Richtiges Netzwerken macht den Unterschied. Davon ist Heather White überzeugt. Die resolute Britin gilt als Networking-Guru in den Business-Zirkeln Londons. Sie weiss, warum Menschen scheitern, wenn es darum gehen sollte, sich optimal zu verkaufen. Dieses Wissen vermittelte White in einem Crashkurs an der Schweizer Botschaft in London. Dort lernten Schweizer IT-Startups kürzlich, wie sie mit richtigem Networking einen Vorteil für sich und ihre jungen Firmen herausholen.

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Für Schweizer Unternehmen, die den Markteintritt in fremde Länder wie beispielsweise Grossbritannien schaffen wollen, ist Selbstmarketing und der Austausch mit den richtigen Kontakten entscheidend. Vor allem Technikfirmen, die ihre Dienstleistungen der internationalen Finanzbranche verkaufen wollen, sind riesiger internationaler Konkurrenz ausgesetzt. Da ist gekonnte Selbstpräsentation Pflicht. Sei es in kurzen Gesprächen bei einem Branchenevent, in Pitchings, also Verkaufsgesprächen vor interessierten Firmen und Managern, oder in Bewerbungsrunden für «Accelerator», das heisst spezielle Förderprogramme.

Aus den Kontakten das Optimum herausholen

Aber was macht Netzwerken und Selbstmarketing eigentlich so schwierig? «Das Problem beim Netzwerken ist, dass Menschen eine natürliche Hemmung haben, sich selber als Verkäufer zu sehen. Sie glauben, beim Networking müsse man sich selbst verkaufen», erklärt Heather White, die Managern seit Jahrzehnten beibringt, wie sie aus ihren Kontakten das Optimum herausholen. «In den wenigen Minuten, in denen sie die Chance haben, mit einer Person zu netzwerken, müssen sie nur eines erreichen: Vertrauen. In den Minuten des Networkings muss eine gute Energie entstehen, sodass das Gegenüber sie wieder treffen will.»

Der deutsche Networking-Experte Alexander Wolf weist auf eine grundlegende Unterscheidung hin, die Menschen, die netzwerken wollen, oft nicht berücksichtigen: Den Unterschied zwischen den Begriffen Kontakt und Beziehung. «Eine Beziehung ist ein Kontakt, der durch eine Vertrauensbasis ergänzt wird», so Wolf. Eine Visitenkarte zu haben oder nur online mit jemand vernetzt zu sein, sei hingegen ein Kontakt. Wolf glaubt, dass nur Beziehungen etwas bringen und nur Beziehungen intensiv gepflegt werden sollen. Endlos Visitenkarten einzusammeln bringe hingegen so gut wie gar nichts.

Networking-Expertin Heather White stösst bei ihrem Vortrag vor den Schweizer Startups, die in London die hohe Schule des Networkings lernen wollen, in das gleiche Horn: «Networking heisst nicht, nur zu Networking-Events zu gehen. Das ist nicht einmal die effektivste Form des Networkings.» Die besten Networkings seien Treffen zwischen nur zwei Personen. «Junge Manager können auf jeden Fall zu zu vielen Networking-Events gehen», man könne aber nicht genug Zweiertreffen mit Schlüsselpersonen haben.

Entscheidende Minuten

Ist der positive Effekt von Networking aber wissenschaftlich belegt? Tatsächlich werden schon Studenten in Universitäten dazu angehalten, so viele Kontakte wie möglich zu knüpfen, um den Einstieg in die Arbeitswelt zu erleichtern. So ist bekannt, dass nur ein Teil der offenen Stellen öffentlich ausgeschrieben wird, der Rest wird über Netzwerke vermittelt. Laut dem deutschen Institut für Arbeitsmarktforschung IAB wird ein Viertel aller Stellen nur aufgrund von Empfehlungen besetzt. Arbeitsämter empfehlen bei der Jobsuche «die Aktivierung von Kontakten», was nach Meinung von Networking-Experten wohl eher «Aktivierung von Beziehungen» heissen müsste. Auch die sogenannte Netzwerkforschung belegt durch die Analyse von Karrierepfaden den förderlichen Effekt professioneller Beziehungspflege.

In London beim Networking-Kurs der Schweizer Jungunternehmer wird das Networking-Wissen, das ihnen Heather White vermittelt hat, sofort angewandt. Das Programm, das von Switzerland Global Enterprise organisiert wird, sieht kurz nach der Networking-Schulung sogenannte Matchmakingsessions vor. Junge Unternehmer haben also kurz Zeit, mit Schlüsselpersonen aus ihrer Branche in Kontakt zu treten. In den kurzen Sessions müssen die jungen Manager alle Regeln guten Networkings befolgen. Etwa diese: «Viele Menschen vergessen beim Networken, dass es sich dabei nur um den ersten Schritt handelt», erklärt Heather White. «Networking ist der Startpunkt dazu, eine Beziehung aufzubauen.» Daher müsse eine Konversation mit Aussicht auf den darauffolgenden Schritt abgeschlossen werden. Zudem müsse man das Interesse des Gesprächspartners aufrechterhalten und ihm einen Anreiz geben, das Gespräch in anderem Rahmen fortzusetzen.

Kunstform Networking

Monika Scheddin, Buchautorin zum Thema Networking, ergänzt: «Es braucht ein Networking-Ziel. Ansonsten weiss ich weder selbst, wer mich in der Erreichung meiner Ziele unterstützen kann, noch weiss es jemand anderer.» Erfolgreiche Beziehungspflege sei eine Kunstform, so Scheddin. «Netzwerken hat in der Wirtschaftsgeschichte eine lange Tradition, man denke an Zünfte und Gilden oder an Familien wie die Medici und die Fugger, die diese Beziehungspflege perfekt beherrschten.» Was das Netzwerken der Geschlechter betrifft, würden Männer noch immer professioneller netzwerken, so Scheddin. «Frauen pflegen Beziehungen zwar gut, nutzen sie aber oft nicht ausreichend.» Scheddins Beobachtung trifft auch beim Jungunternehmer-Ausflug in London zu, wo es fast keine weiblichen Teilnehmer gibt.

Dejan Juric ist einer der jungen Manager, die in die Networking-Schule von Heather White gegangen sind. Er ist Mitbegründer und CEO von Klimpr, einem Schweizer Startup aus dem Bereich mobiles Zahlungswesen. «Das Networking in Grossbritannien ist viel offensiver, als man es aus der Schweiz gewohnt ist. Der Vortrag hat klar aufgezeigt, wie weit man in Grossbritannien geht und gehen kann», so Juric. Die Erfahrung des Jungunternehmers deckt sich mit der der Networking-Experten: «Durch Networking haben sich schon mehrere zufällige Chancen ergeben, von denen wir mit Klimpr extrem profitieren konnten und aus denen Kooperationen entstanden sind, welche nie auf normalem Weg entstanden wären», erklärt der junge CEO. Nach der Erfahrung in Grossbritannien hat sich Juric entschieden, alle zwei bis drei Monate in Startup-Hotspots weltweit wie London oder Berlin aufzutreten, um aus der «komfortablen» Schweiz herauszukommen, wie er sagt.

Online-Netzwerke reichen nicht zur Beziehungspflege

Um häufige Reisen kommen Jungunternehmer, die sich international vernetzen wollen, denn auch nicht herum. Online-Netzwerke alleine und die Verbindung über Facebook oder Twitter reichen für die Beziehungspflege, wie sie alle Networking-Experten einfordern, nicht aus.

Das habe schon mit dem Faktor Authentizität zu tun, wie Heather White erklärt: «Manche Menschen glauben, sie könnten beim Networken nicht authentisch sein. Networking funktioniert aber nur auf authentische Weise. Was Menschen beim Networken erfolglos und ineffizient macht, ist, dass sie nicht so authentisch sind, wie sie sein könnten. Das schreckt Menschen ab und macht sie misstrauisch.» Und Misstrauen ist zweifellos die schlechteste Grundlage für jede erdenkliche Beziehung.

Stefan Mair
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