Hans-Kristian Hoejsgaard kommt ins Schwärmen: «Es wäre ein Traum, wieder eine kubanische Davidoff einzuführen.» Der 58-jährige Däne führt seit sechs Jahren die Geschäfte von Oettinger Davidoff in Basel. «Das könnte die dritte Säule in unserem Portfolio darstellen.» Er würde die bisherige Produktpalette beibehalten und die Havannas als weiteres Terroir ins Sortiment aufnehmen. Hoejsgaard ist guter Dinge, dass die aufsehenerregende Verbrennungsaktion von Zino Davidoff 1989 kein böses Blut in Havanna hinterlassen hat: «Von unseren Ansprechpartnern in Kuba ist nur noch einer dabei, der das damals erlebt hat.»

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Rückblende: Die Luft über Basel duftete im August 1989 plötzlich ganz intensiv nach Zigarre. 131’000 Havanna-Zigarren liess Zino Davidoff, damals schon 83 Jahre alt, in der örtlichen Müllverbrennungsanlage in Flammen aufgehen. Dieser Scheiterhaufen im Wert von einer knappen halben Million Franken war für Zino Davidoff ein innerer Vorbeimarsch: «Wir mussten es tun, die Kubaner liessen uns keine Wahl.» Nicht nur der Tabak ging in Rauch auf, geschehen war es auch um die jahrzehntealte Partnerschaft von Davidoff mit der staatlichen kubanischen Tabakfirma Cubatabaco.

Die beste Zigarre weltweit

Damals stand der Name Davidoff noch für eine dicke, fette Havanna – schlichtweg die beste Zigarre weltweit. Sechzig Jahre lang importierte der Einwanderer aus Russland Zigarren aus Havanna über die Schweiz in den Rest der Welt – auch Fidel Castros Revolution änderte nichts daran. Doch dann, Anfang der 1980er Jahre, wurde Davidoff unzufrieden mit den Lieferungen aus dem tropischen Inselstaat – die Zigarren waren viel härter gerollt, die Tabakblätter zeigten nicht mehr dieselbe Perfektion: «Der Genuss war hin und der Hals kratzte», beschwerte sich Davidoff. Kuba hatte die Zigarrenausfuhr mit neuen Feldern, neuen Pflanzen und neuen Zigarrenrollern erhöht – dabei war die Qualität unter die Räder gekommen.

Mit der Öffnung der USA gegenüber Kuba kommt jetzt Hoffnung auf bei Oettinger Davidoff. Eine Rückkehr des Klassikers und Kronjuwels erscheint in Reichweite. Für das Schweizer Unternehmen wäre das nicht nur ein Umsatz- und Prestigegewinn – Experten erwarten einen wahren Zigarrenboom in den USA, wenn Havannas dort wieder verkauft werden.

Umsatz auf 595 Millionen Franken gesunken

Der könnte Oettinger Davidoff gut tun. Durch den Verkauf der Contadis AG hat die Firma im vergangenen Jahr nahezu die Hälfte seines Umsatzes verloren, wie das Unternehmen am Donnerstag meldete. Hatte Oettinger Davidoff 2015 noch einen Umsatz von 1,2 Milliarden Franken erzielt, waren es 2016 nur noch 595 Millionen Franken. Wird Contadis ausgeklammert, ergibt sich ein Plus von 8,2 Prozent, wie Konzernchef Hoejsgaard vor den Medien sagte.

Im Kerngeschäft mit Premium-Zigarren steht ebenfalls eine Zunahme. Man habe die weltweit führende Stellung weiter ausbauen und Markteinteile hinzugewinnen können, sagte der Chef des Familienunternehmens, das seine Gewinnzahlen unter Verschluss hält. Die Fokussierung auf edle Zigarren verheisse indes höhere Margen als bisher.

Zigarren aus der Dominikanischen Republik

Bisher stellt das Unternehmen seine Zigarren in der Dominikanischen Republik, in Honduras und in Nicaragua her, wo über 1900 der insgesamt 3600 Angestellten tätig sind. Knapp 500 Mitarbeitende stehen in der Schweiz auf der Lohnliste des Konzerns, der im September einen neuen Hauptsitz beziehen wird. Und jetzt rückt eben auch Kuba wieder ins Blickfeld.

Für den Rest der Welt könnte das allerdings Knappheit bedeuten – weil Kuba genau wie damals gar nicht so viel guten Tabak produzieren kann. Doch vielleicht freuen sich auch alle zu früh: Aus Washington heisst es, dass die Trump-Regierung die Öffnung der USA gegenüber Kuba wieder abwürgen könnte.

600 Franken pro Zigarre

Liebhaber hoffen auf das Gegenteil, sie vermissen den einzigartigen, kräftigen Geschmack des kubanischen Tabaks. Wie beim Wein sind dafür nicht nur die Pflanzen, sondern auch die Bodenbeschaffenheit und das Mikroklima des Terroirs entscheidend. 2013 brachte Davidoff eigens eine Zigarre aus nicaraguanischem Tabak heraus, die dem kubanischen Geschmack recht nahe kommen soll: «Unser grösster Erfolg seit dem Verlassen von Kuba», sagt Hoejsgaard. Kein Wunder: Die Tabakbauern in Nicaragua stammen meist aus Kuba und brachten die Anbaumethoden und den Riecher für den richtigen Boden mit.

Nichtsdestotrotz: Davidoff-Havannas werden sehnsüchtig vermisst. Ihr Ruhm ist in den gut zwanzig Jahren, seit sie nicht mehr produziert werden, eher noch gewachsen. Auf seltenen Auktionen wird hin und wieder immer noch das eine oder andere Kistchen mit den Original-Kuba-Davidoffs von früher versteigert.

Zuletzt erreichte eine Kiste mit zwanzig Zigarren in London den stolzen Preis von umgerechnet 5000 Franken. Oft werden Preise von 600 Franken pro Zigarre erzielt – mehr als das Zehnfache neuer kubanischer Zigarren der staatseigenen Premium-Marke Cohiba. Die teuerste Davidoff derzeit, eine Davidoff Oro Blanco aus dem Jahr 2002, eine ganz besonders gelungene Ernte aus einem spezifischen Tal in der Dominikanischen Republik, ist für 500 Franken zu haben.

Qualitätskontrolle direkt in Kuba

Einen klaren Zeitplan zur nächsten Davidoff-Havanna sieht Hoejsgaard noch nicht. Zum einen müsste er auf eine Qualitätskontrolle durch Davidoff-Mitarbeiter direkt in Kuba bestehen – so wie er sie in der Dominikanischen Republik durchführt. Dann müsste Kuba auch genügend Tabak produzieren. Die letzten drei Jahre litt Kuba unter schlechten Ernten.

Inzwischen kommen nur 90 bis 100 Millionen Zigarren jährlich aus Kuba, gegenüber 300 Millionen aus der Dominikanischen Republik. Dann ist fraglich, ob die Kubaner ebenso leichtfertig wie Hoejsgaard über den Vorfall in der Müllverbrennungsanlage von damals hinweggehen würden: «Das sind sehr stolze Leute. Für die zählt Loyalität mehr als alles andere», sagt ein Insider im Zigarrengeschäft.

Vor allem aber müssten die USA die Havanna-Zigarren wieder offiziell erlauben. Seit dem Höhepunkt des Kalten Krieges 1962 ist die Einfuhr von kubanischen Zigarren verboten. «Ohne die USA als Markt würde sich der Aufwand nicht lohnen«, sagt Hoejsgaard. Amerika ist der grösste Zigarrenmarkt der Welt – hier werden zwei Drittel aller Zigarren weltweit verkauft. Im vergangenen Jahr waren das immerhin 300 Millionen «Puros», die besten handgerollten Premium-Zigarren.

Einnahmen durch Zigarren steigen

Die Zigarre erfreut sich wachsender Beliebtheit – der Umsatz mit Luxuszigarren in den USA geht jährlich um 1 bis 2 Prozent nach oben, während Tabakwaren insgesamt im Umsatz zurückgehen. «Wir haben mit Herzklopfen verfolgt, wie die amerikanische Botschaft in Havanna wiedereröffnet wurde», erzählt Hoejsgaard. Ab 2015 durften amerikanische Reisende Zigarren und Rum im Wert von 100 Dollar aus Kuba im Gepäck mit nach Hause bringen. Seit Ende 2016 ist die Menge von Tabak und Alkohol sogar unbegrenzt.

«Würden kubanische Zigarren in den USA frei verkäuflich, löste das einen wahren Zigarrenboom aus», ist sich Rene Castaneda, der von Miami aus das US-Geschäft für den Schweizer Zigarrenkonzern Villiger verantwortet, sicher. Menschen, die noch nie eine Zigarre ausprobiert haben, würden aus Neugier angezogen.

Kehrseite der Medaille: «Das würde zu Knappheit in Europa und China führen», glaubt er. Villiger ist Generalimporteur für kubanische Zigarrenmarken in der Schweiz, in Deutschland und Russland, führt aber auch Villiger-Zigarren in den USA ein. Die Rechte für den Import von kubanischen Zigarren in die USA liegen bei Tabacalera, einer Tochter der britischen Imperial Tobacco, der seit 17 Jahren 50 Prozent der offiziellen kubanischen Zigarrenexportfirma Corporación Habanos gehören.

Halblegaler Handel mit Kuba-Zigarren

«Die USA lassen jetzt schon einen halblegalen Markt mit Kuba-Zigarren zu», beobachtet Castaneda. Die amerikanischen Touristen müssten nicht einmal selbst nach Kuba reisen – stattdessen kaufen sie die Havannas bei jeder Auslandreise in Duty-Free-Geschäften. Klar, dass sie dabei auch Freunden welche mitbringen – schnell verwischt sich die Linie zwischen Gefallen und Schwarzmarkt. Schon diese höhere halblegitime Nachfrage kann zu einem Preisschub bei Havanna-Zigarren weltweit führen. Zugleich bedeutet das fallende Umsätze für Zigarren nichtkubanischer Herkunft: Den direktesten Druck würden Premium-Zigarren wie die Davidoffs aus der Dominikanischen Republik spüren.

Allerdings legen die amerikanischen Behörden den Tabakkonzernen einen grossen Stein in den Weg. Neuerdings fallen Tabakprodukte unter die Aufsicht der US-Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde FDA. Die will nur Produkte, die schon vor dem 15. Februar 2007 in den USA erhältlich waren, automatisch zulassen. Neuere Produkte müssen in einem kostspieligen, an die zwei Jahre dauernden Prozess zugelassen werden – eine enorme Markteintrittsbarriere.

Vage Hoffnung auf Trump

Die Zigarrenlobby beobachtet die Präsidentschaft von Donald Trump deshalb mit gemischten Gefühlen. Noch ist unklar, ob er die Öffnung gegenüber Kuba weiter vorantreiben wird – oder gar zurückfahren. Trump ist kein Zigarrenraucher, seine Söhne Donald Jr. und Eric aber sind Aficionados.

Die Tabaklobby hatte vor allem auf den ehemaligen New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani gesetzt, einen Zigarren-Fan, der in Florida für Trump die Werbetrommel gerührt hatte, dann aber kein Amt in der Regierung erhielt. Laut Quellen im US-Kongress plant Trump, in den kommenden Wochen per Dekret das Handelsembargo wieder zu verschärfen und Reisen auf die Tropeninsel für US-Bürger erneut zu erschweren. Dabei gilt Trump eigentlich als Deregulator – zurzeit arbeitet die US-Zigarrenlobby daran, dass ihr Produkt von den auf Zigaretten gemünzten FDA-Regeln ausgenommen wird.

«Ich bin zuversichtlich, dass Davidoff nach Kuba zurückkehrt. Auch wenn nicht klar ist, ob das in drei, fünf oder zehn Jahren passieren wird», sagt Hoejsgaard. Für ihn persönlich wäre die Wiedergeburt der Davidoff-Havanna die Schliessung eines Kreises. Denn in seiner Kindheit waren seine Eltern – und vor ihnen die Grosseltern – Grosshändler für Davidoff-Zigarren in Dänemark; damals galten die Davidoff-Habanos bei ihm zu Hause als das Maximum. Diese wieder ins Davidoff-Imperium zurückzubringen, würde seiner Karriere die Krone aufsetzen.

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