Vor der Abstimmung zur Rentenreform hat Ihre Branche laviert. Axa und Helvetia sprachen sich als Einzige für ein Ja aus. Ihre Swiss Life sagte nichts, woraus wir schliessen: Sie waren dagegen. Richtig?
Patrick Frost*: Ja.

Dann sind Sie zufrieden mit dem Ausgang der Abstimmung?
Als Privatperson war ich gegen die Vorlage. Für die Swiss Life als Unternehmen haben sich Vor- und Nachteile aufgewogen. Daher positionierten wir uns neutral. Natürlich ist schade, dass die Anpassung der Umwandlungssätze nicht kommt. Aber es gab viele Dinge in der Vorlage, die weniger gut waren. Nun hoffen wir auf Besserung.

Auch interessant
 
 
 
 
 
 

Glauben Sie noch an eine Umsetzung?
Ja. Ich war auch das letzte Mal zuversichtlich und fand es entsprechend schade, dass man im Parlament nicht einen Kompromiss finden konnte, der für alle aufging. Mich hat überrascht, dass man so an den 70 Franken für die AHV festhielt.

Sieht der Businessplan der Swiss Life für die nächsten fünf Jahre eine Reform vor?
Nein, da steht der Status quo drin. Auch wenn ich auf eine Reform hoffe, muss ich zunächst damit rechnen, dass sich nichts verändert.

Brauchen Sie als Unternehmen die Reform überhaupt? Sie überleben auch ohne.
Irgendwann brauchen wir sie. In der heutigen Situation wird Geld von den Aktiven an die Rentner umverteilt. Das schädigt vor allem die Jungen. Je länger eine Reform herausgezögert wird, desto höher werden die Quersubventionierungen und umso anfälliger wird das System.

Sie haben Ihre Lösung gefunden: Sie ziehen sich aus den hoch regulierten Rentengeschäften mit Garantien zurück.
Das stimmt so nicht. Die Vollversicherung behält ihren Platz in unserem Angebot. Sorgen bereitet uns die Regulierung. Vielleicht kennen Sie eine stärker regulierte Branche. Ich nicht. Die überzogenen Kapitalvorschriften in Kombination mit den tiefen Zinsen haben uns dazu gezwungen, Produkte anzupassen. Es gibt noch Garantien. Aber bei Einzellebensversicherungen sinken sie tendenziell.

Auch im Pensionskassengeschäft spielt die Vollversicherung mit Mindestzins eine immer kleinere Rolle.
Im Neugeschäft stimmt das. Teilautonome Lösungen, bei denen das angeschlossene Unternehmen die Anlagerisiken selber trägt, legen zu. Dort wachsen wir.

Das Geld legen Sie teilweise in Immobilien an. Vor kurzem titelte der Finanzblog «Inside Paradeplatz»: «Swiss Life kauft jede Hütte». Haben Sie das als Kompliment genommen?
Nein, natürlich nicht. Nur in einem von zehn Verkaufsverfahren bekommen wir den Zuschlag. Ich kann die Kritik nicht nachvollziehen. Wir machen am Markt vor allem für grosse Objekte gute Angebote – und diese sind das Gegenteil von Hütten. Wir suchen zwar auch kleinere Liegenschaften, aber nicht für uns. Das ist für das Privatkundengeschäft, wo wir seit Jahren als Makler unterwegs sind.

Fest steht: Während andere sich zurückziehen, bleiben Sie ein aktiver Käufer.
Ja, wir kaufen noch immer stark zu – für rund 1 Milliarde Franken im Jahr. Wieso machen wir das? Ich war vor kurzem bei unserem Kunden mit der ältesten Police. Dieser wurde gerade hundert Jahre alt. Die Police wurde 1918 von seinem Grossvater abgeschlossen. Wenn Sie solche Renten finanzieren wollen, brauchen Sie regelmässige Erträge über Jahrzehnte. Das gibt es nur bei Immobilien und Obligationen. Mit Immobilien verdiene ich derzeit aber rund 3 Prozentpunkte mehr als mit Obligationen.

Es gibt eine berühmte Immobilie, nach der wir fragen müssen.
Sie meinen die an der unteren Bahnhofstrasse in Zürich?

Genau. Sie befinden sich seit Jahren im Streit mit Manor. Sie wollen die Miete für das Warenhaus erhöhen, Manor kämpft dagegen an. Was ist der aktuelle Stand?
Der ist unverändert. Wir fühlen uns darin bestärkt, für das Wohl unserer Kunden zu kämpfen.

Das behauptet Manor auch.
Wir sind nicht bereit, einen Milliardenkonzern zulasten unserer Versicherten zu subventionieren. Auf der einen Seite gibt es mit der Familie Maus ein paar extrem reiche Leute, die von der aktuellen Situation profitieren, und auf der anderen Seite gibt es Hunderttausende Versicherte, die auf Rendite verzichten müssen, wenn wir keinen gerechten Mietzins bekommen. Darum kämpfen wir vor Gericht. Wir sind überzeugt davon, hier auf dem richtigen Weg zu sein.

Woher stammt Ihr Optimismus?
Es gibt mehrere Verfahren. Das eine dreht sich um den Zeitpunkt des Vertragsablaufs. Da haben wir vor dem Handelsgericht gewonnen. Der Fall liegt nun am Bundesgericht. Daneben gibt es noch ein zweites Verfahren mit einem Mieterstreckungsgesuch von Manor.

Ist ein Verkauf der Immobilie an Manor noch eine Option?
Nein. Wir verkaufen nicht. Diese Toplage ist ein sehr gutes Investment für unsere Kunden. Zudem: Die Preisvorstellungen wären eh weit auseinander.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass in Ihrer Liegenschaft ein Warenhaus drin bleibt?
Nicht allzu hoch. Wir haben eine Baubewilligung für eine Umnutzung. Es geht jetzt nur noch darum, per wann wir umsetzen können. Denkbar wäre einzig, dass man sich mit Manor über eine neue Mietlösung einig würde. Aber die Aussichten sind auch hier nicht positiv.

Die Swiss Life hat das Asset Management als Geschäftszweig stark ausgebaut. Von Herbst 2016 bis Herbst 2017 haben Sie 15 Milliarden Franken an Assets akquiriert. Was sind das für Kunden?
Waren das wirklich 15 Milliarden? Ich bin selber grad ein wenig beeindruckt, wie stark wir im Drittkundengeschäft wachsen. Kunden sind vor allem institutionelle Investoren wie Pensionskassen oder Unternehmen.

Wie wird dieses Geld angelegt?
Einerseits halten wir im Drittkundengeschäft mittlerweile für fast 22 Milliarden Franken Immobilien. Wir sind einer der grössten Immobilien-Investoren Europas. Daneben verwalten wir rund 30 Milliarden in klassischen Finanzanlagen wie Obligationen und Aktien, was etwa 50 Prozent der angelegten Gelder entspricht.

Sie bieten auch Vermögensverwaltungsmandate für Private an. Wann werden Sie endlich zur Bank?
In Frankreich besitzen wir eine kleine Bank. In der Schweiz ist das aber kein Thema und Private Banking schon gar nicht. Der Ausgangspunkt für uns war: Wenn Versicherte von uns eine Rückzahlung erhalten, sitzen sie auf Geld, das sie investieren müssen. Und da wollen wir eigene Angebote machen können – zum Beispiel mit Anlagefonds. In den letzten zwölf Monaten haben wir auf diese Art eine Viertelmilliarde Franken akquiriert.

Wäre eine Banklizenz nicht nützlich? Die Baloise kann ihre Tochter Bank Soba genau in diesem Fall nutzen, um Kundengelder kurzfristig zu parkieren.
Ich muss neidlos zugeben, dass die Baloise das gut macht. Sie hat die Bank gut in ihr Geschäft integriert. Wir dagegen arbeiten mit Partnerbanken zusammen. Daher brauchen wir keine Banklizenz. Ähnliches gilt für das Hypothekargeschäft.

Es gibt ein banknahes Geschäft, das für Sie weniger gut lief: Im September klopfte das amerikanische Justizdepartement bei Ihnen an. Grund sind sogenannte Wrapper-Versicherungen, die auch genutzt wurden, um die Besitzverhältnisse an unversteuerten Bankvermögen zu verschleiern. Was lief seither?
Unsere Produkte waren nie darauf angelegt, unversteuerte Gelder zu verschleiern. Aber zu Ihrer Frage: Es gab einen Kontakt zwischen den Anwälten. Aber wir befinden uns noch in einer frühen Phase. Wir bereiten uns auf die Gespräche vor. Der Zeitplan wird durch die Amerikaner definiert.

Läuft da überhaupt noch etwas nach dem Regierungswechsel zu Donald Trump?
Da wird sicher etwas laufen, sonst hätte es die Kontaktaufnahme nicht gegeben.

Was wird Ihnen konkret vorgeworfen?
Das wissen wir nicht. Aber wir wissen, um was es gehen könnte. Es geht um das Privatkundengeschäft in Liechtenstein und Singapur. Wir sind der Ansicht, dass wir das seriös und korrekt betrieben haben.

Sind Sie in Singapur nicht vor allem in der Vermögensverwaltung für Superreiche tätig? Im Geschäftsbericht wird der Standort zusammen mit Liechtenstein und Luxemburg unter «Private Wealth Solutions» geführt.
Nein, wir betreiben da verschiedene Geschäfte. Im Moment sind wir vor allem noch in unserem angestammten Geschäft mit biometrischen Risiken wie Todesfall tätig.

Man hört, sie hätten vor kurzem geprüft, in die Sachversicherung einzusteigen.
Ja, aber wir haben uns am Ende dagegen entschieden. Der Aufbau eines eigenen Sachversicherungszweigs wäre eine mühsame und langatmige Sache geworden. Wir kamen zum Schluss, dass es besser ist, mit Partnern zusammenzuarbeiten.

Was hat Sie gelockt? Ging es darum, ein volles Sortiment anbieten zu können?
Das natürlich auch, aber der Hintergrund waren schlicht die attraktiven Margen in der Schweizer Sachversicherung. Diese sind deutlich höher als in der Lebensversicherung. Doch der Aufwand für einen Markteintritt war zu gross.

Führen hohe Markteintrittshürden zu den dicken Margen?
Das könnte durchaus einen Zusammenhang haben.

Sie sagten uns im Vorfeld, Sie freuen sich auf ein Interview, das sich nicht nur um Ihre Gesundheit dreht. Sie mussten dieses Jahr eine Auszeit nehmen, weil Sie an Krebs erkrankt waren. Das haben Sie aktiv kommuniziert. Andere versuchen, private Dinge geheim zu halten. Hatten Sie keine Angst vor den Reaktionen?
Das war ohnehin eine Zeit der Angst. Die Öffentlichkeit war nicht meine Hauptsorge. Aber natürlich habe ich die Vor- und Nachteile eines Statements abgewogen. Für mich war relativ schnell klar, dass es keinen Sinn macht, das zu verheimlichen. Vielleicht hätte ich mich etwas länger geziert, wenn ich Single gewesen wäre. Aber meine Frau wollte ja auch darüber mit ihren Freunden reden können. Und da war für mich klar, dass ich die Karten auf den Tisch legen musste.

Wie waren die Reaktionen?
Ich war positiv überrascht. Im Nachhinein fragte ich mich, wie ich überhaupt hätte auf die Idee kommen können, das nicht zu sagen.

Andere sind verstummt.
Jeder Fall ist anders. Nein, mutig war wohl einzig die konkrete Ankündigung, nach den Sommerferien wieder zurück sein zu wollen.

Da haben Sie sich zusätzlichen Druck aufgesetzt.
Für mich war das weniger Druck als Motivation. Mich im August wieder im Büro zu sehen, hat mir sehr geholfen. Es kam ja dann auch so. Ich hatte Glück. Die Abklärung meiner Krankheit war zwar mühsam, aber die eigentliche Therapie verlief wie am Schnürchen. Im August habe ich wieder Teilzeit gearbeitet.

Haben Sie sich als Chef verändert? Sitzen Sie weniger lange im Büro?
Nein, ich denke nicht. Ich war schon immer jemand, der auch mal früher nach Hause geht und dafür am Abend noch einmal einen Blick auf die Akten wirft, wenn die Kinder im Bett sind. Als ich bei der Swiss Life begann, galt noch das Credo «Von sieben bis sieben». Das ist heute nicht mehr so starr, auch wenn ich wohl noch gleich viel arbeite.

Eine schwere Krankheit reisst einen aus dem Alltag, man muss loslassen. Ist es als Konzernchef noch schwieriger, Macht und Dossiers an die Kollegen abzugeben? Sich die notwendige Zeit zu nehmen?
Nein, das war einfach. Das waren ja keine Ferien, ich war krank. Zudem habe ich mit Finanzchef Thomas Buess einen ausgezeichneten, erfahrenen Stellvertreter, der sich auf starke CEO in den einzelnen Ländereinheiten verlassen konnte. Ich hatte ja auch immer wieder Kontakt. Es gab Tage, an denen es mir sehr gut ging und ich fast schon bereute, dass ich mich bis im August abgemeldet hatte. Aber letztlich war mein bester Entscheid, dass ich während dieser Zeit keinen einzigen Schritt in das Swiss-Life-Gebäude gemacht habe.

Wie geht es Ihnen heute?
Sehr gut. Natürlich bin ich im Sport noch nicht so fit wie vor drei Jahren. Aber ich fühle mich wohl, stehe motiviert auf und bin gerne bei der Arbeit.

*Patrick Frost ist seit 2014 Konzernchef des Versicherers Swiss Life. Der 49-jährige Familienvater hat nach Studien in Naturwissenschaften, Jus und Wirtschaft seine Karriere bei der damaligen Winterthur Versicherung begonnen.