Eigentlich geht es der Startup-Szene in der Schweiz bestens. Die Zahl der Investitionen in innovative Jungfirmen steigt an, das öffentliche Bewusstsein für die Bedeutung von Wachstumsfirmen nimmt zu. Kaum eine Firma, die sich nicht mit einem Innovations-Lab schmückt, um Anschluss an die vibrierende Szene zu bekommen. Der Bundesrat erklärte in einem Bericht Ende März, Startups fänden in der Schweiz «beste Rahmenbedingungen» vor. Verbesserungspotenzial gebe es nur bei Teilen des Steuerrechts und der Verfügbarkeit von Risikokapital.

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Doch vollständig ist die Darstellung der Behörden nicht. Nicht erwähnt in diesen Jubelmeldungen wird ein Bereich, in dem die Startup-Landschaft Schweiz inzwischen genauso zu kämpfen hat wie selbst das Silicon Valley: Bei der marginalen Rolle, die Frauen auf diesem Zukunftsfeld spielen. Im Valley ist das Problem altbekannt: Der Anteil der weiblichen Partner bei Venture-Capital-Firmen ist dort auf 6 Prozent gesunken. In den Technikabteilungen der grossen Firmen arbeiten meist deutlich weniger als 20 Prozent Frauen. Die grosse Mehrheit der Startups wird von Männern gegründet.

Schlusslicht Schweiz

Und auch hierzulande ist Beobachtern schon lange klar: Die Szene ist Männersache. Wer sich für ein Mittagessen in die Mensa des Technoparks in Zürich-West begibt, bekommt das Problem veranschaulicht. Die wenigen Frauen, die dort anzutreffen sind, schöpfen den Männern, meist zwischen 25 und 45, die Suppe in die Teller. In den Entwicklungsbüros rundherum sind Frauen eine Seltenheit.

Dabei ist ein erster Blick auf die offiziellen Statistiken des Bundes gar nicht so beunruhigend. Immerhin 36 Prozent der Unternehmer in der Schweiz sind Frauen, heisst es da. Der Frauenanteil unter den Unternehmern habe sich in den letzten zwanzig Jahren positiv entwickelt, wenn auch auf niedrigem Niveau. Waren 1991 noch knapp 30 Prozent der Unternehmer weiblich, sind es inzwischen 36 Prozent.

Problem der Bildungswege

Analysiert man aber nur den Frauenanteil bei wachstumsstarken Startups, um deren besondere Förderung sich ja die Startup-Initiativen aller Couleur bemühen, sind die Zahlen extrem niedrig. Der Anteil von Gründerinnen bei den Top 50 Startups der Schweiz aus dem Jahr 2016 beträgt nur 9 Prozent. Im Europavergleich des European Startup Monitor, der auf Wachstumsfirmen fokussiert, hat die Schweiz einen der schlechtesten Werte.

Nur 10,7 Prozent der hiesigen Startups werden von Frauen gegründet. Fast alle anderen Länder schneiden besser ab. Weit voraus sind sogar Griechenland mit 28 Prozent oder auch das Vereinigte Königreich mit 33 Prozent. Warum fällt die Schweiz hier gegenüber anderen Ländern so stark ab?

Penny Schiffer, die bei der Swisscom für Startup-Kooperationen zuständig ist, glaubt, dieser Umstand liege vor allem an den Bildungswegen der Frauen: «Der Anteil Gründerinnen lässt sich zu einem Teil mit dem Anteil von Frauen in den entsprechenden Studiengängen und Forschungsbereichen erklären: Bei Informatik und den Ingenieurswissenschaften liegt er tiefer als in den Life Sciences. Daher ist auch die Quote der Gründerinnen höher bei den Life Sciences als in den anderen erwähnten Bereichen.»

Mangelnde Vorbilder

Psychologische Erklärungen, wonach Frauen grundsätzlich weniger Risikobereitschaft zeigen würden, hält Schiffer für überbewertet. «Sie konzentrieren sich aber bei Gründungen oft auf Bereiche, die weniger skalierbar und wachstumsstark sind. Also weniger ICT und Software, sondern Firmengründungen im Bereich Dienstleistungen, Food, Kreativwirtschaft», so Schiffer.

Nicole Herzog, eine der Mitbegründerinnen der Firma Umantis, glaubt zwar, dass sich Frauen tendenziell unter ihrem Wert verkaufen würden und selbstkritischer seien: «Dies gilt sowohl im übertragenen Sinn mit Bezug auf die Präsenz in den Medien als auch in Bezug auf die Bewertung ihrer Unternehmen.» Sie glaubt aber, dass die Szene so leistungsorientiert sei, dass das Geschlecht keine Rolle mehr spiele. «Schon zu meiner Zeit – mit einer Gründung im Jahr 2000 – habe ich mich nicht von anderen Gründern isoliert gefühlt, sondern eher vom übrigen Umfeld, welches meinen Weg anfangs mit Skepsis begleitet hat.» Problematisch sei zudem, dass Frauen oftmals Teil eines Gründerteams seien. Mitgründerinnen würden aber oft fast nicht wahrgenommen. Fehlt es also vor allem an sichtbaren Vorbildern?

Es fehlt an Daten

Das Problem bei Erklärungsansätzen zum Frauenmangel und Gegenmassnahmen: Es fehlt an Daten. Wie viel Risikokapital fliesst in Frauenfirmen? Wie sind die Arbeitsbedingungen für Gründerinnen? Wie ist das Geschlechterverhältnis bei Startup-Wettbewerben? Das weiss und erhebt niemand. Wie viele Frauen in den Schweizer Technoparks arbeiten, von denen es inzwischen alleine im Verband Swissparks 45 gibt: unbekannt. Swissparks-Präsident René Hausammann erklärt: «Meines Wissens werden keine Statistiken zu dem Thema geführt.»

Auch im Technopark in Zürich weiss man über die Rolle der Frauen nichts: Chefin Karin Looser sagt: «Leider gibt es keine Statistik bei uns, wie viele Gründerinnen bei uns arbeiten. Aber auch wir beobachten, dass wesentlich weniger Frauen als Männer ein Startup gründen.» Die Vermengung von Wachstumsfirmen und Bäckereien oder Nagelstudios in der Statistik erlaubt es aber dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung zu sagen, dass die Schweiz international gut platziert sei, wenn es um Gründungsaktivitäten von Frauen geht.

Die Managementberaterin Katja Unkel sagt: «Dass zu dem Thema immer noch aussagekräftige Daten fehlen, ist ein Umstand, der umgehend abgestellt gehört.» Ihrer Meinung nach brauche es diese Daten, um sinnvolle Fördermassnahmen zu definieren. Gründerinnen wie Julia Bösch von Outfittery sollten zudem prominenter als Rollenvorbilder positioniert werden. Dem stimmt auch Technopark-Chefin Looser zu. Sie versucht hier gegenzusteuern, indem beispielsweise Trainerstellen in den Startupprogrammen möglichst mit Frauen besetzt werden. «Der Mangel an Frauen hängt sicher damit zusammen, dass die Vorbilder oft männlich sind.»

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Stefan Mair
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