Die Europäische Zentralbank lanciert ein Anleihe-Kaufprogramm in historischem Ausmass. Pro Monat fliessen 60 Milliarden Euro in den Markt, das sind mehr als erwartet wurden. Dafür gibt es ein Enddatum: September 2016 soll Schluss sein. Wie funktioniert die Umsetzung des Entscheids? Und welche Folgen hat der EZB-Entscheid für die Schweiz? Die wichtigsten Fragen zur geldpolitischen Weichenstellung:

Wie lockert die EZB ihre Geldpolitik?

Konkret geht es um «quantitative easing», zu Deutsch «quantitative Lockerung». Der sperrige Begriff trägt seine Bedeutung im Namen: Es geht um Quantität, also eine Menge – gemeint ist die Vermehrung der Geldmenge. Das funktioniert über den Kauf von Anleihen. Die Zentralbank ersteht eine Anleihe für eine bestimmte Laufzeit und stellt dem Verkäufer damit eine Summe Geld zur Verfügung. Damit senkt die EZB die Zinsen, was die Akteure animieren soll, mehr zu investieren. Die EZB will den Kauf der Staatsanleihen dabei nach einem Kapitalschlüssel kaufen – hauptsächlich deutsche Staatsanleihen, gefolgt von Frankreich und Italien.

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Mit welcher Summe will die EZB die Euro-Wirtschaft beflügeln?

Diese Frage wurde in den letzten Wochen heiss diskutiert. Im Vorfeld hiess es laut Kreisen, dass monatlich 50 Milliarden Euro fliessen sollen. Das berichteten mehrere Medien. Mit dem jetzt aufgelegten Programm übertrifft die EZB diese Erwartungen sogar. Sie will bis September monatlich Staatsanleihen für 60 Milliarden Euro kaufen. Das wären bei einem Beginn ab März über 1,1 Billionen Euro.

Was ist neu am heutigen EZB-Entscheid?

«Innerhalb unseres Mandats ist die EZB bereit, alles Erforderliche zu tun», so hat es EZB-Präsident Mario Draghi bereits im Sommer 2012 formuliert. Das Versprechen, im Zweifelsfall unbegrenzt Liquidität zur Verfügung zu stellen, wurde im sogenannten «Outright Monetary Transactions»-Programm (OMT) zusammengefasst. Tatsächlich hat die EZB aber über das OMT-Programm bislang nicht eine einzige Staatsanleihe gekauft.

Seit Draghis Rede sank die Bilanzsumme der EZB sogar um rund 1 Billion auf 2 Billion Euro. Das Versprechen allein reichte aus, dass das Vertrauen in Krisenstaaten wie Griechenland, Spanien und Italien wuchs und sie wieder geringere Zinsen auf ihre Anleihen zahlen mussten. Neu ist jetzt, dass die EZB zur Tat schreitet.

Was darf die EZB?

Die Hauptaufgabe der EZB besteht in der Sicherung der Preisstabilität. Sie soll die Inflation auf einem Niveau von «unter, aber nahe» 2 Prozent halten. Seit Monaten liegt die Inflation in allen Euro-Ländern – teils deutlich – unter diesem Zielwert. Eine eigenständige Wirtschaftspolitik steht dagegen im Widerspruch zu Mandat der Zentralbank. Die Währungshüter dürfen also nicht direkt Staatsanleihen kaufen und damit die Schulden eines Staates zu finanzieren. Darum entstand nach der Euro-Garantie 2012 ein Streit darum, ob Draghi seine Kompetenzen überschritten habe.

Deutsche Kritiker klagten. Das deutsche Bundesverfassungsgericht reichte den Entscheid im Februar 2014 an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weiter. Das Urteil steht noch aus. Allerdings gab der zuständige Generalanwalt Pedro Cruz Villalón der EZB vergangene Woche Rückendeckung: Das OMT-Programm sei mit EU-Recht vereinbar, befand er. Das EuGH folgt in den meisten Fällen den Empfehlungen des Generalanwaltes.

Welche Hoffnung verbindet sich mit der Lockerung der Geldpolitik?

Die Milliardenspritze durch die EZB soll die Wirtschaft in der Euro-Zone beleben. Mit dem frischen Zentralbankgeld sollen die Banken eines Landes schneller und grössere Kredite vergeben und so wiederum ermöglichen, dass beispielsweise die Unternehmen investieren. Das soll dazu führen, dass die Inflation bald wieder auf das Ziel der Notenbank von knapp 2 Prozent ansteigt.

Wer ist dagegen, dass die EZB massiv eingreift?

Die härtesten Gegner einer lockeren Geldpolitik sind die Deutschen. Sie fürchten als grösste Geldgeber in der Euro-Krise, dass der Reformeifer der verschuldeten Staaten erlahmt, sollte ihnen das billige Geld durch die Europäische Zentralbank zur Verfügung stehen. Davor warnten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble wiederholt. Andere Nordländer wie Finnland und die Niederlande sind ebenfalls skeptisch.

Welche Folgen hat der EZB-Entscheid für die Schweiz?

Die Folgen sind auf kurze Sicht schwer abzusehen. Die grösste Angst ist, dass der Franken weiter aufwertet und die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Firmen belastet. Womöglich muss auch die SNB heute wieder eingreifen und den Franken schwächen. EZB-Direktoriumsmitglied Fritz Zurbrügg sagte im Interview mit dem «Blick», dass sich die Nationalbank alle Optionen offenhalte.

UBS-Chefökonom Andreas Höfert erklärt mögliche Folgen des heutigen EZB-Entscheides:

 
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