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Gastbeitrag

Warum KMU das Metaverse für sich entdecken sollten

Das Metaverse erfreut sich grossem Interesse und vielfältigem Einsatz – als Service, als Anleitung, als Spiel oder als Analysetool.

Quelle: ZVG
Im Rahmen der Schweizer Digitaltage besuchten 32 KMU-Vertretende das Metaverse. Es zeigte sich: Der virtuelle Raum bietet für sie viel Potenzial.
Von Maria De Bon
am 22. Oktober 2022

Kaum ist die Brille aufgesetzt und sind die Kopfhörer heruntergeklappt, ist er auch schon da, der immersive Raum. Die Joysticks in der linken und rechten Hand fühlen sich ungewohnt an. Vor den Augen erscheint eine grüne Wiese und die Hände finden sich in rot-schwarzen Handschuhen wieder. Das Summen von Bienen erfüllt den Raum.

In der Rolle als Imkerin ergreift die Unternehmerin im virtuellen Raum eine erste Bienenwabe und hebt diese aus dem Gehäuse. Gesucht ist die Bienenkönigin. Doch sie lässt sich weder in der ersten Wabe noch in einer der vier anderen finden. Anders als in der realen Welt kann im virtuellen Raum sogar die Nase in eine Waben gesteckt werden – doch auch hier findet sich die Bienenkönigin nicht.

Etwas entmutigt ob der nicht gefundenen Biene, aber mit strahlendem Gesicht durch die neue Erfahrung zieht die Unternehmerin das Headset aus. Sie ist eine von 32 Unternehmensvertreter und -vertreterinnen, die im Rahmen der Schweizer Digitaltage dem Metaverse einen Besuch abstatteten. Organisiert wurde der Anlass von dem KMU-Portal Gryps zusammen mit der Mobiliar-Versicherung. Ziel war, den KMU einen einfachen Zugang zum Metaverse zu bieten.

Anlass der Schweizer Digitaltage

Im Immersive Realities Center der Hochschule Luzern (HSLU) trafen KMU aus unterschiedlichen Branchen aufeinander und versuchten sich mit ersten Schritten im Metaverse. Das Thema Metaverse ist seit Monaten in aller Munde und wird vor allem von den grossen Unternehmen wie Meta angetrieben. Doch was bedeutet das Metaverse für Schweizer KMU? Wie sollen sie mit dem Thema umgehen?

Die Autorin Maria De Bon ist Mitglied der Geschäftsleitung von Gryps, eines KMU-Portals mit Ratgeber, Beratung und Offertenvergleich. Gryps gehört seit September 2021 als Tochterunternehmen zu Ringier Axel Springer Schweiz.

Umfrage Schweizer KMU und Metaverse
Gryps führt im Zusammenhang mit dem Metaverse eine Umfrage durch, um herauszufinden, welche Erfahrungen Unternehmen mit dem Metaverse bereits gemacht haben.

Der Link zur Umfrage findet sich hier.

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Nathaly Tschanz, Professorin für Augmented und Virtual Reality der Hochschule Luzern (HSLU), rät zur Gelassenheit. «Aktuell ist das ein Nebenschauplatz», sagt sie. Wichtig ist aber, dass sich die Unternehmen mit den neuen Möglichkeiten von immersiven Technologien beschäftigen. Sie rät Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten, aber auch Mitarbeitenden, sich aktiv mit dem Thema zu befassen und die neuen Technologien zu erleben. So gewinnen sie eine Vorstellung.

Genau dafür ist das Immersive Realities Center der Hochschule Luzern – Informatik da. An zehn Stationen können verschiedene Headsets und Anwendungen ausprobiert werden. So beispielsweise als Imker in «VR Bees», einem Schulungsprogramm für angehende Imkerinnen und Imker. Andere Anwendungen sind «Beat Saber», ein Spiel, bei dem eine Nutzerin zwei Laserschwerter in den Händen hält und damit fliegende Würfel treffen muss. Oder das Programm «Holoanatomy»: Wer das Headset Microsoft Hololens 2 anzieht, kann menschliche Skelette, Organe und sogar Blutbahnen analysieren.

Eine Unternehmerin versuchte sich am Anlass mit dieser Brille: «Wir standen zusammen ganz normal im Raum, sahen durch die Brille aber die Projektion des Körpers, der Innereien sowie des Skeletts», berichtet sie begeistert. «Wir sind um den Körper herumgelaufen und haben zusammen über den Dickdarm, das Schultergelenk oder den Kiefer diskutiert.» Sie ist fasziniert von den Möglichkeiten. Ihr Sohn arbeite in der Gesundheitsbranche und könne bestimmt von einem solchen Tool profitieren. Sie sagt zudem, dass sie sich Gedanken machen werde, wie sie die Technologie für ihre Coachingdienstleistungen nutzen kann.

Metaverse im Arbeitsalltag

Ein Ratschlag, den Tschanz an die KMU weitergibt: «Die Firmen sollten sich bereits jetzt Gedanken machen, welche Potenziale sich durch immersive Technologien im Geschäftsalltag ergeben.» Könnte das bestehende Geschäftsmodell dadurch allenfalls sogar disrumpiert werden?

Denn auch wenn aktuell noch kein Trend erkennbar ist, in welchen Branchen sich diese neuen Anwendungen rasch durchsetzen, so hört man doch immer häufiger von verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten im Alltag.

Auch Fabienne Kopp-Bolliger, Leiterin Public Outreach des Immersive Realities Centers, erzählt, dass gerade Lösungen rund um den Remote-Support oder Visualisierungen im Architektur- und Baubereich gefragt sind. «Firmen leiden unter dem Fachkräftemangel, und durch Corona hat sich vieles in den virtuellen Raum verlagert.» Gerade bei Supporttätigkeiten oder in der Ausbildung steige die Nachfrage nach dem Einsatz von Augmented-, Virtual- oder Mixed-Reality-Technologien.

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Über die Schweizer Digitaltage

«Zusammen gestalten wir die digitale Zukunft.» Unter diesem Motto stehen die Schweizer Digitaltage 2022. Bereits zum sechsten Mal lädt Digitalswitzerland die Schweizer Bevölkerung dazu ein, sich zu informieren, an Gesprächen teilzunehmen und konkrete digitale Fähigkeiten zu erwerben. Vom 5. September bis zum 23. Oktober touren die Digitaltage quer durch sieben Regionen und deren 19 Austragungsorte: Aarau, Basel, Bellinzona, Bern, Biel, Einsiedeln, Genf, Lausanne, Liestal, Lugano, Luzern, Rotkreuz, Schaffhausen, Solothurn, St. Gallen, Thun, Vaduz, Winterthur und Zürich.

Die Zusammenarbeit mit den Standortpartnern ermöglicht es Digitalswitzerland, den Einwohnerinnen und Einwohnern die Chancen der Digitalisierung mit einem auf die Regionen abgestimmten Programm näherzubringen. Vielfältige Online-Veranstaltungen ergänzen das Angebot unter www.digitaltage.swiss. Die Schweizer Digitaltage werden von zahlreichen Partnern aus der Wissenschaft und dem privaten und öffentlichen Sektor unterstützt. Hauptsponsoren sind APG SGA, Google, Huawei und Ringier.

«Bei einer solchen Anwendung handelt es sich einfach um ein Mittel zum Zweck. Der Bedarf dahinter ist, dass verschiedene Stakeholder auf Augenhöhe miteinander kommunizieren möchten», sagt Fabienne Kopp-Bolliger. Denn der Mensch lebt im 3D-Raum; er tut sich schwer mit 2D-Visualisierungen wie beispielsweise Bauplänen. Aus Sicht von Architektinnen und Architekten sind diese leicht lesbar, für jemanden ohne fachspezifische Ausbildung ist es aber schwer bis unmöglich. Genau in diesem Fall erlauben virtuelle 3D-Visualisierungen, dass Küchen, Häuser oder ganze Bauareale besucht werden können.

Technologie ist erst am Anfang

Zwei Stunden sind fast herum. Ein Unternehmer aus dem Finanzbereich lässt sich im Vorraum des Centers der HSLU auf einen der grünen, bequemen Sessel fallen. Er ist etwas erschöpft, vor allem aber beeindruckt. «Bisher fehlte mir die Vorstellungskraft. Jetzt habe ich endlich einen echten Eindruck vom immersiven Raum bekommen», sagt er.

Auch bei den anderen Unternehmern und Unternehmerinnen ist der Enthusiasmus nach der Session im immersiven Raum riesig. Gleichzeitig reifte eine Erkenntnis heran: Wir stehen am Anfang einer neuen Ära. Die Ausgangssituation ist die gleiche wie vor dreissig Jahren: Die Erfindung des Internets brachte damals ganz neue Herausforderungen. Wer jedoch früh auf das Internet setzte, profitierte im Anschluss stark.

Die gleiche Chance stellt sich auch heute. Der immersive Raum ist noch relativ günstig zu erleben, da er noch wenig kommerzialisiert ist. Zudem kann, wer früh einsteigt, mit der Entwicklung der Technologie mitwachsen. «Wenn ein Unternehmen erst in fünf Jahren anfängt, sich mit diesen Technologien zu beschäftigen, dann besteht mit einer hohen Wahrscheinlichkeit bereits ein grosser Know-how-Rückstand», bekräftigt auch Nathaly Tschanz. «Und diesen aufzuholen, wird schwer.»

Testen, lernen und anpassen – so lautet also die aktuelle Devise. Die Unternehmen sollten sich schon heute Gedanken machen, welche Ziele sie verfolgen möchten und welche Rolle sie in der Metaverse-Vision spielen wollen. Denn ein Anwendungsprogramm mit Bienen für Imkerinnen ist erst der Anfang.

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