Die grossen Tanker der Stromwirtschaft haben Schlagseite bekommen. Die Erlöse decken die Produktionskosten längst nicht mehr. Die tiefen Grosshandelspreise sowie die Altlasten aus Beteiligungen und Fehleinschätzungen führen zu massiven Abschreibungen und neuen Schulden. Der Ruf nach staatlicher Unterstützung wird auch bei Grossunternehmen und ihrer Lobby lauter. Alpiq, Axpo, BKW und Co. suchen ihr Heil zunehmend in subventionierten und in neuen, artverwandten Bereichen. Und zimmern am künftigen Image. Es lautet «too big to fail».

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Keine Katerstimmung herrscht hingegen bei den Stadtwerken. Im Gegensatz zu den Überland- oder Kantonswerken sprudeln bei ihnen weiterhin die Gewinne. Das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) lieferte 65,3 Millionen Franken (2014) an die Stadtkasse ab, die Industriellen Werke Basel (IWB) im selben Jahr 30,7 Millionen, in diesem Frühjahr die Energie Wasser Bern (EWB) 22,5 Millionen Franken – und die Sankt Galler Stadtwerke noch immer 12 Millionen Franken. Trotz Sonderabschreibungen aus dem missglückten Geothermie-Versuch.

Direkte Endkunden

Der Grund für den kommerziellen Erfolg der meisten Kommunalwerke: Sie können anders kalkulieren, weil sie direkte Endkunden haben. Das führt zu vernünftigen Margen – auch in angespannten Zeiten. Unter der schützenden Hand ihrer staatlichen Besitzer festigen sie ihre lokalen Energie-Monopole und gründen für ihre Markt- und Handelsaktivitäten reihenweise eigene Aktiengesellschaften für Beteiligungen und den Zugang zu Handelsplattformen im In- und Ausland.

Dass sie sich zuweilen den parlamentarischen Kontrollen entziehen, hat einen Grund: Die Geschwindigkeit. «Heute wird abgedrückt», bestätigt ein Stromhändler. «Waren es früher 24 Stunden, dann sind es jetzt noch 30 Minuten.» Das ist zwar erfindungsreich und zuweilen gar «tricky», aber rechtlich nicht immer lupenrein.

Aktiengesellschaften im Ausland

Fast alle grösseren Stadtwerke führen im In- und Ausland inzwischen mehrere Dutzend eigene Aktiengesellschaften. Die Grenzüberschreitungen sind dabei nicht nur geografisch: Der St. Galler Rechtsprofessor Roland Müller warnt in einem soeben publizierten Rechtsgutachten davor, die rechtlichen Grundlagen für Investitionen und Beteiligungen leichtfertig auszuhebeln.

Gelder für Investitionen in Beteiligungen und Anlagen dürften nicht in jedem Fall aus den Erträgen aus der gesetzlichen Versorgungstätigkeit stammen – es sei denn, sie sind durch die politisch legitimierte Eigentümerstrategie gedeckt. In der Tat könnte solches zu Diskussionen führen. Besonders dann, wenn beispielsweise die Basler IWB ihre IWB Renewable Power AG im Geschäftsbericht als «Investitionsgefäss» bezeichnet.

Schlüsselrolle von Swisspower

Doch solche Haarspalterei stört die Stadtwerke kaum. In den tiefen 1980er-Jahren amteten sie zwar noch als spröde Energieverteiler, die sich bestenfalls in ihrer Dauerfehde mit den grossen Überlandwerken einig waren. Diese diktierten die Preise und die Politik und genossen ihren Status als Monopolisten unter den Fittichen ihrer Besitzerkantone. Regelmässig überstimmten sie in ihren Zirkeln und Branchenverbänden die grösseren Stadtwerke – etwa Basel, Zürich und Bern.

Darüber zunehmend verstimmt, gründeten die Stadtwerke eine eigene Interessengemeinschaft, zunächst als Swiss City Power – die heutige Swisspower. Aus der Selbsthilfeorganisation ist längst eine modern strukturierte und hart am Markt operierende Firmengruppe entstanden, die derzeit mehr als eine Million Kunden mit Gas, Strom, Fernwärme, Trinkwasser und weiteren Dienstleistungen beliefert, damit über 4 Milliarden Franken Umsatz erzielt und knapp 6000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den zwei Dutzend am Aktienkapital beteiligten Werken repräsentiert. Über Swisspower und ihre Profitcenters haben diese auch Zugang zu den internationalen Handelsplattformen, versorgen landesweit Bündelkunden oder beliefern sich untereinander mit Strom.

Basel als Speerspitze der Wende

Zu Swisspower gehören auch die Basler IWB – mit einem Umsatz von knapp 600 Millionen Franken (2014) noch heute unter den Top drei der Schweizer Stromversorger. Von Basel aus wurde auch der Umbau der behäbigen Schweizer Stromwirtschaft in Richtung Energiewende angestossen – und dies bereits vor 30 Jahren: Der Dauerprotest des scharfzüngigen Atomgegners Rudolf Rechsteiner führte Ende der 1980er-Jahre zum ersten IWB-Gesetz samt Stromsparfonds und zum Auftrag für den Atomausstieg.

Seit Jahren sitzt der Ex-Nationalrat im siebenköpfigen Verwaltungsrat der IWB und treibt Innovationen voran: Die erste landesweite Solardach-Aktion, den Bau eines Holzkraftwerks oder das vor zehn Jahren nach einem Mini-Erdbeben ad acta gelegte Geothermie-Projekt vor den Toren Basels. Längst nehmen die IWB – auch im Interesse der Swisspower-Partner – am internationalen Stromhandel teil und halten Beteiligungen an Anlagen im In- und Ausland – vom Windpark Juvent bis zum solarthermischen Kraftwerk in Südspanien, an Windparks in Frankreich und Deutschland sowie traditionell an rund einem Dutzend Wasserkraftwerken in den Schweizer Alpen.

Klassenprimus EWZ

Klassenprimus punkto Grösse ist das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ). Es verteilte 2014 mehr als 5,5 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom und setzte davon knapp 4 Milliarden kWh an seine über 220 000 Kunden ab. Allein der Stromumsatz betrug im Berichtsjahr knapp 800 Millionen Franken. Mehr als die Hälfte des Stroms erzeugt das EWZ in den eigenen sowie den beteiligten Wasserkraftwerken. Besonders bemerkenswert ist dabei die Rolle des EWZ als Stromhändler im In- und Ausland. Im Jahr 2014 flossen mehr als 2,2 Milliarden kWh in den Handel im In- und Ausland.

Neben dem «business as usual» nimmt das Stadtwerk eine klare Energiewende-Position ein. Es verpflichtet sich für eine nachhaltige Versorgung, hat sich früh für eine Absage an die Kernenergie entschieden und verpflichtet sich auf die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft. Bis 2020 will das EWZ die Erzeugung aus neuen erneuerbaren Energien um 40 Prozent gegenüber 2013 steigern.

Belebter Versorgungsmarkt

Die Stadtwerke haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten das Vakuum zwischen den Überlandwerken und den Kantonswerken geschickt genutzt. Das gewachsene Einvernehmen zwischen der Politik und den Energieversorgern hat den Versorgungsmarkt belebt. Gut möglich, dass die Städte sich an der Lösung der Probleme von Alpiq, Axpo und Co. beteiligen. Phantasie dafür ist vorhanden. Und das Geld ebenfalls.