«175 Chemikalien, welche die Gesundheit gefährden, sind in Verpackungen erlaubt und können in Lebensmittel übergehen. Das zeigt eine neue Studie», berichtet der Zürcher «Tages-Anzeiger» unter dem alarmierenden Titel «Gift im Regal». Massenhaft «krebserregende und das Erbgut verändernde Stoffe» tischte uns die Lebensmittelindustrie auf, wird da behauptet. «Die Verpackung verdirbt das Essen», warnt der «Tages-Anzeiger», «selbst in den Babybrei gelangen gesundheitsgefährdende Stoffe». Man solle deshalb «Convenience-Food meiden».

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Werden wir von der Industrie langsam vergiftet? Eine genauere Analyse zeigt etwas anderes: ein weiteres Beispiel für den alarmistischen Medienhype um Chemikalien im Essen. Die erwähnte «wissenschaftliche Studie» enthält gar keine neuen Forschungsergebnisse.

Heikle Herkunft der Studie

Die Autoren haben lediglich eine Liste von Chemikalien, die in Verpackungen vorkommen können, mit verschiedenen Listen möglicherweise schädlichen Chemikalien verglichen. In welcher Menge diese vorkommen, ob und wie sie aus der Verpackung lösbar sind, ob und wie sie in die Lebensmittel gelangen könnten oder ob und wie sie der Gesundheit schaden könnten, all das haben die Autoren gar nicht untersucht.

Die «Studie» kommt vom Food Packaging Forum, einer in Zürich domizilierten Stiftung. Es ist das zweite Mal, dass sie damit Journalisten zum Hyperventilieren bringt. Schon im Februar lancierte sie ihre alarmierenden Erkenntnisse in britischen und australischen Medien.

«Befürchtungen unangebracht»

Damals reagierten Wissenschafter mit massiver Kritik an den Aussagen der Autoren und leissen damit sehr schnell die Luft aus aus dem vermeintlichen Skandal. So hatten die Autoren beispielsweise hervorgehoben, dass Pet-Flaschen das krebserregende Formaldehyd enthielten. «Um so viel Formaldehyd zu konsumieren, wie in einem Apfel steckt, müsste man 20 Liter Mineralwasser aus einer PET-Flasche trinken», spottete ein Arzt der medizinischen Fakultät der Universität von Adelaide über die Ignoranz der Autoren.

Der britische «Guardian», der im Februar ebenfalls über die «Studie» berichtet hatte, brachte immerhin sofort eine Korrektur: «Befürchtungen über Chemikalien in Lebensmittelverpackungen unangebracht».

Vier Glasproduzenten

Das Food Packaging Forum bezeichnet sich als «völlig unabhängig» und wird durch Spenden finanziert. Bisher hat sie genau vier Sponsoren: Vetropack, Consol, Bucher Emhart Glass und OI Owens-Illionois. Alle vier sind grosse Glasproduzenten – die «gesunde» Alternative zur Kunststoffverpackung. So ein Zufall.

Das Food Packaging Forum sieht das freilich anders. «Wir sind eine unabhängige, gemeinnützige Stiftung nach schweizer Recht. In der Stiftungsurkunde ist klar geregelt, dass die Spender keinen Einfluss auf unsere Arbeit nehmen, weder inhaltlich noch in sonst irgendeiner Form», sagt eine Sprecherin. Die Studie sei in einem wissenschaftlichen Fachjournal nach einem Peer-Review Prozess veröffentlicht worden. «Sie genügt somit den Kriterien für solche Publikationen, nämlich wissenschaftliche Originalität, Format und Relevanz.»

Ergänzung vom 30. Juli 15:00 Uhr : Die Stellungnahme vom Food Packaging Forum wurde eingebaut.