Eben noch durfte Anders Bally mit dem Segen von ganz oben in der «Handelszeitung» die Zukunft des Digital-Banking-Startups Radicant präsentieren, nun findet diese Zukunft ohne ihn statt. «Per sofortiger Wirkung» werden Produktchef Rouven Leuener und Finanzchef Roland Kläy als interimistische Chefs der Bank ernannt, teilt das Mutterhaus Basellandschaftliche Kantonalbank (BLKB) nach Börsenschluss am Mittwoch mit. Begründet wird dies mit dem «baldigen Markteintritt» der Tochtergesellschaft. Und mit einem «unterschiedlichen Führungs- und Kommunikationsverständnis». Bally ist abgesetzt. 

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Radicant ist zu 100 Prozent eine Tochter der Baselbieter Staatsbank. Sie wurde vor zwei Jahren gegründet und massgeblich von Anders Bally geprägt. Im «Handelszeitung»-Artikel präsentierte dieser den neuartigen Nachhaltigkeitsansatz der Bank, mit dem man auf den höheren Mittelstand ziele. Voll digital und kompromisslos. Diesen Frühling sollen die ersten Kunden akquiriert werden.

Heikle Aussagen über die Baselbieter Politik in einem internen Mail

Auslöser für die Entlassung Ballys ist wohl ein E-Mail, das dieser vergangene Woche an die Belegschaft von Radicant verschickt hatte. Darin warnte er vor kritischen Fragen. Und er äusserte sich wenig vorsichtig über die Baselbieter Politik – und damit indirekt über seine eigenen Aktionäre.

«Einige der Politiker in diesem nicht urbanen Kanton – vor allem die älteren – haben Schwierigkeiten, all die disruptiven Aspekte zu verstehen, die Radicant mit sich bringt», zitiert die «Basellandschaftliche Zeitung» aus dem Papier. Und weiter: «Deep Tech, Mobile First Banking und Wealth Management, Evangelisten, Co-Creation usw. sind Konzepte, mit denen sie sich schwertun.» Auch auf dem Blog «Inside Paradeplatz» konnte man das Mail lesen.

«E-Mails solchen Inhalts sind schlicht nicht tolerierbar», sagt der Baselbieter Finanzdirektor Anton Lauber nun gegenüber der «Basellandschaftlichen Zeitung». Es gebe «nichts zu entschuldigen». Wertschätzung und Respekt seien für die BLKB von «zentraler Bedeutung». Der Entscheid zur Entlassung Ballys sei kurzfristig entstanden, mutmasst die Zeitung. Noch am Montag habe die BLKB eine Version verbreitet, wonach Bally quasi mit dem Abschicken seinen Fehler eingesehen und diesen umgehend eingestanden und korrigiert habe.

Noch am Wochenende segnete die BLKB Ballys Medienauftritt ab

Für eine kurzfristige Aktion spricht auch, dass noch am Wochenende Ballys Vorgesetzte in Liestal dessen Auftritt und die entsprechenden Zitate in der «Handelszeitung» absegneten. Offenbar auf höchster Ebene.

Auch an der Medienkonferenz des Mutterhauses vor einer Woche – noch vor dem Versand des kritisierten E-Mails – fielen keine kritischen Worte zu Radicant. Allerdings auch wenig positive. BLKB-CEO John Häfelfinger mied das Thema Radicant während der Präsentation der Jahreszahlen und versuchte auch, die Kostenseite des Startups nicht gross zu thematisieren. Denn die Kosten waren bereits Anlass für kritische Medienberichte geworden. 

Radicant ist kein billiges Projekt. Rund 70 Millionen Franken habe man bislang in die Tochter investiert, sagte BLKB-Vize Beat Röthlisberger an der Medienkonferenz. Und aus dem Jahresabschluss von Konzern und Stammhaus lässt sich ableiten, dass im Geschäftsjahr 2022 rund 14 Millionen Franken Verlust bei der Tochter angefallen waren.

In einer Interpellation forderte der Baselbieter SVP-Landrat Peter Riebli unlängst Antworten zu den strategischen Initiativen der Basellandschaftlichen Kantonalbank. Radicant ist nur eine davon. Zu reden gab im Baselbiet auch die Expansion der BLKB in den Aargau, als sie im Fricktal mehrere Teams der früheren Neuen Aargauer Bank übernahm. Oder jene in den Kanton Basel-Stadt, wo die BLKB nun eine grosse Filiale mitten im Zentrum Basels führt. Die kritischen Fragen, vor denen Bally warnte, dürften wohl auch nach seiner Absetzung nicht verebben. 

Anders Bally war nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. 

 

Michael Heim Handelszeitung
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