Die folgende Geschichte wird Anne-Sophie Mutter und meinem Karosseriespengler nicht gefallen. Dafür gefällt sie Muhammad Ali.

Es geht um die menschliche Hand.

Die menschliche Hand unterscheidet sich deutlich von der Hand von Primaten wie den Schimpansen. Die menschliche Hand hat eine deutlich kleinere Handfläche und kürzere Finger. Dafür ist der Daumen länger und beweglicher.

Die Affenhand, mit langen Fingern und langer Handfläche, aber kurzem Daumen, ist zum Klettern ideal. Die Menschenhand, mit kurzen Fingern und kurzer Handfläche, aber langem Daumen, kann perfekt mit Werkzeugen umgehen.

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Nur der Homo sapiens beherrscht beide Grifftechniken für Werkzeuge. Er kann den Präzisionsgriff, bei dem er etwa einen Bleistift zwischen Daumen und Zeigefinger fixiert. Und er kann den Kraftgriff, bei dem sich der Daumen gegen die Handfläche richtet und mit dem er schwere Objekte wie eine Axt oder eine Flasche halten kann.

Lange schien die Entstehung der Hand geklärt. Die Hand entwickelte sich zu ihrer Form, weil nur so Zivilisation und Kultur möglich wurden. Seit dem Altertum konnten immer neue Instrumente und Werkzeuge entstehen, der Geigenbogen genauso wie der Hammer des Karosseriespenglers.

Doch die menschliche Hand hat eine lange übersehene Besonderheit. Sie ist der einzige Körperteil mit zwei Namen. Im entspannten Zustand heisst sie Hand, im geballten Zustand Faust. Der Fuss heisst immer Fuss.

Die Forschung hat sich immer nur für die Hand interessiert. An der Universität Utah haben sich Biologen nun mit der Faust befasst. Sie entwickelten danach eine neue Theorie über die Entstehung der menschlichen Hand. Die Theorie hat weniger mit Zivilisation als mit Gewalt zu tun.

Kampfsportler schlugen im Experiment auf einen Sandsack ein, erst mit der Faust, dann mit der offenen Hand. Überraschenderweise war die reine Krafteinwirkung dieselbe. Weil die Faust aber nur ein Drittel so gross wie die Handfläche ist, war die Durchschlagskraft der Faust deutlich grösser. Verstärkt wurde dieser Effekt durch die vorstehenden Knöchel, die nochmals eine viel höhere Zerstörungskraft als die Handfläche erzeugten.

Die Zerstörungskraft der Faust, so zeigte sich, liegt auch darin begründet, dass die Länge der Finger ideal in die Handfläche passt. Durch den Klammergriff des Daumens werden die Finger zu einem kompakten Schlaginstrument zusammengepresst.

Die Menschenhand mit kurzen Fingern und kurzer Handfläche, aber langem Daumen ist demnach nicht zum Gebrauch von Werkzeugen entstanden. Sie entstand zum Gebrauch als Faust. Darum hat sie sich zur heutigen Form entwickelt. Schimpansen zum Beispiel können keine Faust machen.

Die Faust wurde zum Selektionskriterium. Die Männer mit den harten Fäusten setzten sich durch, pflanzten sich häufiger fort, und die Fäuste wurden in der Evolution immer besser. Die Männer mit den schlanken Händen, die gut mit Werkzeugen umgehen konnten, waren nur zweite Wahl.

Das sei, so sagen die Forscher, bis heute so geblieben. Da sitzt etwa ein Goldschmied in seinem Laden und hat mit seinen feinen Händen eine Goldkette ziseliert. Nun kommt einer in seinen Laden, haut ihm die Faust auf den Kopf und nimmt ihm die Kette weg.

So ist das Leben.

Kurt W. Zimmermann ist Verlagsunternehmer. Er ist Kolumnist und Buchautor zu den Themen Medien und Outdoor-Sport. Zudem studiert er Biologie.