüssli (1976) die Leitung im Verwaltungsrat; erst als Mitglied und Generalsekretärin, dann als Präsidentin.

Gegenwart
Heute gilt Nüssli als einer der weltweit führenden Anbieter von temporären Bauten. Der Familienbetrieb mit rund 390 Mitarbeitern, von denen 45 Minderheitsaktionäre sind, gliedert sich in die Geschäftseinheiten Events (Tribünen, Bühnen, Stadien, Infrastrukturen) und Exhibitions (Messestände, Pavillons, Hallen, Roadshows), die jeweils die Hälfte zum Gesamtumsatz im dreistelligen Millionenbereich beisteuern. Neben dem Hauptsitz in der Schweiz hat Nüssli Niederlassungen in Deutschland, Österreich, Spanien, Italien, Tschechien und den USA. Zudem ist man mit Projektbüros sowie durch Partner global vertreten, etwa in Brasilien, Russland, England, Katar oder China.

Referenzen
Die beste Empfehlung dieses Jahr war ein nationaler «Hoselupf» mit globaler Ausstrahlung: Die Emmental-Arena für 52 000 Zuschauer am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest 2013 in Burgdorf BE war das grösste temporäre Outdoor-Stadion der Welt. Nächste Höhepunkte sind Aufträge für die Winterspiele 2014 in Sotschi und die Weltausstellung 2015 in Mailand.