Fahrer von Automatikautos hatten es über Jahrzehnte schwer. Nicht nur, dass sie als Weichlinge gelten. Sie mussten für ihre Schaltfaulheit auch noch draufzahlen. Das begann beim kräftigen Aufschlag auf den Kaufpreis. Dann schluckt der teure Automat stets mehr Sprit als eine Karre mit Normalgetriebe – und war trotzdem lahmer. Am Ende verkaufte sich der Gebrauchte auch noch schlechter, da müde Spritfresser abschrecken.

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Ganz früher war es noch schlimmer. «Automatic» stand mit grossen Chrombuchstaben am Heck des Mercedes, auch «Automatique, in verschnörkeltem Schriftzug. Drinnen im Auto hielten meist ältere Autofahrer das grosse Lenkrad in der Faust, oft mit Hut und mit Papierrolle auf der Heckablage im gehäkeltem Überzug.

Sie bewegten ihr automatisches Auto bedächtig, bergauf sehr bedächtig. Wenn der Schriftzug einen 200 D zierte mit fast zwei Tonnen, mit 55 PS und 113 Newtonmeter maximalem Drehmoment, dann konnte auch ein Heisssport kaum mehr als bedächtig agieren: Beschleunigung 0 bis 100 in 31 Sekunden.

Automatik – das war in den Zeiten dieses 200 D etwas für jene, die sich den Umgang mit Kupplung und Schalthebel nicht zutrauten, die im Strassenverkehr etwas überfordert schienen. Um so mutiger, dass die Zahnradfabrik Friedrichshafen, besser bekannt unter ihrem Kürzel ZF, zu dieser Zeit eine Getriebeautomatik zu bauen begann.

Denn die Trendwende ist mittlerweile vollzogen. Heute beschleunigen Autos mit Getriebeautomatik besser als gleich motorisierte Modelle mit Handschaltung, sie sind sogar sparsamer – und für den Fahrer eine Wohltat im Stop-and-go-Stadtverkehr.

Automatikgetriebe gewinnen zunehmend an Bedeutung – sogar in den kleinen Klassen. Das wird nicht zuletzt von Gebrauchtwagenportalen wie mobile.de und ichwillmeinautoloswerden.de bestätigt, sie verzeichnen einen Anstieg der Nachfrage für Automatikgetriebe im Vergleichszeitraum vor einem Jahr um 100 Prozent. Von den Neuwagen wird mittlerweile fast jedes dritte Modell mit Automatik ausgeliefert.

Auch in Supersportwagen unverzichtbar

Bis hin zur Volksautomatik war es ein langer Weg. 3HP hiess der Erstling von ZF aus dem Jahr 1965: H stand für den Drehmomentwandler, P für das Planetengetriebe. Dieses hatte drei Gänge, daher die Zahl 3 am Anfang. Sie entsprachen dem Vorbild vom US-Spezialisten Borg-Warner. Bei den Amerikanern war damals schon das automatische Auto der Normalfall. BMW und Peugeot waren 1965 die ersten Kunden, mit Alfa Romeo, Citroën, Lancia und Maserati folgten rasch weitere Adressen im Oberhaus des europäischen Automobilbaus.

Die Nachfolgekonstruktion 4HP ab 1982 enthielt bereits vier Gänge und eine Überbrückungskupplung für den Drehmomentwandler. Diese beseitigte den restlichen Schlupf bei höheren Drehzahlen, sie steigerte damit den Wirkungsgrad. Die Baureihe 5HP ab 1990 mit adaptiver Steuerung erkannte eine Passfahrt bergauf und vermied das bis dato übliche störende Hochschalten beim Gaswegnehmen vor einer Kurve. ZF hatte sich damit als weltweit führender Hersteller von Automatikgetrieben etabliert – auch bei weiteren Premiumkunden wie Audi, Jaguar, Volvo, sogar Porsche und Rolls-Royce.

Jetzt gibt es die 8HP- und 9HP-Ausfertigungen. Sie wurden speziell für das stark steigende Angebot an Kompaktfahrzeugen mit quer eingebautem Motor entwickelt. Beide eignen sich auch für Start-Stopp-Systeme sowie für Hybrid- und Plug-in-Modelle. Sie ermöglichen auch Segeln, das Rollen mit abgekoppeltem Motor.

Längst ist eine Getriebeautomatik selbst in Supersportwagen selbstverständlich, ZF beliefert neben Porsche zum Beispiel auch Bentley und Aston Martin. Wer will, kann per Tiptronic die Gänge schnell und ohne Zugkraftunterbrechung wechseln. «Verschachtelte Mehrfach-Rückschaltungen» über mehrere Gänge sorgen auch ohne Eingriff des Fahrers beim Gasgeben für kräftigen Zug – beim Standard-Spurt 0 bis 100 km/h gleichermassen wie in der Praxis. Bestwerte lassen sich durch simples Gasgeben abrufen, Handschaltung erfordert sorgfältigen Umgang mit Kupplung und Schalthebel.

Auch beim Verbrauch massvoll

Und Automatikautos sind längst keine Säufer mehr – im Gegenteil. Ihr Normverbrauch liegt oft unter Autos mit Handschaltern, die den gleichen Motor haben. Der Unterschied in der Praxis kann noch grösser sein. Vor allem eine Acht- oder Neun-Gang-Automatik lässt den Motor, wann immer möglich, mit niedrigen und mithin sparsamen Drehzahlen arbeiten. Sie steigern dabei auch den Komfort, indem sie den Geräuschpegel im Wagen reduzieren.

In Zukunft wird es viel mehr elektrifizierte Autos geben – Mild-, Voll- und Plug-in-Hybride. Sie verfügen zusätzlich zum Verbrennungs- über einen Elektromotor. ZF baut ihn bei Voll- und Plug-in-Hybriden anstelle des Drehmomentwandlers in das Getriebegehäuse ein. Die Elektromaschine unterstützt den Verbrenner beim Gasgeben. Im Stadtverkehr kann sie alleine antreiben – mit drastischen Verbrauchsvorteilen.

2,6 Millionen Automatgetriebe produziert ZF aktuell im Jahr. Neue Alternativen haben sich neben der konventionellen Getriebeautomatik etabliert. So vor allem das Doppelkupplungsgetriebe, im Volkswagen-Konzern mittlerweile ebenfalls ein Millionenerfolg. Es verbindet den Wirkungsgrad eines Zahnradgetriebes mit der einfachen Bedienung einer Automatik, erreicht aber speziell bei Stop-and-go noch nicht ganz die Ruckfreiheit und den Komfort der klassischen Automatik.

Zweite Alternative ist die stufenlose Automatik. Eine Gliederkette oder ein Gliederband läuft über Keilriemenscheiben, die ihren Abstand stufenlos verändern können.

Wo ist bei allem Licht der Schatten? Noch sind die Getriebe recht teuer.

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