Am Ende seiner politischen Karriere wollte Mykola Asarow keine Zeit verlieren. Am 28. Januar trat er von seinem Amt als Ministerpräsident der Ukraine zurück. Nur wenige Stunden danach setzte sich der Vertraute Viktor Janukowitschs per Privatjet ins Ausland ab. Jedoch nicht etwa ins befreundete Russland, sondern mitten in die Europäische Union, die er politisch zuvor so oft angegriffen hatte. Asarow flog nach Wien.

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In Österreich lebende Ukrainer hat die Nachricht, die ein Sprecher des Aussenministeriums gegenüber der «Wiener Zeitung» bestätigte, nicht überrascht. Das Alpenland gilt als beliebter Zufluchtsort für ukrainische (Ex-)Funktionäre, Oligarchen sowie deren Angehörige und Vermögen.

Der ehemalige Regierungschef Asarow dürfte bei seiner Schwiegertochter Lilija untergekommen sein, die – wie früher auch ihr Ehemann Oleksej – im Wiener Nobelbezirk Währing gemeldet ist.

Protest gegen Asarow

Vereine wie «Die Demokratische Ukraine» oder die «Gesellschaft Ukrainischer Jugend in Österreich» machen Asarow für die Einführung der «diktatorischen Gesetze» vom 16. Januar verantwortlich, die persönliche Freiheitsrechte stark beschränken und die Verhaftung von Andersdenkenden legitimieren würden.

Sie zitieren ihn in einem Brief an die österreichische Innenministerin mit den Worten, die Menschen seien «selber schuld, dass sie erschossen wurden», und werten seinen Aufenthalt in Wien als weiteres Indiz dafür, dass die frühere ukrainische Elite in Österreich bequem «blutiges Geld waschen» könne.


Kritik wegen Untätigkeit der Behörden

In mehr als 30 Aktionen zur Unterstützung der Protestbewegung auf dem Maidan haben diese Auslandsukrainer deshalb nicht nur das Vorgehen der Regierung Janukowitsch, sondern auch die Untätigkeit der Behörden ihrer Wahlheimat angeprangert.
«Österreich, wach auf, Oligarchen kaufen dich ein», skandierten sie bei Demonstrationen, und in einer Petition an die österreichische Bundesregierung forderten sie: «Lassen Sie es nicht zu, dass das österreichische Finanzsystem durch korrupte ukrainische Politiker missbraucht und dadurch Gesetzlosigkeit in der Ukraine unterstützt wird.»


Franz Fiedler, Vorsitzender des österreichischen Ablegers der Antikorruptionsorganisation Transparency International, hält die massive Kritik für gerechtfertigt. «Die Vorwürfe kommen nicht von ungefähr«, sagt der frühere Staatsanwalt und Rechnungshofpräsident. «Das österreichische Bankgeheimnis ist deutlich strenger als in den meisten anderen Staaten der EU.»
Anders als in Deutschland genüge nicht das Vorliegen eines Verdachts, damit eine Bank über Konten informieren muss, sondern es bedürfe der Einleitung eines Strafverfahrens.

Selbst dann sei das Prozedere jedoch so kompliziert, dass bis zu einer Auskunft Monate vergehen können. Darüber hinaus biete das Stiftungsrecht «zahlreiche Verschleierungsmöglichkeiten», sagt Fiedler. «Auch das ist natürlich ein Anreiz, hier Gelder zu parken, wenn man anonym bleiben will.»

Steuervorteile als weiteren Grund

Für den Wiener Anwalt Leopold Specht, dessen Kanzlei über eine Subfirma Alleingesellschafterin einer GmbH war, die Asarows Sohn Oleksej gegründet und bis 2011 als Geschäftsführer geleitet hat, sind hingegen Steuervorteile der wichtigste Grund für die Beliebtheit Österreichs bei reichen Ukrainern.

«Wenn sie über eine österreichische Holding eine Beteiligung in der Ukraine strukturieren oder eine Investition über Österreich in einem Drittland machen, werden die Dividenden unter gewissen Bedingungen mit null besteuert», sagte Specht vor Kurzem dem «Kurier». «Und diese sind leicht zu erfüllen.» Der Anwalt betonte gegenüber der Zeitung auch, dass der Aufenthalt von Asarow senior in Wien keine «Flucht« gewesen sei, sondern der Ex-Regierungschef lediglich zwei Tage lang seine Familie «besucht» habe.

Zielgruppe sind die «Superreichen«

Asarows Kritiker gehen davon aus, dass er auch nach den Geschäften der Familie gesehen hat. Schwiegertochter Lilija gehört laut Firmenbuch die Hälfte einer Gesellschaft, die mit dem «Vienna Deluxe Magazin» Wiens «einziges Luxus-Hochglanzmagazin» mit Berichterstattung auf Deutsch, Englisch und Russisch sowie ähnliche Publikationen für St. Moritz, die Côte d'Azur und Dubai herausgibt.

Als Zielpublikum nennt das Unternehmen auf seiner Webseite die Gruppe der «Ultra High Net Worth Individuals» – auf Deutsch meist einfach «Superreiche» genannt.

Im selben Haus wie die Publishing Deluxe Holding GmbH, dem barocken Palais Breuner im ersten Bezirk Wiens, ist auch die Garda Handels- und Beteiligungs GmbH registriert, in der Lilija Asarowa bis 2012 die Geschäftsführung innehatte. Dem Investigativjournalisten Serhij Leschtschenko von der Kiewer Internet-Zeitung «Ukrainska Prawda« zufolge kontrolliert die Familie Asarow über diese Firma die Fabrik Metalist in Donezk, die von staatlichen ukrainischen Subventionen stark profitiert hat.

«Inkubator von Scheinfirmen«

Am Parkring gegenüber dem Wiener Stadtpark betreibt Asarows Schwiegertochter eine Galerie, die moderne ukrainische Kunst populär machen soll. Diese exklusive Adresse wiederum teilt sie mit einem Unternehmen namens Compaserve, das unter anderem in Liechtenstein ein Büro betreibt, unter dessen Anschrift auch jene Firma registriert ist, der die grosszügige gelbe Asarow-Villa in Währing gehört.

Compaserve gehört einem gebürtigen Liechtensteiner mit österreichischem Pass namens Reinhard Proksch. Laut eigenen Angaben ist er Anwalt, stammt aus Salzburg, lebt aber in Miami. Sein Unternehmen hat sich auf die Gründung und Verwaltung von Firmen spezialisiert und bietet unter anderem bereits gegründete «Vorratsgesellschaften» an: Im Online-Katalog von Compaserve finden sich neben österreichischen oder Schweizer GmbHs auch Liechtensteiner Stiftungen (ein «Mozart Trust» kostet beispielsweise 44.900 Schweizer Franken) oder Gesellschaften auf den British Virgin Islands (ab 2500 Dollar).

Für die Kiewer Nichtregierungsorganisationen wie PEPwatch (PEP steht für «politisch exponierte Personen») oder das Anti-Corruption Action Centre (Antac) ist die Compaserve «ein Inkubator von Scheinfirmen», zu deren Kunden nicht nur die Familie Asarow, sondern auch der ehemalige Chef des Präsidialamtes, Andrej Kljujew, und sein Bruder Sergej sowie Ex-Präsident Janukowitsch selbst zählen würden. Sie stützen sich dabei auch auf die Recherchen von Serhij Leschtschenko.

Vorwurf «politischer Einflussnahme»

Andrej Kljujew, der nach der Flucht mit Janukowitsch angeschossen wurde, haben die Kritiker der früheren ukrainischen Regierung schon lange im Visier. Bereits 2012 hat der damalige Oppositionspolitiker Anatolij Hryzenko in einem gemeinsam mit Antac und Leschtschenko formulierten Brief an das österreichische Bundeskriminalamt den Janukowitsch-Vertrauten der Geldwäsche beschuldigt.

Kljujew habe staatliche Subventionen in Höhe von umgerechnet 18 Millionen Euro an eine Halbleiterfabrik in Saporischschja veranlasst und dabei verschleiert, dass diese über die österreichische Gesellschaft Activ Solar indirekt ihm gehöre, schrieben Hryzenko und Leschtschenko. Das betroffene Unternehmen wies vor zwei Wochen den Vorwurf «politischer Einflussnahme» zurück und betonte, die Slav AG der Gebrüder Kljujew habe ihre Anteile bereits 2008 verkauft.


Es bestritt aber nicht, dass es sich bei dem Käufer um Sergej Kljujews Schwiegersohn handelte und der seine Anteile 2009 der Liechtensteiner Treuhandgesellschaft P&A Corporate Trust übertrug. Diese ist ebenfalls unter der Adresse des Vaduzer Büros von Reinhard Prokschs Compaserve registriert.

Unterstützung bei der Geldwäsche über Scheinfirmen

Laut Angaben von PEPwatch und Antac ist P&A Corporate Trust ausserdem die Gründerin jener englischen Gesellschaft, der über eine weitere Zwischenfirma – bis zu deren Verkauf an Sergej Kljujew im September 2013 – die einstige Staatsdatscha Meschigorje gehörte. Janukowitsch hatte sie zu einer eigenwilligen Mischung aus Camp David, Versailles und Neverland ausbauen lassen und bis zu seiner Flucht als Residenz genützt.

Auch die Firmenkonstruktion, die hinter der 30.000-Hektar-Eigenjagd steht, über die Janukowitsch zusätzlich verfügte, endet den Nichtregierungsorganisationen zufolge an einer Adresse von Reinhard Proksch, diesmal jener des Londoner Büros von Compaserve.


Die ukrainischen Korruptionsbekämpfer ziehen aus ihren Recherchen den Schluss, dass «entgegen den Anti-Geldwäsche-Vorschriften für Amtsträger und Politiker Herr Doktor Proksch die ukrainischen Machtträger bei der Geldwäsche und Hehlerei über Scheinfirmen unterstützt hat und nach wie vor unterstützt«.

Vorwürfe als «Witz« zurückgewiesen

Proksch selbst nennt die Vorwürfe «einen Witz». Er halte oder verwalte keine Gelder von ukrainischen Politikern oder sonstigen Politikern, teilte er per Mail mit. «Ich kenne Janukowitsch nicht und auch niemanden aus seinem Umfeld.» Vielmehr sei er seit Monaten für ein hohes Amt im UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) im Gespräch – «damit scheidet ja offiziell aus, dass ich ein korruptes Regime unterstütze».

Nachfragen zu seinen Firmenbeteiligungen wollte er nicht beantworten, stattdessen verwies er auf frühere Äusserungen gegenüber österreichischen Medien. In einem am Dienstag ausgestrahlten Bericht des ORF-Fernsehens hatte er zu den Firmen hinter Meschigorje gesagt: «Der Sinn dieser Konstruktionen war es, einen Freizeitpark zu bauen.» Für Janukowitsch?, fragte der Reporter. «Nein, ein normales Hotel, so eine Art Disneyland.» Er selbst habe den Präsidenten dem Namen nach nicht gekannt: «Also mir wäre das nicht einmal aufgefallen, wenn ich den Vertrag gesehen hätte.»

Die EU hat vergangenen Donnerstag Sanktionen gegen die ehemalige ukrainische Führung beschlossen. Angesichts der noch andauernden Diskussion über deren Umsetzung hat Österreich nun – wie die Schweiz und Liechtenstein – die Sperrung der Konten von Janukowitsch und 17 seiner Vertrauten angeordnet. Die ukrainische Regierung habe in jedem der Fälle eine Begründung geliefert, warum das Konto eingefroren werden sollte, sagte Aussenminister Sebastian Kurz am Freitag.
Es gehe um den Verdacht von Menschenrechtsverletzungen beim blutigen Machtkampf in der Ukraine sowie um Korruptionsverdacht. Laut übereinstimmenden Berichten von österreichischen Medien sollen sowohl Mykola Asarow als auch Andrej Kljujew auf der Liste stehen.

Strafverfahren gegen Janukowitsch und seinen Sohn

Anders als in der Schweiz, wo die Genfer Staatsanwaltschaft am Donnerstag ein Strafverfahren gegen Janukowitsch und seinen Sohn eröffnete und eine Firma des Sohns durchsuchen liess, sind in Österreich keine Ermittlungen gegen die früheren Machthaber in der Ukraine bekannt geworden. Gegen Andrej Kljujew habe es Ermittlungen wegen des Verdachts auf Geldwäsche gegeben, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien. Das Verfahren ist jedoch vergangenes Jahr nach mehrmonatigen Erhebungen eingestellt worden, weil keine Vortat zu beweisen war.

Mykola Asarow soll nicht mehr in Wien sein, heisst es. Dafür ist laut einem Bericht der Tageszeitung «Die Presse» Donnerstag vergangener Woche das Privatflugzeug von Sergej Kljujew in Wien gelandet. Anschliessend sei er mit mehreren Angehörigen zu jener Villa am Rande des Wienerwaldes gefahren, in der seine Frau gemeldet ist.

Im Grundbuch stehen auch die Kljujews nicht, sondern eine GBM Handels-und Vertretungs GmbH. Über ihre Besitzer, zwei Limited Companys, gibt das österreichische Firmenbuch keine Auskunft, aufschlussreicher ist da schon die Adresse: Sie führt zum Hauptsitz des Kljujew-Konzerns Slav in der Wiener Innenstadt. Gegenüber «Ukrainska Prawda» legte Sergej Kljujew trotzdem Wert auf die Feststellung, dass seine Familie nur zur Miete wohne.

Dieser Artikel ist zuerst in unserer Schwester-Publikation «Die Welt» erschienen.