Die Nachricht, dass Börsenbetreiberin SIX Group einen Teil der Kreditkartenfirma Aduno kaufe, sorgt in der Finanzbranche für Aufregung. «Für den Handel, speziell die KMU, ist das ein grosser Frust», sagt Niklaus Santschi von SIX-Konkurrentin B+S Card Service. Und Bernhard Lachenmeier vom Payment-Unternehmen CCV kommentiert: «Die marktmächtige SIX kauft sich den Markt zusammen.»

Der Grund für den Aufruhr: SIX übernimmt von Aduno das Acquiring-Geschäft, also die Abwicklung von Kartenzahlungen in Läden. So kann sie ihren Marktanteil in der Schweiz auf geschätzte 75 bis 85 Prozent ausweiten. Fast alleine diktiert sie nun Gebühren, welche die Händler – und indirekt die Konsumenten – für Kartentransaktionen zahlen müssen.

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Präferenz für Schweizer Käufer

Die SIX trat als weisser Ritter auf. Eigentlich wollte die deutsche Concardis zukaufen, womit sie in der Schweiz zur Nummer zwei geworden wäre. Doch die Umworbene suchte eine inländische Lösung und wurde bei der SIX fündig. 180 Millionen Franken habe diese geboten. Aus dem Umfeld von Concardis ist zu hören, dass spätere, bessere Offerten gar nicht beachtet worden seien. Es war ein Deal unter Freunden: Banken wie Raiffeisen, Zürcher und Waadtländer Kantonalbank sind Aktionäre sowohl von Aduno als auch von SIX.

Die SIX Group wurde bereits 2010 von der Wettbewerbskommission (Weko) als marktbeherrschend bezeichnet. Dennoch sei die Übernahme kein Problem, sagt SIX-Sprecher Jürg Schneider. «Der Verkauf war nicht meldepflichtig.» Die Wettbewerbskommission verweist darauf, dass Marktmacht erst dann eine Untersuchung auslöse, wenn sie missbraucht werde.

Bollwerk gegen Eindringlinge

Genau das unterstellen Konkurrenten der SIX. Im Frühling zeigte Lachenmeiers CCV den Platzhirsch bei der Weko an. Die SIX biete Kartenterminals zu Dumpingpreisen an, um Kunden in langfristigen Verträgen zu binden, lautete der Verdacht gemäss den Unterlagen, die der «Handelszeitung» vorliegen. Damit würden Konkurrenten aus dem Markt verdrängt. Die Weko hat die Vorabklärungen jedoch eingestellt. Eine missbräuchliche Verhaltensweise sei «nicht glaubhaft», schreibt sie, weshalb man auf die Eröffnung eines Verfahrens verzichte. Lachenmeier versteht das nicht. «Wir sind enttäuscht, dass die Weko das nicht mal untersuchen will.»

Die SIX ist das Bollwerk der Schweizer Banken gegen Eindringlinge. Das Kartengeschäft ist nur ein Beispiel. Die SIX betreibt auch die Schweizer Börse und den Zahlungsverkehr der Banken. Und mit der App Twint kämpft sie gegen Bezahl-Apps von Apple und Samsung an – unterstützt von den grossen Schweizer Banken, die Apple und Samsung boykottieren.

Die Konkurrenten kommen von aussen

Die Banken könnten mit dieser Defensivstrategie jedoch den Anschluss verlieren, warnt Santschi, der einst bei SIX tätig war. «Plötzlich stehen sie im Abseits – und suchen dann verzweifelt nach Lösungen.» Denn die Musik spielt längst ausserhalb des traditionellen Kreditkartenmarkts und seiner teuren Strukturen.

Einer der Akteure ist der chinesische Händler Alibaba. Er hat die Kundenkonten seines Online-Shops zu einem Zahlungsmittel ausgebaut: Alipay. Damit – in Form einer Handy-App – können die Kunden auch in Läden bezahlen. Mittlerweile sogar in Europa. Ähnliche Ambitionen hat Amazon, das sein Amazon Pay anderen Online-Shops als Zahlungsmittel anbietet.

EU zwingt Banken zum Teilen

Auch die chinesische Chat-App Wechat macht den Banken Konkurrenz. Ihre User können sich nicht nur Kleinbeiträge überweisen, sondern mit der App auch in Läden bezahlen. Wechat Pay ist ein Erfolg: Von den 800 Millionen Wechat-Kunden nutzen fast alle die Bezahlfunktion.

Diesen Erfolg will das zu Facebook gehörende Whatsapp kopieren, wie vergangene Woche bekannt wurde. Mit Whatsapp Payment sollen Sofortüberweisungen innerhalb der Chat-App möglich werden. Der Impact wäre riesig: 1,3 Milliarden Kunden weltweit nutzen Whatsapp – darunter zwei Drittel aller Schweizer, wie aus der «Social Media Studie 2017» hervorgeht. Für die Banken wäre Whatsapp-Pay der Killer, sagt Lachenmeier. «Dann springen die Kunden bei Twint ab.»

Weiteres Ungemach kommt aus Brüssel: Mit der Payment-Verordnung PSD2 der Europäischen Union werden die Banken gezwungen, technische Schnittstellen im Zahlungsverkehr Drittanbietern zu öffnen. «Das wird ein Katalysator für Innovation», so B+S-Chef Santschi. Firmen können dann eigene Bezahl-Apps lancieren und diese mit den Bankkonten der Kunden koppeln. Auch gegen den Willen der jeweiligen Banken. Die im Handel fälligen Gebühren für Kartenzahlungen dürften unter Druck kommen. Schweizer Banken können sich vorerst noch gegen die EU-Regeln wehren. Mittelfristig werden sie sich aber wohl anpassen müssen.

Die Banken verkaufen das Geschäft

Europaweit ziehen sich die Banken denn auch aus der Abwicklung von Kartenzahlungen zurück. SIX-Konkurrentin Concardis gehörte noch vor kurzem deutschen Banken, bevor die Investoren Bain Capital und Advent die Firma übernahmen. Die schweizerische Aduno hätte ihr nächstes Übernahmeobjekt sein sollen. Auch aus dem Kreditkarten-Unternehmen Visa haben sich die europäischen Banken 2016 zurückgezogen. So spekuliert die Finanz-Schweiz bereits darüber, wie nachhaltig das Investment der SIX ist. «Die schmücken bereits die Braut», sagt ein Brancheninsider. «Wenn man wirklich expandieren will, kauft man nicht zu Hause ein, sondern im Ausland.»