Am Ende dieser Geschichte wird ein Land unfreiwillig seinem Erzfeind geholfen haben. Über Umwege und Zufälle, die niemand ahnen konnte. Mit Ideen und Entscheidungen, die lange zurückreichen. 28 Jahre, um genau zu sein, bis in den Sommer 1988. Zu dieser Zeit änderte Amerikas Luftfahrtbehörde in ihrem Regelwerk ein Detail – und ermöglicht dem Iran damit heute einen spektakulären Flugzeugdeal. Wie ist es dazu gekommen?

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Die Ausgangslage im Januar 2016: Die Sanktionen gegen den Iran sind gefallen, die Staatslinie kauft wieder ein, sie kann ihre Flotte erneuern, endlich. Iran Air fliegt Uraltmaschinen, für die es kaum noch Ersatzteile gibt. Modelle wie die Boeing 747-200, die erstmals vor 40 Jahren abhob, mit Rundinstrumenten und drei Mann im Cockpit.

Modernisierung der iranischen Uraltflotte endlich greifbar

Für weite Nonstop-Reisen ist sie kaum noch zu gebrauchen. Daher besorgt sich das Regime modernere Jets. 114 sollen es sein, darunter mehr als 20 des Typs A340 für die Langstrecke, wie in der Branche zu hören ist. Sie würden ganz neue Verbindungen ermöglichen – und Irans Luftfahrt damit deutlich nach vorne bringen.

An dieser Stelle, beim A340, kommt die amerikanische Behörde ins Spiel. Hier gibt es plötzlich eine Nebenwirkung ihrer Entscheidung aus vergangenen Tagen. Die USA in den 80er Jahren. Boeing feiert mit seiner vierstrahligen 747 grandiose Erfolge. Keine Airline von Rang und Namen kann auf den «Jumbojet» verzichten. Denn nur er darf direkt über den Atlantik fliegen. Maschinen mit zwei Triebwerken mussten Routen wählen, die in Küstennähe liegen – so hatten es die Amerikaner verfügt. Aus Sicherheitsgründen, wie sie erklärten. Bei Airbus glaubt man hingegen bis heute: aus Wettbewerbsgründen, zumindest auch.

Amerikanische Regelung bevorteilte Boeing

«Wir hatten zu dieser Zeit keine vierstrahligen Flugzeuge im Angebot», sagt ein französischer Ingenieur des Konzerns. «Mit der Regelung wollten die Amerikaner unsere Modelle ausbremsen und den Verkauf ihrer 747 fördern.»

120 Minuten, weiter durften Zweistrahler nie von der nächsten Landebahn entfernt sein. Falls über dem Ozean ein Triebwerk ausfällt, sollte der Ausweichflughafen schnell erreichbar sein – schliesslich musste die Strecke dann mit nur einem Motor geschafft werden. Diese Regelung zog die Reisen in die Länge, machte sie für Passagiere unangenehmer und für Airlines teurer. Daher plante Airbus einen neuen Jet. Einen Vierstrahler, der wie Boeings 747 die Meere ohne Schleifen überqueren kann: den A340.

60 Minuten Differenz machen Airbus-Pläne zunichte

Im Juni 1987 startete der europäische Konzern das Programm. Ein Jahr später änderte Amerikas Luftfahrtamt FAA gemeinsam mit der internationalen Luftfahrtorganisation ICAO die Regeln: Nicht mehr 120 Minuten, sondern 180 Minuten durften Flugzeuge mit zwei Triebwerken ab jetzt von der nächsten Landebahn entfernt sein – eine Revolution.

90 Prozent des Planeten waren für Zweistrahler plötzlich auf direktem Weg erreichbar. «Der A340 verlor über Nacht seinen Sinn», sagt der Airbus-Ingenieur. Als der Vierstrahler 1991 zum Erstflug startete, war er schon ein Auslaufmodell.

«Vier Triebwerke für die Langstrecke»

Die Fluggesellschaften wählten auf den Langstrecken lieber Jets mit zwei Motoren, weil sie sich wirtschaftlicher betreiben lassen. Spätestens als die Boeing 777 auf den Markt kam, hatte der A340 keine Chance mehr.

Airbus startete noch einen Rettungsversuch. Der Konzern liess Werbeanzeigen mit dem Schriftzug «4 engines 4 long haul» drucken, zu deutsch: vier Triebwerke für die Langstrecke. «Airbus wollte suggerieren, eine Ozeanüberquerung mit nur zwei Triebwerken sei unsicher», heisst es bei Boeing. Die Europäer bestreiten das.

Zweites Leben für alte Maschinen

Welche Intention die Kampagne auch hatte – geholfen hat sie dem A340 nicht. Nach Jahren mit schlechter Auftragslage wurde die Produktion 2011 gestoppt. Manchmal nimmt der Konzern alte Exemplare in Zahlung, wenn eine Fluggesellschaft neue Maschinen kauft. 22 gebrauchte A340 bietet Airbus derzeit an. Sie stehen herum, wer will die alten Dinger schon noch haben?

Einer will. Der Iran. Für das Regime ist es die perfekte Gelegenheit. Die Flugzeuge sind günstig und sofort verfügbar. Amerika wollte den A340 überflüssig machen – und verhilft ihm jetzt zu einem zweiten Leben im Feindesland.

Dieser Artikel ist zuerst in unserer Schwester-Publikation erschienen unter dem Titel «Airbus verhökert den großen A340-Flop an den Iran».