Die Geschäftsleiter der Winterthur-Versicherung verreisen mit ihren besten Aussendienstmitarbeitern und deren Partnerinnen dieses Jahr nach Lappland und Berlin. Bei der Zürich geht es mit rund 20 Topverkäufern und deren Begleitung vier Tage nach Athen. BMW Schweiz zog es auf den letzten Incentive-Reisen nach Afrika und Frankreich. Eine Telekom-Firma lud kürzlich zum James-Bond-Tag auf den Piz Gloria. Und eine Grossbank spendiert den Partnerinnen von wichtigen Kunden eine Sex-and-the-City-Reise nach New York mit Besuch von Tommy Hilfigers Design Rooms und In-Shops.

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Formel 1 für Auto-Freaks

«Das Bedürfnis nach Incentive-Reisen ist nach der Zurückhaltung der letzten Jahre wieder da», sagt Christine Benguerel von Unique Events&Incentives. Zu den Kunden zählten vor allem Firmen mit Aussendiensten. Die Autohändler seien nach wie vor die Topkunden, für sie gelte der Besuch eines Formel-1-Rennens oder das Selberfahren auf der Rennbahn als Knüller. Eher zurückhaltend sei die Nachfrage aus der Pharmabranche, weil 2004 der Pharmakodex eingeführt worden sei.

«Im Schnitt machen die Firmen 500 bis 3000 Fr. pro Mitarbeiter und Reise locker», beobachtet Claudio Girola von der Agentur Celebration Travel. Die Unternehmen hätten die Budget-Positionen für Incentive-Reisen nicht nur für dieses Jahr aufgestockt, auch für das kommende Jahr träfen bereits Anfragen ein. Allerdings werde nicht mehr geklotzt. «Bei ausgeflippten Reisen riskieren die Unternehmen ein Image-Problem», so Girola. Die meisten Incentive-Reisen dauern drei bis vier Tage. Im Trend liegen Spanien, Prag, Marokko und die Adria. Gemäss der Incentive- und Meetingmesse Imex verfügen 50% der internationalen Entscheider über mehr als 500000 US-Dollar Jahres-Budget für Konferenzen und Incentive-Reisen, ein Drittel sogar über Budgets von mehr als 1 Mio Dollar.

Die Konzerne selber geben sich bedeckt: UBS, Credit Suisse Group und Novartis können offiziell keine Angaben zu Incentive-Reisen machen. Doch Reto Bacher, Direktor des Geschäftsreisenanbieters BTI Europe, weiss: «Bei manchen Firmen übersteigt das Budget für Incentives jenes der Geschäftsreisen - besonders im Autohandel.»

Psychologische Investition

Die Belohnung mit einer Reise ist knallhart kalkuliert: Gemäss einer internationalen Umfrage der Incentive Federation von März 2005 sind Manager überzeugt, dass man sich viel länger an Reise-Incentives erinnert, als an Cash-wards. Hauptintention hinter den Reise-Incentives ist die Umsatzsteigerung.

Für Marc Fischer, Chef von BTI Event Solutions, sind Incentive-Reisen ein Spiel mit den Sehnsüchten. Am Ende müssten sie einen Anreiz bieten, damit im knallharten Wettbewerb weiter verkauft werde. Fischer: «Ein Incentive muss sich durch Mehrverkauf selber finanzieren.» Sein Job ist es nicht nur, den Firmen eine massgeschneiderte Reise zusammenzustellen, sondern diese als Preis in einen Verkaufs-Wettbewerb einzubetten. Dazu gehört ein Kick-off-Event, bei dem die Lust der Verkäufer auf den Preis geweckt wird, sowie regelmässige Ranglisten und stetige Teaser, um die Verkäufer anzuspornen. Dabei werde stark mit den Sinnen gespielt; winkt etwa eine Reise nach Dubai, erhielten die Verkäufer kleine Geschenkchen mit orientalischen Gewürzen.

Die meisten Incentive-Kunden von BTI stammen aus der Auto- oder der Telekombranche. «In einem gesättigten Markt ist der Verkäufer das A und O», begründet BTI-Direktor Bacher die Investition der Firmen in Incentives. Das Incentive-Geschäft von BTI wachse derzeit zweistellig. Weil es noch sehr atomisiert sei, sieht er darin einen Zukunftsmarkt.

Reizschwelle erreicht

Zu den verrücktesten Reisen, die Fischer schon organisiert hat, zählt er Kampfjet-Flüge für einen Uhrenkonzern und Parabolflüge in Moskau. «Doch man muss sehr sensitiv sein», so Fischer. Extremübungen wie Kohlelaufen oder Bungeejumping würden nicht von allen geschätzt.

Allerdings ist die Gefahr klein, dass hiesige Unternehmen dekadente Reisewünsche haben. «Die Zeit des Überbietens ist vorbei, die Reizschwelle kann nicht immer höher gesetzt werden der Prestigeaspekt steht nicht mehr im Vordergrund», ist Manfred Ritschard von der gleichnamigen Agentur überzeugt. Gefragt seien vermehrt Edu-Incentives: Firmen wollten Mehrwert schaffen, indem sie Angestellte mit einer Weiterbildung mit hochkarätigen Referenten belohnen. Es müsse nicht mehr ein Dinner in der Wüste sein.

Reisen währt am längsten

Nachhaltigkeit des Incentive: lang kurz

Cash 16% 62%

Güter 33% 16%

Reisen 51% 22%

Quelle: «Umfrage Der Incentive Federationbei Managern»



Barrieren stoppen Reiseexzesse: Pharmakodex gegen Gratisferien

Unter dem freiwilligen Verhaltenskodex der Schweizer Pharmaindustrie, dem Pharmakodex, dürfen Symposien, Kongresse und ähnliche Veranstaltungen seit 2004 nicht mehr als Gratisferien missbraucht werden. Um jegliche Interessenkonflikte und Abhängigkeiten zu vermeiden, soll der finanzielle Aufwand für die Veranstaltung etwa dem entsprechen, was der Durchschnitt der Teilnehmer von sich aus bereit zu zahlen wäre. Auch Extravaganzen für Partner sind gemäss Kodex offiziell passé: Unternehmen dürfen Begleitpersonen weder Reise- noch Unterkunftskosten bezahlen. Zudem müssen die Firmen von den teilnehmenden Fachpersonen im Interesse von deren Unabhängigkeit einen angemessenen Kostenbeitrag verlangen. Lediglich bei Veranstaltungen in der Schweiz, die weniger als einen Tag dauern, kann von einem Kostenbeitrag abgesehen werden. Zudem dürfen die Unternehmen den Teilnehmern die Kostenbeiträge weder ganz noch teilweise zurückerstatten oder zurückerstatten lassen. Auch angehängte Ferien sind nicht mehr gratis: «Kosten für zusätzliche Hotelaufenthalte, Reisen oder andere Aktivitäten, die mit der Veranstaltung keinen inhaltlichen Zusammenhang haben, gehen vollumfänglich zulasten der Teilnehmer und Begleitpersonen», heisst es im Kodex. (clu)