Übergangsarbeit lohnt sich nicht ab 55

Für die Menschen, die während der Corona-Krise ihren Job verloren haben, sind Zwischenverdienste (ZV) eine interessante Möglichkeit, schnell wieder Anschluss ans Berufsleben zu finden. Eine kleinere Beschäftigung, die das Konto ausbessert und die beruflichen Kompetenzen in Schwung hält. Konkret versteht man unter Zwischenverdiensten Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit, die Arbeitslose während eines Anspruchs auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung (ALV) erzielen. Für wen lohnen sich Zwischenverdienste? Ist das erzielte Einkommen geringer als die zustehende Arbeitslosenentschädigung, leistet die ALV für einen begrenzten Zeitraum Kompensationszahlungen. Der Vorteil für Arbeitslose: Sie verlieren nicht den Kontakt zu einer Branche, erhalten ihr Netzwerk und fühlen sich gebrauchter, als wenn sie in irgendwelchen RAV-Kursen sitzen. Eine aufschlussreiche Studie des Seco, erarbeitet von der renommierten Forscherin Conny Wunsch von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel, hat das Instrument nun durchleuchtet und aufgezeigt, für welche Gruppen es sich lohnt und für welche überraschenderweise nicht. Bewährt haben sich die Zwischenverdienste bereits während anderer Krisen. «Die Wirkung der Zwischenverdienste ist dabei umso grösser, je schlechter sich die Lage am Arbeitsmarkt gestaltet. Zwischenverdienste haben sich insbesondere während der Finanzkrise bewährt. Dies legt den Schluss nahe, dass Zwischenverdienste eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der aktuellen Covid-19-Krise spielen könnten», analysiert Studienautorin Wunsch. Übergangsarbeit als Allheilmittel Bei schlechten ökonomischen Rahmenbedingungen und bei unsicheren Zukunftsaussichten greifen Arbeitgeber vor allem auf flexible Beschäftigungsformen zurück, für welche sich Zwischenverdienste besonders gut eignen. Corona-Jahr 2020: Das sind die Folgen für den Schweizer Arbeitsmarkt Für Stellensuchende, die bereit sind, eine solche Übergangsarbeit anzunehmen, ergibt sich dadurch zum einen die Möglichkeit, schwierige Zeiten zu überbrücken. Zum anderen profitieren sie von der Sprungbrettfunktion in reguläre Beschäftigungen, so die Studie. Ohne das Instrument sind die Beschäftigungsaussichten in Krisen also besonders schlecht. Könnte diese Arbeitsform also das Allheilmittel für viele sein, die aufgrund der Corona-Krise von Arbeitslosigkeit betroffen sind? Die Seco-Studie zeigt, dass Zwischenverdienste im Durchschnitt eine positive Auswirkung auf die Beschäftigungsaussichten ihrer Nutzerinnen und Nutzer haben. Die Chance, eine reguläre Stelle antreten zu können, steigt, die Arbeitslosigkeit verkürzt sich und Erwerbsverläufe stabilisieren sich. Auch die Einkommenssituation der Betroffenen verbessert sich. Ein Plus für Steuersysteme «Dadurch führen sie zu erheblichen Einsparungen bei den Ausgaben der ALV für Taggelder. Von den substanziellen Einkommensverbesserungen profitieren zudem nicht nur die Stellensuchenden, sondern über höhere Einnahmen auch die Steuer- und Sozialversicherungssysteme», so Wunsch. Die Strategie, mit Zwischenverdiensten wieder zurück auf die berufliche Laufbahn zu finden, funktioniert aber überraschenderweise nicht bei allen: Für ältere Stellensuchende ist Vorsicht mit diesem Instrument geboten. Denn Arbeitslose ab 55 Jahren profitieren als einzige untersuchte Gruppe nicht vom Zwischenverdienst. Vielmehr stellen sie sich damit gegenüber vergleichbaren gleichaltrigen Personen ohne Zwischenverdienst hinsichtlich der Beschäftigungsaussichten sogar schlechter, wie die Analyse deutlich macht. Und während bei den 55- bis 59-Jährigen insgesamt immerhin noch moderate Einsparungen bei der ALV erzielt werden können, führen Zwischenverdienste bei Personen ab 60 Jahren dagegen zu erheblichen Mehrausgaben im Vergleich zu gleichaltrigen Stellensuchenden, die Zwischenverdienste nicht nutzen. Sie sollten also zweimal überlegen, ob sich das Instrument für sie lohnt oder ob sie dadurch nur Negativeffekte provozieren. Brückenfunktion im Arbeitsmarkt Kritisch betrachtet wird das Thema Zwischenverdienst auch bei Arbeitgebern oder Branchen, die Zwischenverdienste sehr häufig anbieten und damit in Verdacht geraten, systematisch die Lohnkosten senken zu wollen. Die Analysen sprechen jedoch dafür, dass Zwischenverdienste bei häufiger Nutzung sogar wirksamer sind als im Durchschnitt. Arbeitgeber mit häufiger «ZV-Nutzung», insbesondere Personalvermittler, üben somit eine wichtige Brückenfunktion bei der erfolgreichen Wiedereingliederung von Stellensuchenden in den Arbeitsmarkt aus – und Zwischenverdienste spielen dabei eine zentrale Rolle, so Studienleiterin Conny Wunsch. Zum einen dienen sie als Instrument zur Auswahl geeigneter Stellensuchender für eine potenzielle Festanstellung. Zum anderen erhöhen ZV die Bereitschaft, temporäre Beschäftigungsverhältnisse einzugehen. Gesamthaft betrachtet, sprechen die Ergebnisse der Seco-Studie gegen quantitativ bedeutsame Mitnahmeeffekte. Positive Bilanz Selbst wenn bestimmte Arbeitgeber oder Branchen von Mitnahmeeffekten profitieren sollten, ist die Bilanz für Stellensuchende, die ALV und den Fiskus unter dem Strich immer noch positiv. Am wahrscheinlichsten sind Mitnahmeeffekte bei wiederholter Zwischenverdienstnutzung für dieselbe Person sowie in den Fällen, wo der Arbeitgeber des Zwischenverdiensts und des letzten Jobs übereinstimmen. Die Studienautoren und -autorinnen weisen darauf hin, dass es ratsam wäre, Zwischenverdienste in solchen Fällen nur unter bestimmten Voraussetzungen zuzulassen. Eine weitere Befürchtung ist, dass ZV die Beschäftigungsaussichten ihrer Nutzer zulasten anderer Stellensuchender oder Beschäftigter verbessern. Ob dies der Fall ist, konnte mit den verwendeten Methoden nicht direkt untersucht werden, so die Autoren und Autorinnen. Die Ergebnisse der Wirkungsanalyse sowie die Arbeitsmarktlage in der Schweiz sprechen zumindest eher gegen quantitativ bedeutsame Verdrängungseffekte.

Übergangsarbeit lohnt sich nicht ab 55

Übergangsarbeit: Nachteile für Erfahrene