Der «Economist» verkündet in seiner aktuellen Ausgabe «Das Ende des Verbrennungsmotors». Einverstanden?
Martin Eberhard*: Ja. Länder wie Deutschland, Grossbritannien und Norwegen wollen Verbrennungsmotoren zwischen 2030 und 2040 auslaufen lassen respektive verbieten. Es bleibt abzuwarten, in welchem Masse sich das durchsetzen lässt, aber es fordert die Autobranche auf jeden Fall heraus. In Stuttgart zum Beispiel dürfen Dieselfahrzeuge schon nächstes Jahr nicht mehr in der Innenstadt fahren.

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Der Diesel-Bann wird Realität?
Ja. Ich sehe für die Zukunft des Diesels schwarz. Über kurz oder lang werden alle Dieselfahrzeuge verschrottet. Man kann sie ja nicht einmal mehr als Gebrauchtwagen verkaufen. Niemand will sie mehr.
Dann verschrotten wir auch die traditionelle Autoindustrie.
Ein paar europäische Firmen verleugnen die Realität komplett, sie werden untergehen. Andere Unternehmen haben erkannt, dass sie neue Wege gehen müssen. Und wir werden neue Hersteller aus China sehen.

Warum China?
China ist der grösste Markt weltweit. Aber das Land hat einen viel schlechteren Zugang zu Benzin und Diesel als der Rest der Welt. Die Motivation, Alternativen zum Verbrennungsmotor zu finden, ist also viel stärker als in Europa oder in den USA. Deshalb gibt es auch dort einen starken Trend in Richtung Elektroautos.

Also werden wir neue Firmen und Marken sehen?
Sicher. Ich prognostiziere viele Joint Ventures von Firmen aus China mit Unternehmen aus dem Silicon Valley oder Europa.

Und diese müssen von VW, BMW und Co. ernst genommen werden?
Teilweise tummeln sich in China nicht ernst zu nehmende Tech-Milliardäre, die denken, sie seien der nächste Elon Musk. Aber viele sind auch ernsthaft engagiert. Die Regierung treibt dieses Thema ebenfalls aktiv voran.

Tesla wurde zunächst auch nicht ernst genommen.
Tesla kam zu einem einzigartigen Zeitpunkt auf den Markt. Die Automobilindustrie hatte Elektroautos komplett aufgegeben und auch die Regulatoren in den USA davon überzeugt, dass Elektroautos keine Zukunft hätten. Deshalb konnte das Unternehmen schnell wachsen. Ohne Konkurrenz im klassischen Sinn.

Würde das heute nochmals gelingen?
Es wäre auf jeden Fall viel schwieriger.

Wird Tesla den Massenmarkt erobern?
Das ist für mich nicht die entscheidende Frage.

Sondern?
Viel wichtiger ist, dass die Idee hinter Tesla bereits die Welt erobert hat. Heute haben Elektroautos ein komplett anderes Image als in der Zeit vor Tesla. Alle Automobilunternehmen stellen sie bereits her oder arbeiten daran. Die meisten Modelle sind nicht besonders toll, aber immerhin werden sie produziert.

Wie kam Ihnen eigentlich die Idee, Tesla zu gründen?
Das ist eine peinliche Geschichte.

Aber sicher interessant. Erzählen Sie!
Im Jahr 2000 liess ich mich scheiden – und wie jeder anständige amerikanische Mann in dieser Situation, wollte ich mich mit einem schnellen Sportwagen trösten. Aber ich brachte es nicht über mich, einen klassischen Sportwagen zu kaufen. Wegen der globalen Erwärmung, unserer Abhängigkeit von Öl und des hohen Verbrauchs.

Mit welchem Auto wollten Sie sich trösten?
Mit einem Porsche. Das war das, was man damals gemacht hat nach einer Scheidung.

Aber Sie kauften keinen.
Nein. Vielmehr begann ich, verstärkt über Autos nachzudenken. Es war die Zeit, als Kalifornien sein Null-Emissionen-Ziel kippte. Zuvor mussten Automobilhersteller in Kalifornien Elektroautos herstellen, wenn sie Benzinmotoren anbieten wollten. Das heisst, es gab von praktisch allen grossen Anbietern Elektroautos. Die waren nicht besonders toll, aber es gab sie wenigstens. Kaum fiel die Pflicht, Elektroautos zu bauen, rief General Motors alle seine Elektroautos zurück und verschrottete sie. Und ich kam – nach viel Recherche und Berechnungen – zum Schluss, dass Elektroautos der effizienteste Weg sind, Menschen zu bewegen.

Tesla ist also ein Scheidungskind.
Wenn Sie so wollen. Aber ich bin ja nicht nur geschieden, sondern auch Ingenieur und Unternehmer. Und der Ingenieur in mir wusste, dass Elektroantriebe die Technologie der Zukunft sein würden. Und der Geschäftsmann in mir sagte, dass es eine riesige Chance sei, dass sich alle Unternehmen, die eigentlich meine Konkurrenten sein müssten, aus der Produktion von Elektroautos zurückgezogen hatten. Mit diesen Argumenten ging ich zu meinem Partner Marc Tarpenning.

Was war seine erste Reaktion?
Er fragte mich, ob ich verrückt sei.

Waren Sie es?
Marcs Reaktion war absolut nachvollziehbar. Vor Tesla waren alle damit gescheitert, neue Autofirmen aufbauen zu wollen. Es gab keine einzige Erfolgsstory. Man denke nur an Tucker Cars oder DeLorean.

Aber Sie nervten Marc weiter?
Ich sagte ihm, dass wir ja nicht versuchen würden, ein Auto wie jedes andere herzustellen, sondern etwas völlig anderes.

Wie ging es weiter?
Ich analysierte vergangene Modelle von Elektroautos aus der ganzen Welt. Es zeigte sich, dass diese von Idealisten designt worden waren, die meinten, ihr Auto müsse für jeden Einzelnen erschwinglich sein. Daher waren sie klein, langsam, unbequem und hässlich.

Welchen Schluss zogen Sie daraus?
Eine neue Technologie ist zu Beginn nie kosteneffizient und erschwinglich. Das war auch beim Flat-Screen-TV so. Neue Technologien beginnen im Premium-Segment und setzen sich danach im Massenmarkt durch. Als Elektroingenieur wusste ich, wie man ein Auto baut, das jedes andere stehen lässt. Deshalb war der erste Tesla ein teurer Sportwagen. Und es hat funktioniert. Der Tesla Roadster hat die Wahrnehmung, was ein Elektroauto sein kann, völlig verändert. Auf der ganzen Welt. Zudem verwendeten wir Technologien, wie sie bisher nicht für Autos eingesetzt worden waren. Niemand hatte Lithium-Ionen-Akkus in Autos verwendet. Branchenexperten sagten mir damals, dass das auch nie der Fall sein würde, aufgrund der speziellen Eigenschaften und der hohen Preise. Heute haben alle Elektroautos Lithium-Ionen-Akkus. Wir haben etwas Nachhaltiges angestossen.

Aber der Akku ist nach wie vor das grösste Problem bei Elektroautos.
Tesla und der dadurch ausgelöste Hype in der Automobilindustrie hat bereits dafür gesorgt, dass die Kosten für Akkus seit damals auf rund einen Drittel geschrumpft sind. Meine Vorhersage ist deshalb, dass in fünf Jahren ein anständiges Elektroauto zum gleichen Preis erhältlich sein wird wie ein vergleichbares Benzinmodell.

Sie übertreiben.
Nein. Das einzig wirklich Teure an einem Elektroauto ist der Akku. Der Motor kann viel günstiger sein als bei einem Benziner und Teile wie Tank, Kühlung, Transmission fallen ja weg.

Gibt es zurzeit eine neue Akkutechnologie, die vielversprechend ist?
Ich sehe keine. Akkuhersteller aus der ganzen Welt investieren massiv und viele Startups arbeiten an der Thematik. Ich denke, dass Lithium-Ionen-Akkus in der einen oder anderen Form noch länger den Ton angeben werden.

Sie haben also Ihren Partner Marc Tarpenning von Ihrer Idee überzeugt. Wie kommt Elon Musk ins Spiel?
Ich musste Investoren suchen, da wir nicht alles selbst finanzieren konnten. Musk kam rund ein Jahr nach Firmengründung hinzu. Er war bis zum meinem Ausscheiden bei Tesla nicht weiter involviert; das heisst, er hatte kein Büro oder so was. Er war schlicht der Präsident.

Waren Sie auch beim aktuellen Model S von Tesla involviert?
Es ist natürlich eine Weiterentwicklung, die begann, als ich noch da war. Aber als ich ging, waren wir noch am Anfang. Die zentrale Idee des Model S, nämlich die Akkus in das Boden-Panel zu verlagern, war allerdings meine.

Was halten Sie denn von den aktuellen Modellen der Konkurrenz?
BMW macht eigentlich unglaublich schöne Autos. Aber der i3 ist alles – ausser ästhetisch. Jemand, der einen 5er BWM toll findet, käme nie auf die Idee, einen i3 zu kaufen. Wenn man ihn sich so anschaut, dann fragt man sich, was sich BMW bei diesem Modell gedacht hat.

Nämlich?
BMW wollte offensichtlich vermeiden, dass die i-Modelle die momentan noch hochprofitablen anderen Modellreihen kannibalisieren. Diesem Dilemma sieht sich jedes erfolgreiche Unternehmen – unabhängig von der Branche – gegenüber, wenn eine neue, bahnbrechende Technologie in den Markt eindringt. Das war auch damals bei den Computerfirmen so. IBM hat als einziger der alten Anbieter den Wechsel von Mainframes auf PC überlebt und auch das nur haarscharf. Früher war IBM die grösste Firma der Welt. Das Paradoxe ist: Je erfolgreicher eine Firma, umso weniger ist sie gewillt, sich mit einer neuen Technologie auseinanderzusetzen, welche die bestehende obsolet werden lässt.

Sicher gefällt Ihnen der i8 von BMW besser.
Der ist ein Witz. BMW nennt ihn «ultimate driving machine», setzt aber Fake-V12-Motorengeräusche ein. Offenbar kann sich BMW nicht vorstellen, dass die Kunden ohne auskommen können. Das echte Motorengeräusch ähnelt eher einer Nähmaschine.

Und das Design?
Design ist etwas sehr Subjektives. Ich finde, er sieht komisch aus. Es scheint eine Übereinkunft in der Automobilindustrie zu geben, dass Elektroautos komisch aussehen müssen. Der Nissan Leaf sieht auch komisch aus. Warum müssen sie speziell aussehen und nicht einfach schön? Das war bei Tesla damals auch ein Diskussionspunkt. Wir engagierten vier Industrie-Designer für den Roadster. Und alle bis auf einen lieferten uns komische Entwürfe.

Komisch heisst?
Irgendwie futuristisch. Ich verstehe nicht, warum der i8 so aussieht, wie er aussieht. BMW weiss doch genau, wie ein schönes Auto aussieht. Aber eben: Das Unternehmen ist in einem Dilemma. Einem Verwaltungsratsmitglied, das gegenüber den Aktionären die Pflicht hat, hohe Renditen zu erwirtschaften, fällt es schwer, etwas zu pushen, was das aktuelle, momentan noch viel profitablere Geschäft untergräbt.

Was wäre ein möglicher Ausweg?
Es gibt keinen. Daher sind die regulatorischen Initiativen von Deutschland oder Norwegen eigentlich sehr hilfreich. Sie ebnen das Spielfeld wieder und alle müssen in eine neue Richtung. Vielleicht rettet Dieselgate Volkswagen sogar. Aber nur, wenn der Konzern jetzt mutig in die neue Richtung geht und nicht nur darum bemüht ist, den Rechtsstreit so schnell wie möglich beizulegen.

Welches Auto fahren Sie eigentlich jetzt?
Ich habe einige Autos, meine Frau würde sogar behaupten, zu viele. Aber ich habe zwei Tesla Roadster, meine Frau fährt ein Model S.

Sie haben kürzlich ein weiteres Startup namens Inevit gegründet. Das neue Tesla?
Es ist alles noch geheim. Deshalb finden Sie auf unserer Website auch nichts. Der Name sagt es aber schon: Inevit wie inevitable. Es hat wieder etwas mit Akkus zu tun. Mehr möchte ich zu diesem Zeitpunkt nicht sagen.

Wann können wir Neuigkeiten erwarten?
Vielleicht dieses Jahr. Oder nächstes. Im Moment sind sehr viele interessante Deals in der Pipeline. Was ich sagen kann: Die Motivation hinter dieser Gründung ist der VW-Diesel-Skandal. Nach Tesla war ich auch für Volkswagen tätig. Ich habe zwei Jahre lang an deren Akkusystemen mitgearbeitet.

Sie haben drei Firmen gegründet, sich aber immer zurückgezogen. Warum?
Das ist mein Mindset. Ab einem gewissen Punkt benötigt ein Unternehmen Struktur und viele Mitarbeiter. Und ab da ist es einfach weniger spannend für mich. Ich kann dann weniger beisteuern als in der verrückten, kreativen Anfangsphase. Ich suche leidenschaftlich nach dem Proof of Concept, nach Investoren und so weiter.

Wie damals bei Tesla.
Bei Tesla damals war es auch sehr, sehr unwahrscheinlich, dass ich überhaupt Investoren finden würde. Musk war einer der wenigen, die überhaupt verstanden, was wir tun wollten – und dann auch investierte. Auch wenn es am Schluss nicht ganz wunschgemäss ablief: Ich würde es heute wahrscheinlich wieder so machen. Allerdings würde ich mich anders absichern. Ich hatte damals einfach nicht wirklich andere Optionen.

Heute investieren Sie selbst in Startups. Welche Branchen bevorzugen Sie?
Verschiedene, aber immer technologiegetriebene. Wir suchen Technologien, die wir verstehen. Das schliesst Social Media aus. Ausserdem sollte die Firma auf die eine oder andere Weise etwas Gutes tun, das heisst zum Beispiel, dass wir nicht in E-Zigaretten investieren würden. Wir müssen zudem das Gründerteam sympathisch finden und den Business-Case erkennen. Am Schluss sollen ja alle damit Geld verdienen.

Sie sagen, der Diesel sei tot. Auch der Diesel-Lastwagen?
Als Laie verstehe ich nicht, warum in Europa, wo das Eisenbahnnetz so gut ausgebaut ist, trotzdem ein solch grosser Teil der Langstreckentransporte mit Lastwagen erfolgt. Mehr Investitionen in den Schienenverkehr, der natürlich elektrisch sein sollte, sind notwendig. Lastwagen sollten nur für den lokalen Transport eingesetzt werden. Das wäre ein guter Start. Dann könnten sie auch weiter mit Diesel fahren.

An Elektrolastwagen glauben Sie also nicht?
Ich denke, dass es ein Fehler wäre, die Strassen einfach mit E-Lastwagen zu verstopfen. Langstreckentransporte sollten auf die Schienen. Vor kurzem bin ich bei Ihnen in der Schweiz durch den neuen Gotthardtunnel gefahren. Das war total cool – ein tolles Ingenieursprojekt.

*Martin Eberhard hat Tesla im Jahr 2003 gegründet. Der US-Amerikaner war bis 2007 der CEO des Unternehmens.

 

 

 

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