Zwei Milliarden. Man muss sich diese Zahl auf der Zunge zergehen lassen: Zwei Milliarden Menschen auf der Erde nutzen auf ihren Smartphones eine Entwicklung aus dem Tessin. Google-Übersetzer, Sprachsteuerung oder Autokorrektur: Dahinter stecken Algorithmen, die das Team von Jürgen Schmidhuber (54) am IDSIA in Manno TI (sowie in München) entwickelt hat. Künstliche Intelligenz (KI) – Systeme, die lernen und lernen, zu lernen – gilt als Schlüsseltechnologie der Zukunft. Amazon, Apple, Google oder Microsoft etwa nutzen Schmidhubers «long short-term memory» (LSTM): Neuronale Netzwerke, die nicht stupide Aufgabe um Aufgabe abarbeiten, sondern wie ein Gehirn lernen, indem sie Vergangenes miteinbeziehen und so manche Verbindungen stärker oder manche schwächer ausbilden.

KI rettet schon Menschenleben

Einst wurden Schmidhubers Visionen eher belächelt. Heute lacht keiner mehr. Nur zwei Beispiele: In der Krebsforschung rettet KI Menschenleben, weil Bilderkennungsverfahren Krebszellen besser finden als Ärzte. Und übermenschlich gute Mustererkennung – wie sie heute Verkehrsschilder-Erkennung übernimmt – gilt als Basis sicheren autonomen Fahrens. Wie wichtig KI ist, zeigte sich im Juni 2017: In Genf organisierte die UNO ein KI-Treffen. Mit dabei Schmidhuber, der auch im Audi-KI-Netzwerk «Beyond» zum Austausch aktiv ist.

Ohne KI keine Automatisierung

Denn noch wenden heutige teilautonome Systeme zwar simple Wenn-dann-Muster an. Doch eines Tages, im vollautonomen Stadtverkehr, wird dessen Komplexität nunmehr per KI zu bewältigen sein. Auch KI-Systeme werden Fehler machen – aber weniger als die menschlichen Fahrer, die Unfallursache Nummer eins. Der Luftverkehr ist schliesslich dank Autopilot so sicher – und im Gegensatz zum Mensch sind Sensoren nie abgelenkt.

 

Fünf Stufen der Automation

Doch ist der Weg noch lang. Ein Blick auf den aktuellen Stand des autonomen, oder, wie Entwickler sagen, automatisierten Fahrens (da erst die höchste Automationsstufe wirklich autonom ist): Unterschieden werden Stufe null (nur Fahrer) und fünf Level. Level-1-Systeme (assistiert) sind etwa der seit 1999 verbreitete Radartempomat. Level-2 (teilautomatisiert) gibt es seit 2013 (erstmals bei Mercedes). Sie fahren in spezifischen Situationen selbst, doch darf das Lenkrad nur kurz (in der Schweiz gar nicht) losgelassen und das System muss vom Fahrer stets überwacht werden. Level 3 (hochautomatisiert) wird wegen erst zu ändernder Gesetze und Zulassungstests verzögert starten, steht aber im Prinzip erstmals zum Jahresende im neuen Audi A8 parat. Hier darf bis 60 km/h auf Autobahnen erstmals das Lenkrad losgelassen werden – und der Fahrer kann entspannen oder zum Beispiel e-mailen, weil er nicht überwachen muss. Etwa 2020 wird Level 4 (vollautomatisiert, Auto fährt z.B. Autobahn selbst), frühestens 2030 Level 5 (autonom, Fahrer unnötig) kommen.

Die Zukunft ist elektrifiziert

Es dauert also noch – aber letztlich ist die Diskussion bei allen offenen Fragen ebenso obsolet wie beim elektrischen Fahren. Bei beidem ist für Autohersteller, aber auch für Google und Co. und die Institutionen längst klar, dass es kommt. Und war bei E-Autos einst Tesla vorgeprescht, kommen die traditionell besonders innovationsstarken Teutonen zwar später, aber voraussichtlich gewaltig. Zwei Beispiele: Opel hat mit dem Ampera-e zu bürgerlichen Preisen mit den Reichweiten von Tesla nachgezogen, und Mitte 2018 startet etwa der vollelektrische Audi-SUV E-Tron. Nischenprodukt? Kaum: Wie enorm das Interesse ist, zeigt sich schon daran, dass Audi Schweiz sogar bereits eine Reservation anbietet.


Der neue Audi E-Tron