Welche Modelle gefallen Ihnen hier am Genfer Autosalon besonders gut?
Morten Hannesbo*: Die Giulia von Alfa Romeo ist ein interessantes Auto, auch der Maserati Levante ist sehr schön und Porsche bringt ohnehin regelmässig tolle Fahrzeuge – die aber natürlich etwas teurer sind. Von unseren Modellen finde ich sowohl den VW Tiguan wie auch SEAT Ateca und Audi Q2 sehr gelungen. Es gibt so viele schöne Autos und weil der Markt heute sehr kompetitiv ist, gibt es technisch eigentlich kaum noch Mittelmass.  

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Die ersten beiden Monate des Jahres sind vorbei. Wie lautet Ihr erstes Fazit?
2016 hat stark begonnen – nach einem erfolgreichen Jahr 2015, das für den Schweizer Markt ja das drittbeste mit rund 320'000 verkauften Neufahrzeugen war. In den ersten beiden Monaten liegen wir bereits 5 Prozent über dem Vorjahr.

Schielen Sie trotz Frankenschock und VW-Dieselskandal auf eine neue Bestmarke?
Ob der Trend anhält, bleibt abzuwarten. Der Markt wird sich am Ende wohl bei 310'000 bis 320'000 verkauften Fahrzeugen einpendeln – damit wären wir auf dem Niveau von 2015. Die Bestmarke von 335'000 Stück aus dem Jahr 1989 zu schlagen, wird extrem schwer – auch wenn wir aufgrund der Zuwanderung jährlich rund 70'000 neue potenzielle Käufer in der Schweiz haben.

Aber der Wettbewerb ist hart, auch der Margendruck.
Das Thema Rabattschlacht ist überall auf der Agenda. Seit über vier Jahren müssen wir mittlerweile mit einem starken Franken umgehen, die Währungsdifferenz beschäftigte uns schon vor der Aufgabe des Mindestkurses. Die Kunden erwarten, dass der günstigere Eurokurs über Rabatte bei ihnen ankommt – und das bekommen sie auch.

Was hat Sie schwerer getroffen: Frankenschock oder VW-Dieselskandal?
Der Frankenschock war für die gesamte Wirtschaft ein Schlag, da waren die Voraussetzungen für alle gleich. Der VW-Skandal hingegen betrifft nur uns: Insofern ist das sicher die grössere Herausforderung. Mit einem Schlag konnten wir uns nicht mehr voll auf unser Kerngeschäft konzentrieren – Marktanteile sichern und Umsätze suchen. Da mussten wir viele personelle Ressourcen verschieben. Der Frankenschock war schwierig, aber den haben wir im Griff.

Vor einem knappen halben Jahr erwischte Sie der VW-Skandal: Wie sieht ihre Zwischenbilanz aus?
Es war sehr harte Arbeit, das Vertrauen von Kunden und Händlern, mit denen wir teilweise seit vielen Jahrzehnten zusammenarbeiten, zurückzugewinnen. Unsere eigenen Mitarbeiter waren ebenfalls verunsichert, sie wurden von dem Vorfall genauso überrascht wie ich. Dass wir gegenüber allen Interessensgruppen in den vergangenen Monaten offensiv und transparent informiert haben, war wichtig. Mittlerweile muss ich den Skandal immer weniger akut managen, sondern die Aufarbeitung, der Rückruf verteilt sich auf die gesamte Organisation.

Wie viel VW-Krisenmanagement müssen Sie heute noch jeden Tag leisten?
Mittlerweile macht das wohl etwa 20 Prozent meiner täglichen Arbeit aus. Im September hat mich der Skandal aber fast vollständig absorbiert. Gegen Ende Jahr waren es noch 50 Prozent.

Nun geht es darum, die Rückrufaktion zu bewältigen.
Ja, hier sind nun unsere Servicepartner gefragt, die vor allem zwei Massnahmen umsetzen. Bei den meisten Fahrzeugen mit 1,2 und 2-Liter-Motoren reicht ein Softwareupdate, das etwa eine halbe Stunden dauert. Dann ist das Auto gesetzeskonform. Bei den 1,6-Liter-Dieselmotoren muss noch ein Hardwareteil eingebaut werden, um die Strömung der Ansaugluft und somit die Luftmessung zur  besseren Verbrennung zu optimieren. Das braucht dann nochmal 20 Minuten. Insgesamt sind rund 175'000 Fahrzeuge betroffen – die wollen wir alle noch in diesem Jahr durch die Werkstätten bringen.

Wie weit sind Sie?
Wir stehen noch am Anfang: Bis heute haben wir rund 1000 Fahrzeuge bearbeitet. Der Gesamtaufwand entspricht etwa 50 bis 60 Mannjahren – das ist enorm. Wir haben aber auch 1000 Techniker. Die Rückrufaktion ist verpflichtend, wir arbeiten da in Abstimmung mit dem Bundesamt für Strassen (Astra) zusammen.

PSA Peugeot Citroën arbeitet nun mit Nichtregierungsorganisationen zusammen, die den Treibstoffverbrauch messen und die Daten veröffentlichen sollen. Ein Schritt in die richtige Richtung?
Der VW-Skandal hat die Branche hart getroffen. Jeder Schritt, Transparenz für den Kunden zu schaffen, geht in die richtige Richtung. Transparenz ist in unserem Interesse, wir möchten nicht unter Verdacht stehen – im Gegenteil. Auch Volkswagen hat im vergangenen Dezember kommuniziert, mit externen Prüfern zusammenzuarbeiten

Machen Ihre Kunden nun einen Bogen um die Fahrzeuge von VW?
VW-Modelle verkaufen sich auf dem Niveau des Vorjahres. Die Kunden verstehen, dass der Skandal keine Neuwagen betrifft. Aber klar ist, dass der Imageschaden gross ist – und wir einige Monate, vielleicht Jahre brauchen, bis das Vertrauen wieder vollständig zurück ist.

Der VW Golf ist das meistverkaufte Auto der Schweiz, über 15'000 Stück wurden im vergangenen Jahr abgesetzt. Dahinter folgt mit etwas Abstand der Skoda Octavia (12'200). Wie gross ist die Chance, dass der Octavia den Golf in diesem Jahr vom Thron stösst?
Auszuschliessen ist das nicht, aber da dürften am Ende wohl noch einige Fahrzeuge fehlen. Der Golf ist seit vier Jahrzehnten das bestverkaufte Auto in der Schweiz. Der Golf 7 ist schon länger auf dem Markt, der Octavia hingegen ist noch relativ neu, aber vom Golf gibt es mehrere Varianten. Mit Skoda sind wir insgesamt sehr zufrieden.

Was haben die Tschechen in den vergangenen Jahren richtig gemacht?
Fast alles. Die Produkte passen einfach zum Schweizer Markt. Über Jahre hinweg hat Skoda immer die gleiche, ehrliche Strategie verfolgt: «Value for Money». Skoda ist eine Marke mit  Premiumanspruch, ohne dass es teuer wird. Die ersten Modelle waren noch richtige Ostblockrüben, doch damals machte der Staat noch strenge Vorgaben. Dort wo nicht reguliert wurde, war schon damals das Potenzial klar: Die Sitzverstellungen waren zum Beispiel bereits aufwendig mit Kugellager verarbeitet, das gabs sonst nirgends. Die Tschechen konnten also schon damals, durften aber nicht. Es ist mehr als verdient, dass Skoda nun in der Schweiz nach VW, Mercedes und BMW auf dem vierten Rang liegt.

Das Interview wurde am Genfer Autosalon geführt, bevor bekannt wurde, dass die Stiftung für Konsumentenschutz die Verhandlungen mit Amag um eine Entschädigung für VW-Kunden sistierte.

* Morten Hannesbo ist seit Januar 2009 CEO der Amag Gruppe. Die Autoimporteurin ist in der Schweiz Marktführerin und erwirtschaftet mit 5480 Mitarbeitenden 4,6 Milliarden Franken (2014). Der gebürtige Däne mit MBA-Abschluss ist gelernter Schifffahrts-Kaufmann.