Zur Person

Jens Alder
ist Chief Executive Officer von Swisscom.

Gerade die heutigen Wirren in Wirtschaft und Finanzmärkten bieten die Chance, das Prinzip der Einfachheit im Management neu aufleben zu lassen. Vorbei die Zeiten, als viele glaubten, allen «innovativen» neuen Geschäftsmodellen nachrennen zu müssen, die – ehrlich gesagt – nie jemand wirklich verstanden hat. Zeit, sich auf die Grundsätze wirtschaftlichen Tuns zu besinnen und alles daran zu setzen, über Jahre echte Werte in Unternehmen zu schaffen und die Stakeholder fair daran zu beteiligen. Zeit auch, dieses Tun nach innen im Unternehmen und in die Öffentlichkeit einfach, transparent und glaubhaft zu kommunizieren.

Was sind die Voraussetzungen, damit ich etwas Kompliziertes einem Gegenüber so erklären kann, dass er oder sie es auch innert nützlicher Frist versteht? Ich meine, zunächst muss ich das Thema selbst wirklich verstanden haben, und zwar rundum. Wichtig ist: Fakten allein genügen nicht, denn erst Zusammenhänge erzeugen Verständnis. Die Konzentration auf das wirklich Wesentliche ist der Schlüssel. Erfolgreich erklären setzt schliesslich auch persönliches Engagement voraus, denn nur so wird Wissen auch glaubwürdig vermittelt.

Eine Gratwanderung ist es, den richtigen Weg zu finden zwischen dem unüberblickbaren Dickicht komplexer Zusammenhänge auf der einen Seite und der zu simplen, dafür verständlichen Darstellung auf der anderen Seite. Letztlich hängt aber nichts weniger als die Glaubwürdigkeit des Managements entscheidend davon ab, ob mit einfachen und verständlichen Strategien und dazugehörigen Botschaften die Mitarbeitenden im Unternehmen und auch die Öffentlichkeit überzeugt werden können.

Die Welt ist leider kompliziert – das Umfeld sehr turbulent und für viele intransparent
In der Informatik und Telekommunikation – als Beispiel – wurde in den letzten Jahren eine ungeheure Komplexität und Dynamik vorgegeben; diese können aber nur von wenigen durchschaut werden. Ein gewaltiger Umbruch und bisher nie für möglich Gehaltenes haben gleich mehrere wichtige Bereiche erfasst – der interessierte Zeitgenosse staunt:
  • Neue Technologien ändern die Spielregeln im Markt grundlegend: Die digitale Mobilkommunikation macht zunehmend Schmalbanddienste drahtlos und Festnetze zu Breitband-Datennetzen. Die Glasfasertechnik lässt Distanzkosten innert fünf Jahren praktisch verschwinden.
  • Die Finanzmarktturbulenzen können riesige Schäden verursachen: Zuerst überzogene, dann enttäuschte Investorenhoffnungen haben gigantische Bankrotte, dramatische Fehlinvestitionen und zahlreiche massiv verschuldete Unternehmen hinterlassen.
  • Regulatoreingriffe können zwar Nutzen schaffen, aber auch ganze Branchen schädigen: Staatliche Interventionen haben in bestimmten Fällen Konsumentennutzen gebracht, so bewirkte etwa die Interkonnektion massive Preissenkungen in der Festnetztelefonie. Aber auch ganze Branchen wurden entschieden geschwächt: Einige UMTS-Lizenzauktionen in Europa haben einen Scherbenhaufen hinterlassen und den Traum von einer führenden europäischen Informationsgesellschaft zum Platzen gebracht.
  • Viele Unternehmensstrategien scheinen opportunistisch und unglaubwürdig: Viel versprechend dargestellte Geschäftsmodelle mit goldener Zukunft wurden innert kürzester Zeit fallen gelassen und als nicht machbar erkannt (E-Commerce-Unternehmen wurden von der Börse hochgejubelt). Heute ist es klar, dass die meisten dieser Geschäftsmodelle kaum eigenständig funktionieren können.
Stakeholder müssen Zusammenhänge selber erkennen können
Die Märkte haben Betroffene, die Stakeholder, die mit Recht hohe Ansprüche geltend machen: Kunden und Mitarbeiter von Unternehmen, Aktionäre, Kreditgeber, Öffentlichkeit. Viele Informationen aber sind verwirrend, unverständlich, nicht nachvollziehbar. Beispiele:
  • Warum sind viele Telekomunternehmen so hoch verschuldet, Swisscom aber nicht?
  • Warum steigt Telefonica aus dem Schweizer UMTS-Geschäft aus, Swisscom hingegen investiert?
  • Warum will der Bundesrat die letzte Meile entbündeln, wo doch offensichtlich Wettbewerb zwischen Swisscom und den Kabelnetzbetreibern herrscht?
Stakeholder wollen nicht nur kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen, sondern sie müssen sich auf gewisse Spielregeln und Fakten verlassen können: Kunden müssen sich auf ihren Anbieter von lebenswichtigen Telco-Leistungen verlassen können (ist Swisscom übermorgen auch noch da?). Mitarbeiter müssen sich auf ihren Arbeitgeber verlassen können (ist Swisscom gesund?). Aktionäre und Kreditgeber müssen sich auf das Management verlassen können (ist mein Geld bei Swisscom gut angelegt?). Die Öffentlichkeit muss die Unternehmensstrategien einschätzen können (werden von Swisscom die öffentlichen Interessen gebührend berücksichtigt?).

Aber Vertrauen allein genügt nicht. Erwachsene Menschen müssen sich selbst ein Urteil bilden können. Die Stakeholder müssen deshalb die wichtigsten Zusammenhänge selbst nachvollziehen und verstehen können.

Nur Mutige schwimmen gegen den Strom
Es ist daher eine der wichtigsten Aufgaben des Managements, die wesentlichen Zusammenhänge so zu erläutern, dass die Stakeholder die Zusammenhänge erkennen und sich deshalb eine eigene Meinung zu den Spielregeln und Fakten eines Marktes bilden können.

Es ist also zwingend, dass das Geschäft in seiner ganzen Komplexität vom Management verstanden wird und alle wichtigen Entscheide auf diesem Verständnis abgestützt und nachvollziehbar sein müssen. Me-too-Strategien sind riskant. Dies tönt simpel, ist es aber nicht. Haben auf dem Höhepunkt des Internet- und Telco-Hypes im Jahr 2000 alle Entscheidungsträger die auf Hochglanzpapier präsentierten «innovativen» Geschäftsmodelle wirklich verstanden? Wer in dieser Zeit – wie Swisscom – weitgehend abseits des munteren Akquisitionstreibens stand, war auf den Road-Shows vor den Analysten und Investoren einem sehr hohen Druck ausgesetzt. Gegen den Strom schwimmen erfordert nicht nur Kraft, sondern auch Mut und – das sei ehrlicherweise hinzugefügt – für den Erfolg auch eine gehörige Portion Glück. Voraussetzung ist ein gut funktionierendes Managementteam, wo die einzelnen Akteure mitunter auch einander eingestehen: Ich verstehe es nicht! (Noch Monate nach dem Platzen der Internetblase wurden der Swisscom zuhauf «zukunftsträchtige» Unternehmen «günstig» zum Kauf angeboten.)

Die wesentlichsten Zusammenhänge müssen sodann vom Management herausgefiltert und den Stakeholdern verständlich und überzeugend kommuniziert werden. Persönliche Auftritte und damit das persönliche Engagement sind zwingend, Stellvertreter vorschieben taugt nicht. Neue Erkenntnisse sind nicht verboten, denn das Umfeld und die Märkte wandeln sich, und auch Fehler sind menschlich. Die Änderungen müssen allerdings ebenfalls nachvollziehbar und glaubwürdig kommuniziert sein.

Keine Angst bei Rückbesinnung auf das Wesentliche, Tabus zu brechen
Warum nicht einmal ausnahmsweise zurücklehnen und über neue Formen des Geschäftens nachdenken? Gibt es Alternativen zum gängigen Wachstumsdenken, wonach nur Wachstum auch Erfolg und steigende Aktienkurse verspricht – ein Wachstum, das aber stetig steigende Umsätze und Gewinne voraussetzt.

Ist es nicht mitunter sinnvoller und wertsteigernd, im Unternehmen möglichst viel Cash zu generieren, freizusetzen und Überschüsse regelmässig den Anteilseignern auszuschütten? Ein einfacher Gedanke zwar – wer aber das gängige Wachstumsdenken verinnerlicht hat, mag dies als Tabubruch zu erkennen. Der Entscheid fiel auch uns nicht leicht: Swisscom schüttete den Aktionären 2002 in einem Umfeld mit vielen hoch verschuldeten Telco-Unternehmen 4,3 Milliarden Franken in Form eines Aktienrückkaufs aus. Dies mit der Überzeugung, auch die längerfristigen Interessen der Aktionäre berücksichtigt zu haben.

«Keep it simple» birgt auch Risiken
Die Risiken des Prinzips der Einfachheit sind vorhanden, denn auch Topmanager verstehen nicht alles. Auf Grund der Marktdynamik überholte «Wahrheiten» können schliesslich alle überfordern. Undifferenziertheit kann zudem Missverständnisse auslösen. Und wichtig in der Kommunikation: Ein unterschiedlicher Informationsstand bei den Adressaten verursacht unterschiedliche Kommunikationsbedürfnisse.

Allerdings sind die Alternativen zum Prinzip der Einfachheit riskanter: Komplexität lässt sich kaum verständlich einem grösseren Publikum kommunizieren. Enttäuschtes Vertrauen kann bei Ungereimtheiten in sehr kurzer Zeit fatale Folgen für das Unternehmen haben. Das Vertrauen wieder aufzubauen, kann dagegen Monate und Jahre dauern.

Prinzip der Einfachheit schafft einen Vertrauensbonus
Das Prinzip der Einfachheit in Strategie und Kommunikation wird bei Swisscom seit Jahren gelebt. Das Management unternimmt grosse Anstrengungen, allen Stakeholdern verständlich die Zusammenhänge aufzuzeigen. Wir fühlen uns bestätigt: Umfragen zeigen, dass die meisten Mitarbeiter Swisscom als einen verlässlichen Arbeitgeber empfinden. Das schafft ein Grundklima des Vertrauens, das wiederum langfristig die Produktivität steigern hilft.

Kunden zweifeln nicht, dass Swisscom auch langfristig in der Schweiz qualitativ hochwertige Telco- und IT-Leistungen erbringen wird. Die Aktionäre quittieren die transparente, einfache und glaubwürdige Unternehmensstrategie mit einer weit über dem Sektor liegenden Aktienperformance. Die Öffentlichkeit bringt Swisscom auf Grund positiver Erfahrungen einen Vertrauensbonus entgegen.

Abstract
Das Management eines Unternehmens muss das Geschäft in seiner ganzen Komplexität verstehen, um auch allegmein verständlich darüber sprechen zu können. Wesentliche Zusammenhänge müssen zudem so erläutert werden, dass sie von den Stakeholdern nicht nur verstanden werden, sondern dass sich diese auch eine eigene Meinung zu den Spielregeln und Fakten eines Marktes bilden können.

Das Prinzip der Einfachheit birgt zwar ein gewisses Risiko, dass Zusammenhänge zu simpel dargestellt werden. Doch die Alternativen zum Prinzip der Einfachheit sind noch viel riskanter: Wer sich nicht verständlich machen kann, stösst auf Skepsis; enttäuschtes Vertrauen wegen Ungereimtheiten kann fatale Folgen haben. Persönliche Auftritte und damit das persönliche Engagement sind zwingend. Stellvertreter vorschieben taugt nicht.
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