Remo Schilliger muss einiges richtig gemacht haben. Sonst wäre nicht erklärbar, dass seine Firma Nextage nach wie vor erfolgreich auf dem Markt ist, während zahlreiche ähnliche ehemalige Garagenfirmen nach dem Platzen der New-Economy-Luftblase verschwunden sind.

«Wir haben die Gelder für unser Wachstum immer eigenfinanziert», sagt Schilliger im Sitzungsraum in Littau bei Luzern. Und man habe niemals um jeden Preis wachsen wollen – ein Ansatz, der manchem Unternehmer zur Zeit der New Economy gänzlich fremd war. Mit 15 Mitarbeitenden habe die Firma eine ideale Grösse, denn bei mehr Angestellten nehme die Administration zu und die Flexibilität ab. Zudem sei es nicht einfach, die richtigen Leute zu finden.

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Das Konkurrenzumfeld in Luzern ist geschrumpft, die Nextage gewachsen. Heute ist sie die grösste Luzerner Internetfirma. Bei Konkurrenzpräsentationen tritt das Unternehmen oft gegen die immer gleichen Mitbewerber aus Zürich, Bern und Biel an. Die Kriterien bei solchen Konkurrenzpräsentationen haben sich verändert: Der Kostenfaktor ist ebenso wichtiger geworden wie die Perspektive für eine langfristige Zusammenarbeit.

Standardofferten erstellt Schilliger keine. «Wir individualisieren die Offerte, bauen Ideen ein, geben aber nicht alles preis», sagt Schilliger, mit 31 Jahren der älteste der drei Geschäftsführer. Dies ist notwendig, denn in dieser Branche werden frivol Ideen geklaut. Vorteilhaft sei für den Kunden, dass jedes Projekt von einem der Geschäftsführer geleitet werde. Kunden sind vor allem mittlere und grosse Unternehmen aus verschiedenen Branchen:

Bodum, die Bank Hofmann, Parisienne, Trisa, Mobility Carsharing und das Seco. «So unterschiedlich die Branchen auch sind, alle wollen primär Informationen übers Internet vermitteln», sagt Schilliger.

Als die Firma einst das Luzerner Comicfestival Fumetto betreute, sind Zeichner in Luzern per Videokonferenzschaltung mit Korsika verbunden worden, wo ebenfalls ein Comicfestival stattfand. Dank dieser Kommunikationstechnologie kam ein Comic zu Stande, an dem zugleich Zeichner in Luzern und in Korsika arbeiteten. So kommt es gelegentlich vor, dass aus einem Projekt ein neues Produkt entwickelt wird.

Dank dieser Videokonferenzlösung wäre es eigentlich gar nicht mehr notwendig, nach Littau zu fahren, um mit Remo Schilliger zu sprechen. «Wir hätten unser Gespräch auch mittels Videokonferenz führen können», sagt Schilliger, aber natürlich habe die Face-to-Face-Kommunikation manche Vorteile.

Auf der anderen Seite können durch Fernanwesenheit aber auch Zeit und Kosten gespart werden. Zahlreiche Kunden setzen auf diesen Effekt. So nutzt das Ernährungsberatungsunternehmen Herbalife in Deutschland und in der Schweiz eine individualisierte Nextage-Applikation für Videokonferenzen. Demnächst kommen Südafrika und China hinzu. Von der Universität Basel hat Nextage den Auftrag erhalten, ein E-Learning-Modul zu programmieren.

Die drei jetzigen Geschäftsführer lernten sich während ihrer Ausbildung als Typo- und Lithografen kennen. Sie waren in verschiedenen grafischen Unternehmen tätig, liessen sich weiterbilden und arbeiteten schon bald an eigenen Internetprojekten. Die Selbstständigkeit war lange so etwas wie ein Traum. Schliesslich entstand die Idee, gemeinsame Sache zu machen, um vom Einzelkämpfertum wegzukommen. Die drei trafen sich öfters nach der Arbeit in einer Autobahnraststätte, um die Gründung in die Wege zu leiten. Dann ging alles sehr schnell, wesentlich schneller jedenfalls, als sie es zuerst angenommen hatten.

So erhielten sie gleich als Erstes einen Grossauftrag der UBS, die über Google mit Suchwörtern auf die Jungunternehmer aufmerksam geworden war. «Für die Präsentation haben wir uns Anzüge und Krawatten organisiert», sagt Schilliger. Dann aber seien sie bei der UBS von einem ziemlich leger gekleideten Angestellten empfangen worden. «Als wir in die Abteilung kamen, realisierten wir, dass wir total overdressed waren, denn dort arbeiteten ausschliesslich locker gekleidete Programmierer.»

Eine Zeit lang haben sie dann fast nur noch im Auftrag einer Werbeagentur für Orange und Peugeot gearbeitet. Sie erhielten von der international tätigen Agentur ein lukratives Übernahmeangebot – und lehnten ab. «Im Nachhinein hat sich die Ablehnung des Angebots als absolut richtig erwiesen», sagt Schilliger. Damals kamen 80 Prozent der Aufträge durch Werbeagenturen und 20 Prozent direkt von den Kunden. Heute verhält sich dies genau umgekehrt. Im Jahr 2001 gewann die Agentur den Jungunternehmer-Preis der Zentralschweiz. Dies brachte der Internetagentur viele Medienberichte ein.

Der administrative Aufwand und der Papierkrieg seien während der Gründung sehr hoch gewesen, sagt Schilliger. Und wer sich selbstständig macht, denkt zuerst an die Kernidee und nicht an ausstehende Sozialleistungen. Plötzlich flattert dann beispielsweise von der AHV eine Rechnung über 30 000 Franken ins Haus. Hätte Schilliger damals gewusst, was alles auf ihn zukommt, dann hätte er sich alles zumindest nochmals sehr gut überlegt.

Sechs Jahre nach der Gründung hatten zwei der drei Unternehmer die Idee, in Dubai eine neue Firma aufzubauen. «Wir stellen dort im Herbst zwei oder drei Leute ein mit dem Ziel, europäische Firmen mit Sitz in Dubai als Kunden zu gewinnen», sagt Schilliger. Nextage und Swissway – so der Name der Firma in Dubai – sind eigenständige und vollständig voneinander getrennte Firmen. Das administrative Prozedere in Dubai könne ganz schön kompliziert werden, sagt Schilliger. «Aber mit Toblerone kommt man erstaunlich weit.»

In seinem Team arbeiten Designer, Projektleiter und Programmierer von der ETH. Die Einstellungsgespräche verlaufen unkonventionell. Meist geht man mit dem Kandidaten nach dem Bewerbungsgespräch noch etwas trinken. So merkt man schnell, ob jemand ins Team passt, was gerade bei einem kleinen Unternehmen sehr wichtig ist.

Schliesslich unternimmt man auch mal in der Freizeit etwas zusammen. Das Verhältnis untereinander ist sehr kollegial. Aber wenn das jemand auszunutzen versucht, wird schnell ein Schlussstrich gezogen. Einmal kam ein Mitarbeiter drei Tage nicht zur Arbeit und tischte dann eine offensichtlich erlogene Ausrede auf. Er musste die Agentur am selben Tag verlassen. Zwar sei «Führung» ein militärischer Begriff, sagt Schilliger dazu, aber gewisse Strukturen müssten halt einfach vorhanden sein.

Schwierig war die Zeit, als einer der vier Gründer ausstieg. «Er kam mit seinem Treuhänder – und eigentlich ging alles nur noch um Geld», so Schilliger. In solchen Ausnahmesituationen werden vergangene gute Zeiten entwertet. Für den Fall, dass wieder einmal einer aussteigen sollte, haben die drei Geschäftsführer inzwischen alles geregelt.

Schilliger ist ein ausgeglichener Typ, und grundsätzlich sei er eher zurückhaltend. Wenn es aber um Präsentationen, Schulungen oder andere Vermittlungen von Inhalten geht, dann steht er gerne im Mittelpunkt, um sein Wissen weiterzugeben. Die spärliche Freizeit verbringt er mit Tauchen, Fussball und Jogging. Aber eigentlich dreht sich sein ganzes Leben in erster Linie ums Geschäft. Er arbeitet zwischen 10 und 14 Stunden pro Tag – früher sieben Tage pro Woche. Inzwischen soll zumindest an Wochenenden nicht mehr gearbeitet werden. Meist wird dies sogar eingehalten.

«Eine Kollegin meinte einst, ich verpasse doch das ganze Leben, weil ich dauernd arbeite», sagt Schilliger. Er habe ihr dann gesagt, dass sie ihren Feierabend kaum erwarten könne, weil sie ihren Job eigentlich nicht möge – er hingegen habe Freude an seiner Arbeit. «Man braucht eine angenehme Arbeit und ein gutes Bett, denn dort verbringt man die meiste Zeit im Leben.»

Nextage

Gegründet: 1999

Umsatz: rund 2 Millionen Franken

Anzahl Mitarbeitende: 15

Geschäftsleitung: Remo Schilliger, Marco Eggenschwiler, Marcel Kaufmann

Finanzierung: GmbH (ohne Fremdkapital)

Geschäftsidee: «Wir bieten Beratung, Design und technische Umsetzung von Internetlösungen für Mittel- und Grossunternehmen an.»

Firmenphilosophie: «Wir wollen primär Freude an der Arbeit haben und mit
unseren Kunden erfolgreiche Internetprojekte realisieren.»

Führungsgrundsätze: «Wir praktizieren einen ehrlichen und klaren Führungsstil. Wenn Konflikte auftreten, diskutieren wir sie aus.»

Junior Chamber

BILANZ präsentiert in jeder Ausgabe ein Beispiel von jungem Unternehmertum – in Zusammenarbeit mit der Junior Chamber Switzerland (JCS). Die Chamber ist das grösste Netzwerk von jungen Führungskräften und Unternehmern in der Schweiz. Weitere Infos und Angaben zu JCS-Veranstaltungen auf www.juniorchamber.ch