Deborah Signer hat viel vor. Nach 17 Jahren, die von der Schule bestimmt waren, möchte die 23-jährige Masterstudentin des Lehrgangs Accounting & Finance an der Universität St.  Gallen (HSG) durchstarten: «Mergers & Acquisitions oder Private Equity, das wärs. Bei der CS vielleicht, bei Deloitte oder bei der Partners Group.» Auf 2011 sucht Signer, die neben ihrem Abschluss an der HSG als Werkstudentin für IBM arbeitet, einen Job, der sie, wie sie hofft, an ihr mittelfristiges Ziel bringen wird: London. «Dort will ich hin, ins Herz der europäischen Finanzindustrie.»

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Finanzindustrie? Unbedingt. Nach zwei Jahren, welche die Welt der Geldinstitute durchrüttelten und das Vertrauen der Hochschulabsolventen eintrübten, melden sich auch die beiden Schweizer Grossbanken wieder zurück unter den Top 3 der beliebtesten Arbeitgeber in der Kategorie Wirtschaftswissenschaften, gleich hinter dem Monument Nestlé.

Das zeigt das repräsentative Ranking von Universum Communications, das der BILANZ exklusiv vorliegt. Befragt wurden 7740 Studentinnen und Studenten an 20 Hochschulen in der Schweiz zwischen November 2009 und März 2010, zu einer Zeit also, da man sich langsam berechtigte Hoffnung auf einen Bonsai-Aufschwung machen konnte. Zu einer Zeit auch, als das Vertrauen der Hochschulabsolventen zurückkam – insbesondere in die CS, die auch in den Kategorien Ingenieurwesen, Informationstechnologie und Naturwissenschaften zulegen konnte.

In ebendiesen Kategorien führen Meister ihrer Klassen wie ABB, Google und Novartis die Ranglisten an. Es sind multinationale Firmen, die sich einen starken Employer Brand aufgebaut haben und bei denen in dieser Hinsicht immer Hochkonjunktur herrscht. Auf der anderen Seite mussten Arbeitgeber, die in den Krisenjahren 2007 und 2008 bei den Studenten noch mit Solidität punkten konnten – Bundesverwaltung, SRG, PostFinance, Post –, im aktuellen Ranking Federn lassen. «Diese Entwicklung sehen wir in ganz Europa», sagt Axel Keulertz, Research Director bei Universum Communications für die deutschsprachigen Länder. «Firmen, die eine gewisse Jobsicherheit versprechen, profitierten von der Krise, verlieren aber jetzt, da der Aufschwung keimt, wieder. Das aktuelle Ranking und das Wiedererstarken der Grossbanken zeigen, dass die Verunsicherung auf dem Campus nicht nachhaltig war.»

Firmen googeln. Krise hin oder her – Elena Hubschmid schreibt seit drei Jahren den gleichen Namen zuoberst auf die Universum-Liste: PricewaterhouseCoopers (PwC). «Mein Wunscharbeitgeber», sagt die 25-jährige Doktorandin – weil die Firma international aufgestellt ist und weil sie sich mit Frauen-Mentorings und -Netzwerken sehr stark macht für die weibliche Sache.» Die Russin kennt alle Arbeitgeber-Awards, die ihre favorisierten Wirtschaftsprüfer in den letzten Jahren ernteten. Sie hat sich auch schon im persönlichen Gespräch mit Firmenrepräsentanten von den PwC-Werten überzeugen lassen.

Die offizielle Darstellung der Firma sei ihr zwar schon sehr wichtig. Doch genügt sie? Getreu der Devise «Vertrauen – und trotzdem nachforschen» macht Elena Hubschmid, die einen Bachelor in Public Administration und in Political Science sowie einen Master of Science in Business Administration in der Tasche hat, vertiefte Recherchen. «Die Unternehmen selber», sagt Doktorandin Hubschmid, die derzeit am Institut für Organisation und Personal der Uni Bern zum Thema «Anstellungserwartungen der Generation Y» forscht, «tun ja das Gleiche mit uns Bewerbern, man wird gegoogelt und gescreent und so auf Vereinbarkeit mit dem künftigen Arbeitgeber geprüft.»

Als typische Vertreterin der leistungsbereiten, aber auch fordernden Generation Y hat Elena Hubschmid eine ziemlich klare Vorstellung vom ersten Job nach der Uni, den sie 2012 anpeilt: «Ich möchte zur hochkompetenten Führungspersönlichkeit entwickelt werden, mich dabei intellektuell herausgefordert fühlen, mich mit Hingabe um meine Aufgaben kümmern und auf ein gutes Corporate-Responsibility-Programm zählen können.»

Am längeren Hebel. Ob sich solche Stellen in den ersten Jahren nach einer ruppigen Finanz- und Wirtschaftskrise so leicht finden lassen, ist ungewiss. «Wir sind noch weit entfernt von den Verhältnissen, wie sie 2005 bis 2007 herrschten», sagt Axel Keulertz. «Hatten wir damals einen Arbeitnehmermarkt, so haben nun die Arbeitgeber das Heft in der Hand.»

Eine Situation, die Sabina Crameri gut kennt. Die 27-jährige Bündnerin, die an der HSG derzeit mit ihrer Arbeit «Strategisches Handelsmanagement in der Wirtschaftskrise» ihren Master of Arts in Marketing, Services and Communications erlangt, weiss von «Uni-Kollegen, die wirklich gut sind – und die trotzdem einige Monate bis zu einem Jahr lang einen Job suchten». Fazit der Marketingfachfrau: «Die Gewichte haben sich verschoben. Vor drei Jahren wollten die Firmen etwas von uns, jetzt wollen wir etwas von ihnen. Die Arbeitgeber sind am längeren Hebel.» Einige Studienkollegen hätten ihre Teilzeitjobs bei Grossbanken verloren, andere erlebten derzeit, wie eine Bewerbung drei Monate liegen bleibe.

Sabina Crameri, die 2005 Gründungsmitglied und Vereinspräsidentin von Universa war, dem Frauennetzwerk der Uni St.  Gallen, strebt im Erwerbsleben nach «realen Produkten und realen Werten». Sie will bei einem echten Konsumgütler arbeiten und wissen, wer die Kunden sind: «Ich mag nicht nur den Zahlen hinterherspringen.» Auf Mitte Jahr erfüllt sich Crameris Wunsch: Sie geht bei Betty Bossi an Bord. An einen «typisch weiblichen Approach» bei der Jobsuche glaubt sie nicht, «jedenfalls nicht bei der ersten Anstellung nach der Uni». Aber auf mittlere Frist werde sicher die Work-Life-Balance wichtiger: «Nach Praktika bei Grossunternehmen weiss ich, wie sich eine 80-Stunden-Woche anfühlen kann. Das muss nicht mehr sein.»

Auf «typisch weibliche» Attribute mögen sich junge Frauen heute kaum mehr festnageln lassen. Und doch sagt Elena Hubschmid: «Wir haben wohl jenseits aller Klischees bei der Job- und Arbeitgeberwahl schon etwas andere Kriterien, gewichten weiche Faktoren wie Firmenkultur, Teamspirit und die gesellschaftliche Verantwortung einer Firma höher.»

Beim Ranking der Frauen fällt auf, dass sie Firmen wie Nestlé, L’Oréal, Coca-Cola oder Swatch stärker favorisieren als Männer. Dass Frauen dazu tendieren, Arbeitgeber aus der Konsumgüterindustrie zu idealisieren, hängt von ihren Studienprofilen ab, die häufiger im Marketing gelagert sind als bei den Männern. Was in Deutschland dann dazu führt, dass Frauen Arbeitgeber wie Porsche oder BMW für attraktiver halten als die Männer.

Branchenwahl. Der berühmte kleine Unterschied lässt sich auch festmachen in der Frage, in welchem Bereich man sich die erste Arbeitsstelle wünsche. Human Resources, Public Relations und Marketing stehen bei den Frauen einiges höher im Kurs als bei den Männern. Diese wiederum gewichten Projektmanagement, IT und Engineering stärker. Frauen halten die Work-Life-Balance für wichtiger als die Männer. Hier hakt Axel Keulertz ein: «Jedes Unternehmen, das weibliche Talente rekrutieren will, sollte Angebote aufzeigen können, die Karriere und Familie verbinden.»

Aufschlussreich ist auch, was sich Schweizerinnen und Schweizer in Sachen Entlöhnung beim ersten Job nach der Uni vorstellen. 86  000 Franken wünschen sich die Herren der Schöpfung, die Damen wären schon mit 77  000 zufrieden. Also alles gemäss dem Klischee, wonach Frauen sich als Humankapital-Feen sehen, während Männer schnurstracks den Chefjob anpeilen?

Nein. Zumindest nicht alle. Deborah Signer jedenfalls zieht es fast schon magisch in die Männerdomänen Mergers & Acquisitions (M&A) und Private Equity. «Viele aus meiner Familie sind schon im Banking, die Credit-Suisse-DNA ist da schon drin», erklärt die junge Frau. Die Felder von M&A und Private Equity «sind einfach schon deshalb spannend, weil man wie mit einem Röntgenblick hineinsieht in Firmen wie sonst selten». Auf mittlere Frist, sagt Deborah Signer, «wird bei mir dann wohl das Thema der Work-Life-Balance auch wichtiger».

Aber zuerst möchte sie am grossen Rad drehen. Zum Beispiel in London: «So eine richtig grosse Kiste im Bereich einer Firmenübernahme. Dort dabei zu sein, das wäre der Wahnsinn.»