Das besonders Herausfordernde an der aktuellen Zeitspanne ist ja, dass sich mehrere Krisen überlagern. Die Nachwirkungen der Covid-Pandemie, Krieg, Lieferketten-Probleme und hinzu noch die Inflation. Die Entscheidung der Nationalbank, der Inflation mit einer Zinserhöhung einen Dämpfer zu verpassen, wird von einigen Gästen am Bilanz Business Talk als Beginn einer zusätzlichen Krise identifiziert. 

Bahnunternehmer Peter Spuhler, sichtlich erschüttert über den Entscheid – die Aufzeichnung des Talks fand an jenem Tag statt, als die SNB die straffere Geldpolitik publik machte –, konnte seinen Ärger darüber kaum zurückhalten. «Ich weiss nicht, was die geraucht haben», klagte der Stadler-Rail-Chef. Für ihn als Exporteur bedeute ein noch stärkerer Franken den Verlust von Aufträgen, Margen und Arbeitsplätzen (siehe Video oben). 

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Auch für Daniel Lampart, Chefökonom beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund, ist der Entscheid der Nationalbank unnachvollziehbar. «Ich bin geschockt. Gerade in einer Phase, in der alles fragil ist, bringt die Nationalbank neue Unsicherheit rein – und isoliert die Schweiz bewusst von Europa.»

Zudem besorgniserregend ist für den Chefökonomen die Tatsache, dass sich in der Schweiz die Löhne nicht so stark an die Teuerung angepasst haben – wie etwa in Ländern wie den USA. Der Gewerkschaftsbund prognostiziert die Teuerung bei 2,7 Prozent und die Steigerung der Produktivität bei 1 Prozent. Eine Erhöhung der Löhne um etwa 3,7 Prozent sei also fair. «Das Leben wird teurer, und die Firmen profitieren von der Produktivität. Jetzt braucht es mehr Lohn für die Arbeitnehmenden», fordert der Chefökonom. 

Bei Stadler Rail etwa sieht der Gesamtarbeitsvertrag vor, dass die reale Teuerung im Unternehmen ausgeglichen werden muss. Peter Spuhler unterstützt also die Forderung von Chefökonom Lampart, macht aber gleichzeitig auf die Lohn-Preis-Spirale aufmerksam, welche die Erhöhung des Nominallohns mit sich bringt. 

Ein Entscheid mit Signalwirkung

Die Banken hatten schon lange für eine Zinserhöhung plädiert. Ex-UBS-CEO Sergio Ermotti, jetzt VR-Präsident des Rückversicherers Swiss Re, sieht den SNB-Entscheid dementsprechend nicht so kritisch. Zwar würden die Exporte teurer, aber die Zinserhöhung verhelfe wiederum den Importeuren zu günstigeren Einkäufen. Zudem interpretiert Ermotti in die Zinserhöhung eine Symbolkraft hinein: «Die SNB wollte zeigen, dass sie eine unabhängige Institution ist.» Eine wichtige Message, findet der Ex-Banker. Durch das Zuwarten auf eine Zinserhöhung der EZB wäre diese Botschaft verwässert worden. 

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Für Sergio Ermotti ist der SNB-Entscheid vor allem wegen seiner Signalwirkung wichtig.
Quelle: Brightcove

Bezüglich der Rezession, die gemäss Ermotti sehr wohl vor der Tür steht, hat er eine fast schon holistische Perspektive: «Eine Rezession gehört zu einer Wirtschaft», so Ermotti. Die heraufziehende Rezession sei die Korrektur für die Geld- und Fiskalpolitik während der Pandemie-Zeit – somit sei sie nur eine Frage der Zeit gewesen. «Es muss immer ein Preis gezahlt werden, das ist Ökonomie», so der gelassene Ermotti. 

Der Bilanz Business Talk zum Thema «Krieg, Inflation, Deglobalisierung: Wohin steuert die Wirtschaft?» mit Stadler-Rail-Präsident Peter Spuhler, Swiss-Re-Präsident Sergio Ermotti, Chefökonom Schweizerischer Gewerkschaftsbund Daniel Lampart und Smart-Valor-Präsidentin Olga Feldmeier wird am Sonntag, 26. Juni, um 13.10 Uhr auf SRF1 ausgestrahlt.

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