Andere grillierten oder demonstrierten. Tamara Gasser ging am 1. Mai virtuell auf die Barrikaden: «Mit einer Kollegin habe ich den Tag der Arbeit genutzt, um etwas Produktives zu lancieren, das uns sehr am Herzen liegt», sagt die Bernerin. Gassers Mission: Per Online-Petition einen Entscheid der Migros umstürzen.
 
Als der orange Riese Ende April bekanntgab, die zwei «Drive»-Pilotstandorte des Migros-Onlinehändlers LeShop in Studen bei Biel und Staufen bei Lenzburg zu schliessen, war die 26-jährige Projektleiterin einer Bieler Online-Agentur «schockiert und traurig – auch weil die Schliessung für mich aus heiterem Himmel kam.» Seit 2013 war Gasser Kundin des Abholservices. Und trauert dem Dienst schon heute nach: «Es war superpraktisch, auf der Heimfahrt alles Bestellte abzuholen– zur gewünschten Zeit, ohne Gebühren und ohne Parkplatzstress.»

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PickMup-Stationen: «kein guter Ersatz»

Per Online-Petition will Gasser die LeShop-Mutter Migros umstimmen. Immerhin über 750 Unterstützerinnen und Unterstützer hatte sie nach zwei Tagen zusammen.

LeShop-Chef Dominique Locher findet die Petition «eine rührende Sache», die er mit einem lachenden und einem weinenden Auge sieht: «Weinend, weil der Entscheid gefällt und endgültig ist.» Lachend, weil die «wertvollen Drive-Erkenntnisse und Insights weit über die Einzugsgebiete der beiden Drives hinaus nun schweizweit in knapp 100 PickMup-Stationen weiterleben.» Tamara Gasser mag nicht mitlachen: «Die Bestellung braucht mehr Vorlauf, ich muss einen Parkplatz suchen – das ist kein guter Ersatz.»
 
Wenn die beiden Drives am Samstag, 6. Mai, endgültig eingestellt werden, wird LeShop-Chef Locher in Staufen vor Ort sein und die Schliessung persönlich vornehmen: «Wenn ich etwas aufmachen kann, dann muss ich es auch konsequent und persönlich zumachen können – dies kann und darf man nicht delegieren.» Jeder Kunde werde am letzten Tag ein kleines Dankeschön erhalten.

Ein letztes Mal in Studen Bestellungen abholen

Tamara Gasser wird bis dahin weiter Online-Support sammeln – und am 6. Mai ebenfalls beim Drive vorfahren. Um «ein letztes Mal in Studen meine Bestellungen abholen.» Man hätte, sagt Gasser, diesem zukunftsweisenden Konzept mehr Zeit geben müssen.» Immerhin wisse sie aus der eigenen Familie, dass Innovationen manchmal nicht von heute auf morgen akzeptiert werden: «Meine Mutter brauchte auch eine Zeit lang, bis sie das Smartphone verstand. Jetzt will sie es nicht mehr hergeben.» Gassers Wille jedenfalls ist ungebrochen: «Drive darf nicht sterben!»

Andreas Güntert
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