Er mag die schönen Dinge im Leben. Und am liebsten würde er das zum Beruf machen: «Luxus fasziniert mich», sagt Patrick Pfannkuche (33), «und wenn ich mir die weltweiten Zuwachsraten und die Profitabiliät der Branche anschaue, dann zeigt mir das, dass hier noch sehr viel Potenzial vorhanden ist.»

Das Zukunftsversprechen war dem promovierten Germanisten ein Investment wert: 13 400 Franken für die Teilnahme am ersten Lehrgang Certificate of Advanced Studies (CAS) Luxury Management in der Schweiz an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich. Dieser Nachdiplomstudiengang habe ihm die Augen geöffnet für die Mechanismen des Luxusmarkts, sagt Pfannkuche. Der Preis für die 14 Studientage sei zwar hoch, «aber so konnte ich meine bisherigen Kenntnisse auch theoretisch unterfüttern». Die persönliche Startrampe für den Einstieg in die Luxusbranche, glaubt er, steht bereit: «Ich habe nun vorbereitetes Expertenwissen, das mir erlaubt, in das Luxusmarketing einzusteigen.»

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Literatur- und Kulturwissenschaftler Pfannkuche beschäftigte sich bereits in seiner Dissertation mit Mode und Hotels und war Teil der neunköpfigen Pilotklasse, die letzten August den ersten CAS Luxury Management der Schweiz antrat. Mit ihrem Zertifikatslehrgang ist die HWZ nicht allein unterwegs. Die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) lanciert das Thema, und auch das Lorange Institute in Horgen ZH macht «Weiterbildung de luxe» zum Thema (siehe Übersicht).

Luxuspreis

Diese plötzliche Parallelität hat auch Michael Grund überrascht. «Offenbar ist dieser Trend an verschiedenen Orten gleichzeitig heiss geworden», sagt der Chef des Center for Marketing an der HWZ, der auch als Studiengangsleiter des neuen Luxus-CAS amtet. Der luxuriöse Preis – rund ein Drittel über einem üblichen CAS dieser Länge – erkläre sich vor allem durch «teure Dozierende» aus Deutschland, Monaco, den USA und Hongkong.

Im September 2014 startet an der HWZ die zweite Auflage des Lehrganges, den man dann ganz auf Englisch anbieten werde, «weil wir einige Anfragen hatten von Interessenten, die nicht Deutsch sprechen». Auch sie werden lernen, wie man Zahlungsbereitschaft abschöpft, mit beschränktem Angebot Begehrlichkeit weckt oder mit Berechnungsmodellen Differenzierungs-Chancen in verschiedenen Branchen erkennt. Die maximal 22 Luxus-Eleven werden Fallstudien wälzen und die Bandbreite des Luxus, wie es im Kurs-Curriculum heisst, «von der diamantbesetzten Rolex-Uhr bis hin zum hochpreisigen schwarzen Toilettenpapier» erklärt bekommen.

Genau diese Bandbreite sei wissenschaftlich und dennoch mundgerecht und humorvoll sehr gut aufgezeigt worden, sagt Sabine Armborst (40). Die Teilnehmerin am HWZ-Pilotkurs kennt die Branche als Leiterin des Trainings- und Promotions-Teams von Estée Lauder und Tom Ford Schweiz. Dank den Vorträgen von Professor Oliver Heil vom Center for Luxury Research an der Universität Mainz habe man Formeln für die Potenzialberechnung von Luxusmärkten bekommen. Dazu gehörten auch Exkursionen zum Autohaus Schmohl in Opfikon ZH (Rolls-Royce, Bentley, Bugatti) und zur Immobiliengesellschaft Mobimo.

Modischer Lehrgang

Bei so hohen Kurspreisen hätte man auch erwarten können, dass hiesige Koryphäen, etwa von Hublot oder Rolex, als Gastdozenten aufgetreten wären. Doch da war nichts. Sabine Armborst störte das nicht: «Getreu einer wichtigen Luxusdevise ‹Alles können, nichts müssen› gefiel mir der branchenübergreifende Mix verschiedenster Luxusmarken, der nicht nur stereotyp Uhren durchleuchtete, sondern auch die von mir präferierten Auto- und Fashionmärkte.»

Wenn es nun «Fiat Luxus» heisst in der Weiterbildungsbranche, werden Skeptiker hellhörig. Sind das ein paar weitere Lianen im Schweizer Weiterbildungsdschungel? Die neuen Zertifikatslehrgänge werden ausgelobt für Fachkräfte, die bereits in der Luxusbranche tätig sind, aber auch für Interessierte, die den Einstieg suchen. Wächst hier ein Reservoir künftiger Star-Vermarkter? Oder ist es bloss ein modischer Lehrgang mehr, der sich in der Realität kaum nutzen lässt? Im Wirrwarr des Weiterbildungsmarktes folgen Kursthemen zuweilen Trends mit geringer Halbwertszeit.

Cary Steinmann, Leiter International Marketing an der ZHAW, sieht das anders. Noch in diesem Jahr wird in Winterthur der erste CAS Luxury Management and Marketing gestartet. Nach einjähriger Recherche und Vorarbeit wisse man, dass «dieses Thema immer heisser und relevanter» werde. Durch die zunehmende Konkurrenz im Premium- und Luxusmarkengeschäft würden viele bisherige Marketingmechanismen obsolet, es brauche neue Strategien und Online-Zugänge, um an der Spitze zu bleiben.

Positive Weiterbildung

Steinmann, Programmchef des neuen Studiengangs, gibt zu, dass die Weiterbildungsbranche in der Vergangenheit oftmals hurtig bei Modethemen – Kaizen, Total Quality Management, Customer Relationship Management – aufgesprungen sei. Luxus sei anders geartet: «Dieses Thema bleibt uns ganz sicher erhalten – es sei denn, China ginge unter.» Schon 2013 führte die ZHAW eine Sommerakademie zum Thema «Luxury Brand Management» durch. Mit Erfolg, wie Steinmann sagt: «Wir waren auf Exkursion im ‹Fairmont Le Montreux Palace›, bei der Mercedes-S-Klasse-Produktion in Sindelfingen bei Stuttgart und bei Boesch Boats am Zürichsee. Die Studis hatten Tränen in den Augen, als sie ein 750 000 Franken teures Boot im Entstehen sehen konnten.» Für Steinmann ein Beispiel dafür, wie eingeschränkt der Luxusbereich betrachtet werde: «Meist spricht man über Uhren und Autos – aber in Bereichen wie Booten, Wein und Hotellerie wird ebenfalls am grossen Rad gedreht.»

Lebenslänglich. Mit geschätzten Jahresausgaben von fünf Milliarden Franken ist auch der Weiterbildungsmarkt ein «grosses Rad». Schweizerinnen und Schweizer nehmen sich den Imperativ des «Lifelong Learnings» sehr zu Herzen und reihen oft Weiterbildung an Weiterbildung.

Ursula Altorfer (44) hat diesbezüglich viel Erfahrung. Nach der KV-Lehre bildete sie sich zur Direktionsassistentin und Webpublisherin weiter, hängte Lehrgänge als Marketingfachfrau und Texterin an. Der CAS Luxury Management ist somit ihre fünfte Weiterbildung. Altorfer kennt die Branche, sie ist Marketing Director bei La Prairie Schweiz. Ihr Return on Investment: «Im täglichen Geschäft kann Umsatzdruck zu Massnahmen verleiten, die kurzfristig nützen, der Marke aber langfristig schaden. Hier konnte man vieles lernen und erfahren, in welchen Produktkategorien der Luxusansatz noch nicht ausgeschöpft ist. Warum beispielsweise nicht ein Luxus-Festnetztelefon für den Heimgebrauch lancieren?» Altorfers Fazit: «Eine überdurchschnittlich positive Weiterbildung. Es gibt natürlich keine Garantie, dass man durch diese Weiterbildung als Neuling gleich einen Job erhält – es erhöht aber sicher die Chancen dafür.»

Sicher boomt der Luxusmarkt. Wichtige Arbeitgeber wie Swatch Group oder Richemont schaffen in der Schweiz auch dieses Jahr Hunderte neue Arbeitsplätze. Wie viele Fachkräfte im Bereich des Luxury Managements in der Schweiz insgesamt tätig sind, vermag aber niemand zu sagen. Der Bedarf an solchen Professionals lässt sich also kaum abschätzen.

Kann ein CAS Luxury Management als Startrampe in die Traumbranche dienen? Personalchefs von Luxusfirmen äussern sich vorsichtig: «In der Regel haben unsere Talente ein abgeschlossenes Studium, häufig im Bereich Marketing, und kommen dann als Trainees zu uns», sagt Brigitte Bruggmann, Global Vice President Human Resources bei der Luxuskosmetikfirma La Prairie. Von den 130 Mitarbeitenden am Hauptsitz in Volketswil ZH seien etwa 40 der Fachrichtung Luxury Management zuzuordnen. Für Rekrutierende sei es optimal, wenn mit den CAS-Lehrgängen quasi der Fischteich grösser werde, «aber natürlich ist der Bedarf schweizweit nicht gerade riesig», sagt Bruggmann. Es werde zwei bis drei Jahre dauern, bis man beurteilen könne, ob die neuen Lehrgänge eine Modeerscheinung oder nachhaltig seien. Wie begehrt die Branche ist, erfährt man bei der Beiersdorf- Tochter Tag für Tag. Auf deren Website ist ein Link für «Spontanbewerbungen» aktiv, der jährlich rund 300 Inputs auslöse, «mit besonderer Häufung nach dem Wochenende».

Talentpool

Jenny Dinich-Seitner, Director Human Resources bei IWC Schaffhausen, freut sich, dass in neuen Lehrgängen neue Talente heranwachsen. Typische Profile für Fachleute im Luxusmarketing gebe es bei IWC nicht: «Wir suchen meist Experten aus der klassischen Luxusindustrie, häufig mit BWL- oder Kommunikationsagentur-Hintergrund.» Darüber hinaus lege man Wert auf Absolventen führender Universitäten, im Besondern der HSG, die durch strukturierte Programme eingeführt würden. Für IWC sind am Hauptsitz in Schaffhausen rund 750 Mitarbeitende tätig, davon 12 bis 15 Prozent im Bereich Marketing und Sales.

Gute Leute seien grundsätzlich immer gesucht, sagt Delphine Favier, Managing Director Schweiz von Montblanc, doch der Platz sei rar. Von den 190 Schweizer Mitarbeitenden in Le Locle NE, Villeret BE und Zürich könne man rund 40 zum Segment des Luxury Marketings zählen. Zwei Trainees stelle man im Marketing jährlich ein und achte dabei auf Merkmale wie Luxus-Spirit, Empathie und Leidenschaft für Produkte aus der Welt der Uhren, Schreibgeräte, Leder- und Schmuckwaren, in der Montblanc tätig ist. Die neuen CAS-Lehrgänge seien eine gute Sache, sagt Favier, «aber noch besser ist es, wenn Jobkandidaten schon Branchenerfahrung haben». Die Jobchancen für Absolventen dürfe man nicht einseitig auf die Schweiz beschränken, meint Cary Steinmann von der ZHAW, «man kann hier seinen Schulsack füllen und auch international begehrenswert werden».

Kann jede und jeder per Weiterbildung zum Luxus-Manager werden? «Man kann die Mechanismen der Begehrlichkeit, der Distribution und der Preissetzung lernen», sagt Brigitte Bruggmann, «aber wer die grundsätzliche Affinität und das Auge dafür nicht hat, wird nicht reüssieren.» Die Kaderschmiede sei in Frankreich, sagt die HR-Fachfrau im Bereich Luxuskosmetik: «Das Harvard des Luxusmanagements in Europa ist und bleibt der MBA-Studiengang International Luxury Brand Management der Pariser Essec Business School.»

Patrick Pfannkuche hatte sich auch diese Weiterbildung angeschaut. Doch der HWZ-Zertifikatslehrgang erschien ihm aufgrund der «komprimierten Form» geeigneter. Nach dem Kurs fühlt er sich fit für die Branche; seine Projektarbeit hat das Thema Männerschmuck. «Wenn man sich einmal anschaut, wie sich indische Maharadschas noch im 20. Jahrhundert mit Perlenketten und Diamanten schmückten, dann sieht man, dass es das Thema so schon einmal gab.» Heute seien vor allem Uhr, Ehering und Manschettenknopf sozial akzeptiert, «doch angesichts der Männer, die in Hongkong und Singapur mit edelsteinbesetzten Gürtelschnallen unterwegs sind, ahnt man, dass noch Luft nach oben ist. Auch lederne Armbänder werden weiter Karriere machen.» Pfannkuche will zeigen, wie das Potenzial auszuschöpfen wäre. Für seine Arbeit. Und für seine Karriere.

Andreas Güntert
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