Am häufigsten nutzt der 14-jährige Maxim Spotify und WhatsApp. Aber auch 9Gag. Yo hat der Schüler des Carl-von-Ossietzky-Gymnasiums in Berlin-Pankow ausprobiert, aber «das war doof. Das hatten nur drei Mitschüler, da gab's keine Konversation.»

WhatsApp und Spotify dürften manche Eltern kennen. Aber 9Gag und Yo? Oder Snapchat und Whisper?

Die meisten Eltern sind damit schlicht überfordert. Sie wissen nicht, was ihre Kinder da so machen, wenn sie stundenlang auf ihre Smartphones starren und über das Display wischen und darauf herumtippen. «Oft ist zu hören: 'Da kenne ich mich sowieso nicht mit aus' oder 'Davon verstehe ich ja nichts.' Manche Eltern haben ganz einfach aufgegeben, mit ihren Kindern Schritt zu halten», sagt Björn Friedrich, Medienpädagoge und Autor des «Elternbuchs zu WhatsApp, Facebook, YouTube & Co».

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Es ist auch nicht einfach, den Überblick zu behalten. Zusätzlich zur allgegenwärtigen Anwendung WhatsApp haben Jugendliche laut Jim-Studie zur Mediennutzung der Zwölf- bis 19-Jährigen im Durchschnitt 18 weitere Apps installiert.

Oft setzen sie die Software ein, um sich die Zeit zu vertreiben oder einfach mit anderen Jugendlichen über unterschiedliche Plattformen hinweg zu quatschen. Manche App animiert zu kreativem Umgang, der Einsatz anderer aber kann auch unangenehme Folgen haben. Eltern sollten daher weder in Panik geraten, wenn ihr Kind über Stunden hinweg mit dem Smartphone herumhantiert, es aber auch nicht damit alleinlassen, rät Medienpädagoge Friedrich.

Jugendliche nutzen neue Apps, um sich abzugrenzen

Die Nutzung von Smartphone und Apps gehört zum Alltag der Jüngeren. Dank Flatrate können viele von ihnen fast unbeschränkt im mobilen Web surfen – und das tun sie ausgiebig: In der Mediennutzung steht das Internet ganz weit vorn, noch vor dem Fernsehen.

Schon die Zwölf- und 13-Jährigen sind bestens mit Smartphones versorgt, die älteren Jugendlichen haben fast alle eines. Das kann Maxim nur bestätigen: «27 von 28 Schülern haben jeden Tag ihr Smartphone dabei. Die Mehrheit stellt im Unterricht auf lautlos.»

So können sie es nutzen, ohne dass es im Unterricht auffällt – und sie verpassen keine der zahllosen WhatsApp-Nachrichten, die permanent einlaufen. Bis zu 100 Mitteilungen bekommt Maxim pro Tag, im Durchschnitt sind es etwa 75, schätzt der 14-jährige Schüler. Mit dieser Menge kommt er gut zurecht.

Zusätzlich beschäftigen sich Jugendliche und Kinder mit bekannten Diensten und Plattformen wie YouTube, Twitter, dem Musikservice Spotify sowie Instagram und Facebook. «Um sich abzugrenzen, weichen Jugendliche aber gern auf Apps aus, die ihre Eltern nicht kennen und nutzen. Die Freundschaftsanfrage der Oma kann einen jungen Menschen schon aus Facebook vertreiben. Ausserdem bringt natürlich Neugier Jugendliche dazu, andere Apps auszuprobieren», sagt Björn Friedrich. Zu solchen Apps, die Eltern oft vollkommen fremd sind, gehören Slipnote, mit der man Fotocollagen per Messenger verschicken kann, ein Telefondienst wie Viber oder YouNow und Vine.

Wozu nutzen Jugendliche aber diese ganzen Dienste, Plattformen und Apps? Ganz oben auf der Liste steht die Kommunikation mit Gleichaltrigen, wie die Jim-Studie für 2014 ergeben hat.

Drei Stunden pro Tag läuft Spotify

Die Jugendlichen wollen chatten und möglichst viel (Online-)Zeit mit anderen aus der Peergroup verbringen. Daher tummeln sie sich auch häufig in Online-Communitys wie sozialen Netzwerken, hier stöbern sie zusätzlich in den Profilen anderer und knüpfen neue Kontakte.

Erst danach kommt der blosse Zeitvertreib: lustige Videos ansehen oder Musik hören. Für Maxim gilt das auch: Zwei bis drei Stunden pro Tag nutzt er Spotify. So etwas wie 9Gag, eine Online-Plattform, bei der permanent Bilder, Animationen und Videos einlaufen und kommentiert werden, nutzt Maxim als reinen Zeitvertreib und zur Zerstreuung.

Gespielt wird natürlich auch. «In den Pausen wird von den Jungs fast ausschliesslich gezockt», sagt Maxim. Die Mädchen beschäftigen sich in der Zeit eher mit WhatsApp, oder sie sehen sich Fotos auf Instagram an.

Doch es wird nicht nur gedaddelt und geklönt. «Manche sehen sich auf YouTube auch Nachhilfe-Videos an, wo einem dann der Strahlensatz in Jugendsprache erklärt wird», so Medienpädagoge Friedrich. Auch fördern einige Anwendungen die Kreativität.

«Jugendliche haben oft einen ästhetischen Anspruch an das, was sie im Internet veröffentlichen: Sie bearbeiten Fotos noch aufwendig, bevor sie die Bilder auf Facebook posten. Oder sie setzen Videos und Selfies ganz gekonnt in Szene, bevor diese auf YouTube und Instagram landen.»

Snapchat hat so seine Tücken

Harmlos ist der Einsatz von Apps aber nicht immer. 9Gag zum Beispiel kann wirklich Spass machen und kurzweilig sein, laden die Jugendlichen jedoch selbst etwas bei 9Gag hoch, was sie irgendwo im Netz gefunden haben, kann das durchaus mit dem Urheberrecht kollidieren – mit unangenehmen Folgen zumindest für die Eltern.

Über WhatsApp, Whisper oder Facebook kann es schon mal zum Cybermobbing oder Cyberbullying kommen, bei dem ausgewählte Opfer diffamiert oder genötigt werden. Das ist strafbar, die Staatsanwälte gehen seit geraumer Zeit konsequent dagegen vor.

Auch sind Videos, die bei Viber oder YouTube gezeigt werden, nicht immer nur amüsant oder lehrreich. Manche Clips fordern zu eher zweifelhaften Aktionen auf. Mal sind Kinder bei der sogenannten Cinnamon-Challenge zu sehen, wenn sie versuchen, einen Löffel voll mit Zimt herunterzuschlucken.

Das ist kaum zu schaffen, da das Pulver sofort das Wasser bindet und kaum noch Flüssigkeit zum Schlucken in der Mundhöhle lässt. Ärzte raten dringen davon ab, da viele Zimtpartikel eingeatmet werden und so zu allergischen Reaktionen oder sogar einer Lungenentzündung führen.

Selbst solche vermeintlich sicheren Dienste wie Snapchat haben ihre Tücken. Eigentlich werden die darüber verschickten Fotos automatisch nach wenigen Sekunden gelöscht. Das verführt manche Jugendliche dazu, besonders freizügige Bilder von sich zu senden.

YouNow ist eher banal als gefährlich

Doch der Empfänger kann davon einen Screenshot machen, das Foto dadurch dauerhaft sichern und weiterleiten. Eltern sollten daher auf die einfache Regel hinweisen: Ist ein Bild einmal im Internet, bleibt es dort für immer.

Ähnlich heikel kann der Umgang mit dem immer beliebter werdenden Videoportal YouNow sein, auf dem sich Jugendliche oder auch Kinder selbst darstellen – nicht auf Fotos, sondern in Videos, die anders als bei YouTube nicht gelöscht werden können, da sie live zu sehen sind. Im Pyjama oder in aufreizenden Posen sollten sich Kinder dort nicht darstellen.

Wer ihnen allerdings einmal während der YouNow-Nutzung über die Schultern gesehen hat, kann erleichtert feststellen, dass dort fast nichts passiert. Es ist erstaunlich langweilig, banal und harmlos, wenn man die Protagonisten beobachtet, wie sie da auf einem Stuhl sitzen und die Zeit totschlagen. Nur selten wird es spannend: Wenn sich streitende Eltern im Hintergrund zu hören sind oder Mutti im Bademantel vom Duschen ins Kinderzimmer stürmt, um über dieses «Scheissinternet» zu zetern.

In der Regel gehen Kinder und Jugendliche recht lässig und souverän mit Apps und Diensten sowie mit Belästigungen und Bedrohungen um, sollten sie einmal damit konfrontiert werden. Trotzdem sollten sich Eltern mit der Smartphone-Nutzung ihrer Kinder auseinandersetzen – ohne sie gleichzeitig auszuspionieren.

Smartphone-Nutzung sollte nicht zwanghaft sein

«Heimliches Ausspähen kann viel im Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Kind kaputtmachen. Ignorieren ist aber auch nicht zu empfehlen, Eltern sollten schon wissen, was ihre Kinder da auf dem Smartphone machen. Viel zu selten informieren sie sich darüber, was hinter den Diensten steckt. Kaum jemand weiss zum Beispiel, dass man sich bei WhatsApp laut den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Messengers erst ab 16 Jahren anmelden darf», sagt Björn Friedrich.

Die Nutzung sollte ausserdem keine zwanghaften Züge bekommen, so Friedrich: «Es muss ein gesundes Nebeneinander geben zwischen Medienkonsum einerseits und Familie, Schule und sonstigen Freizeitaktivitäten andererseits. Ein wenig Kontrolle darf natürlich sein. Vor allem bei Kindern und jüngeren Jugendlichen sind unter anderem Sperrzeiten durchaus sinnvoll – wenn zum Beispiel nachts die Eltern deren Smartphones verwahren.»

Zwar hat ein Viertel der Jugendlichen laut Jim-Studie das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn das Smartphone nicht eingeschaltet oder greifbar ist. Doch die Hälfte ist auch genervt davon, dass zu viele Nachrichten auf sie einprasseln, und zwei Drittel glauben, dass sie mit dem Gewische auf dem Smartphone oftmals ihre Zeit verschwenden. Vielleicht sind einige von ihnen sogar ganz dankbar, wenn ihnen die Eltern zwangsweise Online-Pausen verordnen.

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