Seit dem Jahr 2011 gibt es in der Schweiz keine Inflation mehr. Zumindest entsteht dieser Eindruck, wenn wir den Landesindex der Konsumentenpreise betrachten, der seither meist negative Wachstumsraten aufweist. Erstaunlich ist dies vor allem deshalb, weil die Geldmenge M3 bis ins Jahr 2013 mit Wachstumsraten zwischen 6 und 10 Prozent noch stark angestiegen ist.

Ökonomen haben bereits nach verschiedensten Erklärungen für dieses «Rätsel» gesucht, aber sie wurden nicht wirklich fündig. Also schweigt man lieber darüber und diskutiert stattdessen die möglichen positiven oder negativen Auswirkungen von Deflation.

Preissteigerung um 70 Prozent – da ist die Inflation

Letztlich ist die Erklärung für Deflation bei gleichzeitig stark steigender Geldmenge aber ganz einfach. Die Inflation hat sich einfach in einen Bereich verlagert, wo wir sie bis heute nicht messen. Sie findet nicht mehr bei Güter- und Dienstleistungspreisen statt, sondern bei Immobilienpreisen.

Zwischen 2000 und 2014 sind die Preise von Immobilien in der Schweiz um rund 70 Prozent gestiegen, was einer beachtlichen Inflation entspricht. Einige Analysten sprechen bereits von einer neuen spekulativen Blase auf dem Schweizer Immobilienmarkt.

Starker Zuwachs von Hypothekarkrediten

In Wirklichkeit lässt sich die Koexistenz von Deflation und steigender Geldmenge also gut erklären. Neu geschaffenes Geld wird nicht mehr in erster Linie dazu verwendet, Güter und Dienstleistungen zu kaufen, sondern es dient dem Kauf von Immobilien. Betrachten wir die Kreditvergabe der Banken, dann sehen wir deutlich, dass seit den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Kredite an Unternehmen praktisch kein Wachstum mehr verzeichneten.

Das starke Wachstum der Kredite um etwa 200 Prozent seit 1990 ist fast ausschliesslich auf Hypothekarkredite zurückzuführen. Und mit dieser Kreditvergabe ist auch eine entsprechende Geldschöpfung verbunden. Diese Kredite werden den Konten der Kreditnehmer gutgeschrieben, was die Geldmenge jeweils um den gleichen Betrag erhöht. Zwar werden auch Kredite zurückbezahlt, was die Geldmenge wieder verkleinert, aber netto werden wesentlich mehr neue Hypothekarkredite vergeben als zurückbezahlt.

Langsame Ausreizung der Kreditmöglichkeiten

Im letzten Jahr wurde diese Entwicklung allerdings gebremst. Durch die starke Bautätigkeit in der Schweiz ist auch das Angebot an Immobilien mittlerweile so stark gewachsen, dass die Preise im Moment nur noch wenig steigen. Und es wird zunehmend schwieriger, das hohe Wachstum der Hypothekarkredite weiterhin aufrechtzuerhalten, da selbst bei grosszügiger Auslegung der Kreditwürdigkeit die Mehrheit der immobilienkauffreudigen Kunden bereits einen entsprechenden Hypothekarkredit hat.

Aus diesem Grund hat sich auch das Geldmengenwachstum abgeschwächt, und 2015 dürfte das breit definierte Geldmengenaggregat M3 nur noch mit etwa 2 Prozent wachsen. Im Jahr 2013 lag dieses Wachstum noch bei knapp 10 Prozent. Wir nähern uns also einer Situation, in der die Möglichkeiten der Kreditvergabe an kreditwürdige Kunden selbst bei Hypotheken langsam ausgereizt sind.

Umständen deuten weiterhin auf negative Inflation

Es ist daher nicht damit zu rechnen, dass die Deflation in nächster Zeit verschwindet. Das Bundesamt für Statistik erwartet für das laufende Jahr eine Inflationsrate von –1,1 Prozent, und für 2016 wird ein praktisch konstantes Preisniveau erwartet. Erst wenn neu geschaffenes Geld auch wieder in grösserem Stil in die Güter- und Dienstleistungsmärkte fliesst, werden die Konsumentenpreise wieder steigen.

Die Kontributoren sind externe Autoren und wurden von bilanz.ch sorgfältig ausgewählt. Ihre Meinung muss nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.

Partner-Inhalte