Egal wohin man schaut – Fernsehen, Magazine, Online –, der Frühling kommt. Und weil er kommt, ist das das Startzeichen, endlich Sport zu machen. Und im besten Fall läuft man, und lebt nach einem strengen Diätplan. Denn schliesslich wird man überall dazu aufgefordert, unbedingt abzunehmen. Jeder, der schon läuft, kennt das.

Sitzt man mit Menschen zusammen, die noch nicht laufen, gerade jetzt, um diese Jahreszeit, kommt unweigerlich irgendwann das Satz: «Ach, ich würde auch so gerne laufen. Aber ich kriege einfach den Anfang nicht hin.» Und dann folgt eine ganze Agenda an Ausreden, warum es so wahnsinnig schwer ist, einfach loszulaufen. Der Schweinehund, und die Zeit, und die Kinder, und der Mann, und die Frau, und die alte Kriegsverletzung, und sowieso die falschen Schuhe, und man hat Rücken, und man müsste eh erstmal abnehmen, wegen der Gelenke.

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Ankämpfen gegen allerlei Argumente

Es gibt aber auch die wirklich harten Fälle. Menschen, die wirklich gerne laufen würden, die aber auch zwei Totschlagargumente haben, um nicht mit dem Laufen anzufangen. Totschlagargument eins: «Warum sollte ich denn überhaupt laufen? Was bringt mir das? Da gehe ich doch, wenn überhaupt, lieber in ein Fitness-Studio. Da ist es wenigstens warm.» Totschlagargument zwei: «Laufen ist es nicht. Da wird mir nach kurzer Zeit langweilig.»

Es ist schon merkwürdig. Gerade jetzt wollen viele abnehmen. Gerade jetzt wollen viele mit dem Laufen beginnen. Aber es fehlt der Sinn. Es fehlt der Grund. Argumente gegen das Laufen gibt es jedoch ohne Ende. Ein wenig schizophren ist das schon. Denn der wichtigste Grund überhaupt ist ganz sicher: Wer läuft, tut zunächst einmal etwas für sich. Für seine Gesundheit, für seinen Körper und für die Seele. Und alleine das ist Grund genug, endlich damit aufzuhören, gegen das Laufen zu sprechen.

Kein besserer Zeitpunkt

In der Tat gibt es allerdings wirklich wichtige Gründe, gerade jetzt im Frühling zu starten. Denn der Frühling macht es allen, die wirklich loslegen wollen, sehr einfach. Diese Jahreszeit ist die Power-Jahreszeit. Wer jetzt die Schuhe schnürt, hat gute Chancen, für immer ein Läufer zu werden.

Wer einen Anstoss für den ersten Schritt braucht, dem empfehle ich das Buch von Hape Kerkeling «Ich bin dann mal weg». Besonders beeindruckend sind die ersten Seiten, als sich Hape auf den Weg macht. Mit viel zu viel Gewicht, und gleich jeden Tag musste er 25 bis 30 Kilometer laufen, um sein Ziel zu erreichen. Und das als völlig untrainierter Dicker. Als unsportlicher Moppel, wie er sich selbst bezeichnet.

Und doch lief es bei ihm, er machte sich auf seinen Weg, mit einem sehr schönen Trick. Er sagte zu sich selbst: «Ich versuche jetzt mal, meinen Kopf abzuschalten. Klick, ich mache ihn jetzt aus (…). Stop! Nicht denken, heute mal nur Herz!» Hape Kerkeling ist durch und durch Herzmensch. Er beschreibt immer wieder, wie er sich gerade am Anfang quälen musste. Wie sehr die Knie und Gelenke schmerzten, wie er vor Scham und Wut weinend auf dem Weg stand. Was ich besonders an Hape mag, ist seine Ehrlichkeit. Endlich mal ein Mann, der sagt, wie es ist: Gerade einen Anfang zu machen, ist die Hölle. Dranzubleiben ist jedoch noch weitaus schwieriger.

In der Natur ein Laufwunder erleben

Bevor ich die Kolumne heute schrieb, war ich laufen. Es war ein langer Lauf über 35 Kilometer. Meine Vorbereitung für den 2 Oceans Ultramarathon in Südafrika geht in die Zielgerade. Und ich hörte «Ich bin dann mal weg» als Hörbuch. Und es half mir, gerade weil mein Körper zur Zeit nicht so recht will. Weil mein Kopf in der Tat auch sagt: «Was soll das alles? Warum machst Du das alles?» Es geht mir gerade nicht anders als all denen, die noch nicht losgelaufen sind. Und kurz bevor ich wirklich bei Kilometer 30 aussteigen wollte, kam mir ein wichtiger Gedanke, ein wichtiges Gefühl.

Es gibt wirklich wichtige Gründe, gerade jetzt mit dem Laufen zu beginnen. Denn gerade jetzt erwacht die Natur. Ein guter Zeitpunkt also, wie ich finde. Wenn man läuft, und sich ein wenig auf die Natur einlassen kann, wird man ein kleines Laufwunder erleben. Alleine, wenn man beim Laufen auf den Weg schaut, jeden Schritt bewusst wahrnimmt, wird man die Energie spüren, die der Weg abstrahlt.

Das mag esoterisch klingen, aber die Kraft, die vom Boden ausgeht, die dann direkt in die Beine fliesst, die ist enorm. Ein Beintraining im Fitnessstudio kann diese Energie nicht ersetzen. Wer einmal diese Kraft spürt und aufnimmt, der wird schwer wieder davon loskommen. Der wird weitermachen wollen.

Gute Luft und erwachende Bäume

Und langweilig (das zweite Totschlagargument) wird es zu keinem Moment. Im Gegenteil. Es wird sehr gesund. Gerade in diesen Tagen fangen die ersten Bäume und Sträucher an zu blühen. Wer tief einatmet, der wird den Duft der Blüten bis tief in die Lungen ziehen. Es gibt kaum eine bessere Luft als die Frühlingsluft. Wer genau hinsieht, der spürt und fühlt, wie die Natur einen neuen Weg einschlägt, wie sie erwacht, wie sie sich verändert. Sie macht sich bereit für die Abenteuer des Frühlings, des Sommers, des Herbstes.

Und wenn Sie genau hinsehen, können Sie jeden Tag ein Laufabenteuer und jeden Tag ihre persönlichen Laufwunder erleben. Sie müssen sich nur darauf einlassen, alle Sinne wieder schärfen. Und loslaufen müssen Sie. So läuft es!

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