Einst waren Ferien in unserem südlichen Nachbarland keine richtigen Ferien, wenn man nicht mindestens einmal in einer Stehbar einen Cinzano, einen Cynar oder einen Martini bianco auf Eis getrunken hatte. Heutige Italienfahrer kennen diese Wermut-Klassiker kaum noch. Eine Marke allerdings hat nie an Strahlkraft eingebüsst: Campari.

Vortrefflich gedeiht auch die Herstellerfirma Gruppo Campari aus Mailand; über die letzte Dekade hat sich ihr Umsatz auf 1,7 Milliarden Euro mehr als verdoppelt, die Ebitda-Marge stellt sich auf gesunde 23 Prozent. Campari erweist sich dabei als veritabler Schluckspecht, übernahm mehrere Konkurrenten oder Teile davon. Heute ist das 1860 von Gaspare Campari gegründete Unternehmen in 190 Ländern mit über 50 Marken vertreten, darunter übrigens auch Cynar und Cinzano.

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Grand Marnier ist teures Übernahmeziel

Jetzt holen die Milanesi zu ihrem bislang grössten Schlag aus: Für 684 Millionen Euro wollen sie die französische Getränkefirma Société des Produits Marnier Lapostolle (SPML) mit deren Paradeprodukt Grand Marnier schlucken. Für Campari-CEO Bob Kunze-Concewitz (48), einen in Istanbul geborenen Österreicher, ist es die 15. Akquisition in Diensten der Gruppe, «und es wird nicht meine letzte sein». Sein jüngster Einkauf fällt freilich etwas gar teuer aus. Der Preis entspricht dem 22fachen des Ebitda von SPML; der hinzugekaufte Umsatz von gerade mal 152 Millionen Euro allerdings wird das Wachstum der Italiener nicht wirklich deutlich beschleunigen.

Dennoch hat die Mailänder Börse jubiliert und den Aktienkurs von Campari auf ein historisches Höchst geschossen. Nun sind die Valoren üppig bewertet, stellt sich doch das für dieses Jahr geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis auf 23,9. Die Dividendenrendite fällt mit 1,1 auch nicht gerade hochprozentig aus. Ich mag Campari – im Glas, nicht im Portfolio.

Ein pharmazeutischer Ertragsprotz ist das Beste

Die US-Biotechfirma Gilead Sciences gilt als Star der Branche. Das 1987 vom damals 29-jährigen Arzt Michael Riordan gegründete Unternehmen erzielte zur Jahrtausendwende nur einige hundert Millionen Dollar Umsatz. 2015 wurden Medikamente für 32,6 Milliarden Dollar verkauft. Noch beeindruckender ist die Ertragslage: Der Reingewinn von 18,1 Milliarden Dollar entspricht einer enormen Marge von 56 Prozent. Wachstumstreiber sind vor allem die erfolgreichen Hepatitis-Medikamente Sovaldi und Harvoni. Lange waren die Börsianer begeistert, der Kurs der auch in der Schweiz kotierten Aktien hat sich in fünf Jahren fast versechsfacht.

Seit letztem Sommer stehen die Valoren unter Druck, sie haben gegen 30 Prozent an Wert eingebüsst. Die von Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton entfachte Diskussion um zu hohe Medikamentenpreise zielt vor allem auf Gilead; eine Dreimonatstherapie mit Sovaldi kostete einst 84 000 Dollar – 1000 Dollar pro Pille. Inzwischen hat Konzernchef John Milligan (54) die Kritik entschärft, indem er die Preise zurücknahm und Entwicklungsländern Sonderkonditionen einräumte. Auch deshalb wurden die Umsatz- und die Ertragsprognose für dieses Jahr etwas zurückgenommen.

Dennoch bleibt die Firma ein Ertragsprotz, die Aktien sind mit einem geschätzten KGV von 7,2 stark unterbewertet. Was UBS-Analyst Matthew Roden zur Einschätzung bewog, dass Gilead das Beste unter den Biotechwerten repräsentiere.

Diversifiziert und doch ungewiss

Nur ist das Beste unter Biotechwerten dieser Tage oft nicht gut genug. Denn die Branche hat bei Anlegern einen zunehmend schweren Stand, der Geschäftsverlauf ist zyklisch geworden. Das bekommt auch BB Biotech zu spüren. Die auf Biotechnologie spezialisierte Beteiligungsgesellschaft musste wegen der Kurseinbrüche dieser Papiere für 2015 einen Gewinneinbruch um 56 Prozent melden.

Entsprechend verloren die Aktien deutlich an Boden; nach jahrelangen Kursgewinnen haben sie innerhalb der letzten 52 Wochen gut ein Viertel an Wert eingebüsst. Um die Anleger etwas zu versöhnen, zieht das Management alle Register: Ein weiteres Aktienrückkaufsprogramm ist angesagt, die Titel werden im Verhältnis eins zu fünf gesplittet und die Dividende erhöht.

Wer auf Biotechnologie setzt, muss Risikobereitschaft und einen langen Atem aufbringen. Nicht minder wichtig ist eine breite Diversifikation. Erreichen lässt sich das über Beteiligungsgesellschaften wie BB Biotech, die übrigens eine starke Position in Gilead aufgebaut hat. Was das laufende Jahr der Küsnachter Firma bringen wird, ist schwer vorherzusagen, eine Gewinnschätzung kaum machbar. Die Ungewissheit wird versüsst durch die attraktive Dividendenrendite von 6,1 Prozent.

Mondpreis beim Schoggiproduzenten

Der Aktiensplit von BB Biotech ist in meinen Augen nicht wirklich vordringlich, schliesslich kann ein Aktienkurs von 240 Franken kaum als zu schwer eingeschätzt werden.

Anderseits ist es absurd, wenn sich das Management des Schokoladenkonzerns Lindt & Sprüngli seit Jahr und Tag mit Händen und Füssen dagegen wehrt, die eigenen Aktien «leichter» zu machen, also zu splitten. Wobei ich unter «Management» im Zusammenhang mit Lindt & Sprüngli den Alleinherrscher Ernst Tanner, CEO und VR-Präsident in Personalunion, verstehe. Jüngst meinte er gegenüber Cash.ch: «Wir wollen die teuerste Aktie im Markt sein.»

Das hat Tanner längst erreicht: Für eine Namenaktie muss der Anleger gut 70 000 Franken hinblättern. Lindt-Schokolade gilt weltweit als Premiumprodukt, und das soll laut Tanner offenkundig auch für die Aktien gelten.

Ein Goldhase ist sein Geld eher wert

Wobei die Papiere sowieso unattraktiv sind. Beim Unternehmen aus Kilchberg brummt zwar seit langem das Geschäft, und auch die Aussichten sind rosig. Doch obwohl die Aktien seit Monaten an Boden verlieren, sind sie heillos überbewertet; das geschätzte KGV für dieses Jahr ist mit 39,4 schlicht vernunftswidrig, die Dividendenrendite mit 1,1 Prozent wenig verführerisch. Da kaufe ich mir lieber einen Goldhasen – da bekommt man einen fairen Gegenwert für sein Geld.

Seit mehr als zwei Dekaden dominiert Ernst Tanner Lindt & Sprüngli. Seine Qualitäten als Konzernchef sind unbestritten, die zur Schau getragene Selbstherrlichkeit aber ist nicht mehr zeitgemäss. Tanner wird im Sommer 70 Jahre alt; es ist Zeit, dass er seinen Königsthron räumt.

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