Noch vor wenigen Monaten überschlugen sich Banken und Asset Manager mit Empfehlungen für China-Aktien. Das Land, das die Covid-Krise schneller hinter sich gebracht hatte, sah man ökonomisch auf der Überholspur. Kurzfristig gesehen war der Optimismus fehl am Platz. Die zunehmenden Eingriffe der Zentralregierung um Präsident Xi Jinping in die Privatwirtschaft, sei es bei den Internetriesen, im Gaming-Bereich oder der Online-Nachhilfe, schlugen an den China-Börsen ein.

Die Schieflage des bei über 100 Banken mit 300 Milliarden verschuldeten Immo-Giganten Evergrande kommt noch als Bedrohung dazu. Verwerfungen sind im Konkursfall wahrscheinlich. Der CSI 300 Index preiste die Unsicherheiten ein und liegt um 17 Prozent unter seinem Hoch vom Februar. Der mit China-Aktien gefüllte Nasdaq Golden Dragon China Index gab seit Mitte Februar fast die Hälfte seiner Punkte ab.

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Für den Grossteil der Schweizer Anleger sind die Turbulenzen aber ein überschaubares Problem. «Genaue Zahlen sind nicht bekannt. Aber typischerweise machen Titel aus China in einem ausgewogenen Schweizer Depot kaum mehr als drei bis vier Prozent der Aktienbestände aus», sagt Thomas Heller, CIO der Schwyzer KB. Dieser Anteil entspreche auch dem Anteil Chinas im MSCI World Index. «China ist in den Schweizer Depots noch nicht stark vertreten», sagt auch Mario Geniale, Chefanleger der Bank CIC.

 


Die Bank CIC hat sich nun engagiert. «Wir haben die Gelegenheit genutzt und den Anteil von China-Aktien in unserem Pensionskassenprodukt von praktisch null auf zwei Prozent erhöht. Nicht auf sechs Monate, sondern auf sechs Jahre», sagt Geniale. Er hält Timing für schwierig, weitere Interventionen, die den Märkten nicht gefallen dürften, hält er für wahrscheinlich. Gleichzeitig gefallen Geniale die Bewertungen. Liegt das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis im US-Leitindex S&P  500 bei 26, steht es im CSI  300 bei 16. «Ein so hoher Abschlag ist attraktiv, nicht zuletzt weil der chinesische Markt sehr technologielastig ist», so Geniale.

Noch herrscht ein frappantes Ungleichgewicht zwischen der Grösse der Volkswirtschaft und der Bedeutung der Börsen. Chinas BIP liegt bei zwei Dritteln der USA. Die Marktkapitalisierung der chinesischen Aktien kommt im Vergleich zu ihren US-Pendants gerade einmal auf ein Zwanzigstel. «Gleicht sich das auch nur ein Stück weit an, wäre das ein Grund zu investieren», sagt Heller.

Pekings Einflussnahme auf die Privatwirtschaft müsse man jedoch in Kauf nehmen. «Die Interventionen sind für einen China-Investor ‹part of the game›», sagt Heller. Dem Regierungsziel, den 1,3 Milliarden Chinesen bis 2049 «ein schönes und gutes Leben» zu ermöglichen, werde alles untergeordnet.

 

Erich Gerbl
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