Viele Arbeitsplätze in der Schweiz verlangen keinen körperlichen Einsatz mehr. Mit der Arbeit hat sich bei vielen Menschen aber auch die Krankheit in den Kopf verlagert: Die OECD schätzt in ihrem Bericht zur Psychischen Gesundheit und Beschäftigung die Kosten, welche der Schweiz durch psychische Erkrankungen entstehen, auf 3,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts.

Zum Vergleich: Die gesamten Bildungsausgaben des Bundes belaufen sich auf 5 Prozent des Bruttoinlandprodukts. «Gesundheit bedeutet auch im psychischen Bereich nicht nur die Abwesenheit von Krankheit, sondern wird auch positiv als Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit im psychischen und sozialen Bereich verstanden», erklärt Georg Bauer, Leiter der Abteilung Gesundheitsforschung und Betriebliches Gesundheitsmanagement der Universität Zürich.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Wer sich gut fühlt, ist produktiver

Gerade diese Abstufung von «Alles in Ordnung» zu «Ich fühle mich gut» macht im Betrieb aber einen gewaltigen Unterschied. Macht ein Mitarbeiter nur seinen Job oder identifiziert er sich damit?

Wer sich bei der Arbeit gut fühlt, zeigt auch Engagement, erlebt teilweise einen Flow und ist in der Regel auch produktiver. «Natürlich merken auch Kunden, ob der Mitarbeiter Lust hat oder abgelöscht wirkt», erklärt Georg Bauer. Wenn sich Mitarbeiter selber besser einschätzen können, schlägt sich dies auch messbar auf die Kundenzufriedenheit nieder.

Passende Messinstrumente

Aber wie stellt man fest, ob sich die Zufriedenheit der Mitarbeiter verbessert oder verschlechtert? Um ein zielgerichtetes Controlling ins Gesundheitsmanagement zu integrieren, ist es nötig, viel Zeit in die Erarbeitung der passenden Messinstrumente zu investieren. Solche Instrumente sind zudem nur sinnvoll, wenn es ein übergeordnetes Ziel des Gesundheitsmanagements gibt.

Ein solches kann beispielsweise sein, das von Mitarbeitern empfundene Stresslevel zu reduzieren. Dass das nötig ist, zeigen Zahlen der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz: Etwa 34 Prozent der Erwerbstätigen in der Schweiz haben häufig oder sehr häufig Stress im Job. Die Tendenz ist seit Jahren steigend.

Nicht nur Produktivität zählt

Wichtig zu verstehen ist bei der Frage nach der Messbarkeit: Nicht nur die Produktivität der Mitarbeitenden, auch die Qualität der Arbeitsbedingungen einer Unternehmung kann gezielt evaluiert werden: An Bauers Forschungsabteilung wurde dafür der «Corporate Health Index» entwickelt: Für den Index werden mit einer Mitarbeitendenbefragung Entlastungen und Arbeitsbelastungen quantitativ erhoben. Man kann sich das wie die Pro- und Contra-Liste eines Jobs vorstellen.

Entlastende Faktoren, die Pros, können hohe Entscheidungsspielräume, interessante Aufgaben oder die Wertschätzung der Kollegen und Vorgesetzten sein. Arbeitsbelastungen, die Contras, sind beispielsweise Zeitdruck, unklare Rollen oder Stress. Die Summe der entlastenden Faktoren wird dann durch die Summe von belastenden Faktoren geteilt. Heraus kommt dabei eine Kennzahl, die viel über den Kurs eines Unternehmens verrät: Sind die Mitarbeiter an ihrer Leistungsgrenze, wie «ein Motor im roten Drehzahlbereich? Oder können sie ihr Leistungsniveau langfristig halten?», so Georg Bauer. Letztlich ist der Index ein Instrument, mit dem Führungskräfte die Arbeitsplätze der Mitarbeiter verbessern können.

Was ist ein effizienter Arbeitsplatz?

Es geht nicht nur um die messbare Leistung, auch um die Einstellung dem Unternehmen gegenüber: Haben Mitarbeiter Lust, das Unternehmen zu verbessern, oder machen sie Dienst nach Vorschrift? «Jeder bekommt mit, welche Routinen funktionieren und welche nicht und ob Ressourcen verschwendet werden. Meine Erfahrung ist, dass Mitarbeitende sehr daran interessiert sind, ihre Arbeitssituation und betriebliche Abläufe zu verbessern, wenn man ihnen die Chance dazu gibt», sagt Bauer.

Was ein guter, effizienter Arbeitsplatz ist, scheinen aber gerade grosse Unternehmensberatungen noch nicht ganz verstanden zu haben: «In manchen Unternehmen glaubt man anscheinend immer noch, viele Stunden Arbeit bedeuteten viel Produktivität», sagt Bauer.

Transparenz ist wichtig

Wenn sich eine Firma auf den Weg eines ernst gemeinten und auch messbaren Gesundheitsmanagements macht, muss sie sich der Herausforderungen, die damit einhergehen, bewusst sein. Es gilt nicht nur, treffsichere Messinstrumente und Analysemodelle der Mitarbeitergesundheit und -zufriedenheit zu entwickeln, sondern auch, alle diese Massnahmen transparent zu machen. Mitarbeiter müssen nachvollziehen können, warum was gemessen wird. Mit der Kombination aus Transparenz und Präzision kann Gesundheitsmanagement aber funktionieren.