Führt tatsächlich kein Weg mehr am E-Auto vorbei - oder lässt sich fast emissionsfrei fahren trotz Verbrennungsmotors? Synthetische Treibstoffe, sogenannte E-Fuels, sollen genau das hinbekommen und den Autobauern so Zeit verschaffen. Doch die Sache hat einen Haken.

Ein Wunder würde natürlich alles leichter machen. Der mühsame Weg zum Elektroauto, die teure Entwicklung von Batterien mit grösserer Reichweite, skeptische Kunden, denen das E-Mobil bisher zu teuer ist - den Autobauern dürfte eine Technologie willkommen sein, die helfen könnte, die Zeit bis zum Durchbruch zu überbrücken. Ganz in ihrem Sinn wäre der «Wunder-Diesel», ein synthetischer Treibstoff, der bei der Verbrennung nicht mehr CO2 ausstösst, als bei seiner Produktion verbraucht wurde.

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«Faszinierende Perspektiven»

Spätestens seitdem die Grünen über ein Aus des Verbrennungsmotors ab 2030 orakeln, wird ein solches Wunder von der Branche wohl insgeheim herbeigesehnt. Über «faszinierende Perspektiven» jubelte jüngst der Cheflobbyist der deutschen Autobranche, Matthias Wissmann.

Aber das Ganze dürfte noch etwas auf sich warten lassen. Audi-Experte Hermann Pengg beispielsweise geht davon aus, dass aus erneuerbaren Stromquellen produzierter E-Diesel in den kommenden fünf bis zehn Jahren bei den Herstellungskosten noch immer mehr als doppelt so teuer sein dürfte wie herkömmlicher Diesel.

Dennoch nehmen die Hersteller - und Zulieferer - die synthetischen Treibstoffe ernst. Und sie forschen mit aller Macht. Volkswagen sieht das Potenzial, solche Technologien in grossem Massstab umzusetzen, als durchaus realistisch an, wie Sprecher Peter Weisheit erklärt.

Treibstoff aus erneuerbarer Energie

Was sind eigentlich E-Fuels? Dabei geht es um künstliche Treibstoffe, die idealerweise aus erneuerbarem Strom hergestellt sein sollten, erklärt Stefan Pischinger vom Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschinen an der RWTH Aachen. Die Rede ist von der «Power-to-Gas»- oder «Power-to-Fuels»-Methode.

Das bedeutet: Per Elektrolyse wird aus Wasser und erneuerbarem Strom zunächst Wasserstoff erzeugt. In Verbindung mit CO2 kann dann Methan hergestellt werden - das wie Erdgas als Treibstoff dient. Auch Flüssigtreibstoffe wie synthetisches Benzin oder Diesel sind denkbar. Oder, beliebt bei Forschern, sogenannte Oxymethylenether (OME).

Herkömmlichen Diesel beigemischt

In einem ersten Schritt könnten E-Fuels herkömmlichem Diesel beigemischt werden, sagt Pischinger. Der Vorteil: Auch bei Autos, die schon auf der Strasse sind, sinke auf diese Weise der Ausstoss des klimaschädlichen CO2 - und das, ohne an Autos oder Tankstellen etwas zu verändern. Vorausgesetzt, der benötigte Strom stammt aus erneuerbaren Quellen und der notwendige Kohlenstoff aus Biomasse oder Kohlendioxid aus der Luft.

Autoexperten sind skeptisch. Auch die Brennstoffzelle sei ein «ewiges Zukunftsmodell», kritisiert Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. Ausserdem sei das Verfahren teuer - und: «China als grösster Markt der Welt wird es nicht nehmen.» Denn dort setze man mittlerweile voll auf die Elektromobilität.

Ablenkungsmanöver

Dudenhöffer spricht von einem Ablenkungsmanöver, das die Lage beim Stickoxid-Ausstoss nicht verbessere - und einem Versuch, Zeit zu gewinnen: «Das wird es bei uns langfristig genauso wenig geben wie die Brennstoffzelle.» Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft in Geislingen sieht die Hersteller gut beraten, nur wenige Optionen zur Reife zu bringen - und sich dabei auf E-Autos zu konzentrieren.

Doch der Aachener Wissenschaftler widerspricht. Pischinger erklärt, mit OME sei eine völlig russfreie Verbrennung möglich, damit könnten die Abgasrückführungsraten von Dieseln gesteigert werden, die Emission von Stickoxiden lasse sich reduzieren.

Autobauer sehen realistische Zukunftsvision

Wegen der vollständigeren Verbrennung von synthetischen Treibstoffen könne der Wirkungsgrad gesteigert werden: Neue Brennverfahren sollten ermöglichen, dass der Verbrennungsmotor hier Werte von über 50 Prozent erreicht. Für die Autobauer könnten die synthetischen Treibstoffe also die Lösung sein, um bis zum Durchbruch der E-Mobilität und bei sinkendem Dieselanteil an den Autoverkäufen trotzdem die künftig strengeren CO2-Grenzwerte einzuhalten.

Nach den Worten von Audi-Mann Pengg liegt das CO2-Emissionsniveau um etwa 80 Prozent unter dem herkömmlicher Treibstoffe. «Erste Messungen legen nahe, dass der Kraftstoff auch bei NOx-Emissionen besser als herkömmlicher Diesel ist», sagt er. Volkswagen sieht in E-Gas und E-Fuels «erhebliches Potenzial», wie ein Sprecher sagt. Ohnehin will Europas grösster Autobauer gasgetriebene Fahrzeuge voranbringen.

Audi gibt Gas

Audi sieht sich bereits im industriellen Massstab unterwegs - die VW-Tochter betreibt im niedersächsischen Werlte eine sogenannte Power-To-Gas-Anlage. Mit deren Produktion sollen rund 1500 Autos klimaneutral fahren können.

Realistische Zukunftsversion oder doch alles nur ein Hype? Es wäre nicht das erste Mal. Schon vor einigen Jahren brandete die Diskussion über die Beimischung von aus Pflanzen oder Pflanzenresten gewonnenem Biosprit hoch. Doch die Methode setzte sich nicht durch, der Kunde war dagegen. Alles nur ein Hype - damals.

(sda/cfr/me)