Eigentlich waren die Rahmenbedingungen für die Reichsten dieser Welt, um im bald abgelaufenen Jahr noch mehr Reichtum anzuhäufen, nicht allzu gut. Im Kunstmarkt ist zwar unverändert Boom angesagt. Doch damit hat es sich auch schon. Die Notierungen für Gold, ein beliebtes Anlageobjekt und Ruhekissen vieler Vermögender, zeigen nach unten. Industrierohstoffe wie Aluminium, Kupfer oder Öl, gerade in der Schweiz bedeutende Quellen neueren Reichtums, büssten weiter an Wert ein. Auch die Preiskurve für Immobilien hat sich spürbar verflacht, und der Absatz von Luxusgütern sowie Uhren ist ins Stocken geraten.

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Das kann mit Blick auf die Konjunktur nicht verwundern: In China ist das überbordende Wachstum passé, Länder wie Russland, Brasilien und nun Japan sind in die Rezession geschlittert, und in den Industrieländern lässt der Aufschwung auf sich warten. Vor diesem Hintergrund haben denn auch die Aktienmärkte keine Purzelbäume geschlagen. Zumal exportorientierte heimische Unternehmen unter dem starken Franken leiden.

34 Reiche haben an Vermögen verloren

War also 2015 ein schlechter Jahrgang für die 300 Reichsten der Schweiz? Nicht wenige haben heftige Vermögenseinbrüche zu beklagen, 34 wurden gegenüber dem Vorjahr tiefer eingestuft. Andererseits gewannen 54 Reichste noch Vermögen dazu. Bei Redaktionsschluss befanden sich 594'850 Milliarden Franken im goldenen Topf. Gegenüber 2014 entspricht dies einer Zunahme von einem Prozent, absolut immerhin rund sechs Milliarden. Unverkennbar ist allerdings, dass sich das seit Jahren starke Wachstum deutlich abgeschwächt hat. Zwischen 2012 und 2014 hatte sich der Zuwachs noch auf 36 Milliarden Franken gestellt – jährlich, notabene.

Sogar in magereren Jahren dauert die Kapitalakkumulation an, werden einige Reiche noch reicher. Wobei gerade in der Schweiz zu berücksichtigen bleibt, dass die Mehrheit der 300 Reichsten ihr Geld im Wirtschaftskreislauf halten, sei dies als Unternehmer, Investoren oder Immobilienbesitzer – und damit für Hunderttausende von Arbeitsplätzen sorgen. Jene Reichsten, die nur protzen und ihre oft von Vorfahren erarbeiteten Vermögen verprassen, sind hierzulande eine verschwindende Minderheit.

Vermögen innert 27 Jahren verdreifacht – pro Kopf

595 Milliarden Franken in den Händen von 300 Personen oder Familien – das ist ein gewaltiger Batzen Geld. So reich waren die 300 Reichsten der Schweiz noch nie. Im Durchschnitt besitzt jeder ein Vermögen von 1983 Millionen Franken. 1988 hat BILANZ erstmals über helvetischen Reichtum berichtet. Damals wurden 100 Personen erfasst. Diese besassen zusammen 66 Milliarden, was pro Kopf 660 Millionen entsprach. Innerhalb von 27 Jahren hat sich das Durchschnittsvermögen also verdreifacht.

Weit mehr als jeder Dritte der 300 Reichsten, nämlich deren 132, ist Milliardär. Das US-Magazin «Forbes», Beobachter globalen Reichtums, zählte im Frühling in 66 Ländern 1826 Milliardäre – 290 mehr als im Vorjahr. Mit anderen Worten: Jeder 14. Milliardär der Welt lebt in der Schweiz. Während bei uns die Milliardärsdichte konstant bleibt, nimmt sie in China rasant zu; im Paradies der Arbeiter leben bereits 213 Milliardäre.

Die zehn Reichsten haben 180 Milliarden

Die zunehmende Konzentration des Geldes auf wenige Köpfe lässt sich auch hierzulande feststellen. Augenfällig ist die Veränderung in den Top Ten. Das Vermögen der zehn Reichsten der Schweiz nimmt seit langem kontinuierlich zu. Alleine im laufenden Jahr wurde ein Zuwachs von 6 auf aktuell 180 Milliarden Franken registriert. Das sind durchschnittlich 18 Milliarden pro Name. Heute nennen die zehn Reichsten annähernd dreimal so viel ihr Eigen wie vor 27 Jahren die damals 100 Reichsten zusammen. Über die letzte Dekade ist das Vermögen der zehn reichsten Personen und Familien um 75 Prozent oder um nicht weniger als 77 Milliarden in die Höhe geschossen.

Unter den Reichsten mit der grössten Vermögensvermehrung sind, wenig überraschend, mehrheitlich Vertreter der Top Ten zu finden. Kaum zu erstaunen vermag auch der Name des Mannes mit dem saftigsten Plus: Jorge Lemann macht seit Jahren mit voluminösen Zuwächsen auf sich aufmerksam. 2015 wurde der Brasilien-Schweizer um drei Milliarden Franken reicher. Mit einem Vermögen von 28 bis 29 Milliarden hat er sich neu auf Rang zwei der 300 Reichsten vorgeschoben. Die offensichtlich unerschöpfliche Quelle seines Reichtums heisst AB InBev. Als oberster Zapfer hat Lemann das Unternehmen mittels Akquisitionen zum weltgrössten Bierkonzern aufschäumen lassen. Gegenwärtig ist für gut 100 Milliarden Franken die Übernahme des global zweitgrössten Brauers, SABMiller, im Gange. Milliardenschwer sind Lemanns Beteiligungen an Kraft Foods, Burger King und Tim Hortons.

Roche-Besitzerclan verlor eine Milliarde Franken

Der Bierkönig vom Zürichsee hat die Familien Hoffmann und Oeri, die langjährige Nummer zwei, auf Rang drei verdrängt. Der Roche-Besitzerclan büsste wegen des leichten Schwächeanfalls der Pharmaaktien eine Milliarde Franken ein und steht nun mit 25 bis 26 Milliarden zu Buche. Ein unverändert stolzer Betrag, der jedoch etwas verblasst neben dem Vermögen der Allerreichsten: Ingvar Kamprad und seine drei Söhne werden auf 44 bis 45 Milliarden geschätzt – plus zwei Milliarden. Der in Familienbesitz stehende Möbelgigant Ikea boomt, der Umsatz stieg um satte elf Prozent. Äusserst werthaltig ist auch der gewaltige Immobilienbesitz.

Neu in den Top Ten ist Patrick Drahi. Der Wahlwalliser mit israelischem Pass tritt als aggressiver Aufkäufer von Internet- und Kabelnetzbetreibern in Erscheinung. In kurzer Zeit hat er sich mit Altice einen mächtigen Kommunikationskonzern zusammengebastelt. Und obwohl seine Expansionslust einen enormen Schuldenberg verursacht, zeigten sich Börsianer lange begeistert. Auch wenn die Aktien jüngst unter Druck geraten sind, stellt sich Drahis Anteil auf mehr als zehn Milliarden.

Ivan Glasenberg ist der grösste Verlierer

Nicht weniger bemerkenswert der Wiederaufstieg Martin Ebners. Nach seinem ersten Höhenflug stürzte er vor über zehn Jahren nach Fehlspekulationen ab und fiel aus der BILANZ-Liste. Seit der Jahrtausendwende stellt der 70-Jährige eindrücklich unter Beweis, dass er vom Handwerk des Investors nichts verlernt hat. Alleine über die letzten Monate vermochte er dank höchst renditeträchtiger Anlagen sein Vermögen annähernd zu verdoppeln.

Die Liste der Absteiger führt Ivan Glasenberg an. Der Chefhändler des Baarer Rohstoffkonzerns Glencore hat innerhalb von zwölf Monaten 3,25 Milliarden Franken verloren. Der gebürtige Südafrikaner, inzwischen mit rotem Pass und Bürgerrecht von Rüschlikon ZH ausgestattet, musste über die vergangenen Jahre eine der rasantesten Vermögensvernichtungen in der Geschichte der 300 Reichsten über sich ergehen lassen. Konnte sich der zweitgrösste Glencore-Aktionär beim Börsengang 2011 noch über ein plötzlich entstandenes Vermögen von 8,2 Milliarden freuen, ist seine Beteiligung inzwischen nur noch ein Viertel von damals wert.

Niedergang der Rohstoffpreise wirkt sich aus

Der steile Absturz der Aktien betraf auch andere Glencore-Manager. Gegenüber 2014 wurden die Vermögen des Zinkhändlers Daniel Maté und des Kupferbereich-Chefs Aristotelis Mistakidis um je 1,4 Milliarden Franken eingedampft. Die beiden Ex-Multimilliardäre kommen noch auf 800 bis 900 Millionen. Der Niedergang wichtiger Rohstoffpreise setzt aber auch anderen Akteuren der Händlerszene zu. Happige Einbussen zu beklagen haben ebenso die Familie Louis-Dreyfus, die den gleichnamigen Konzern kontrolliert, Torbjörn Törnqvist vom Genfer Ölhändler Gunvor oder Gary Klesch von der Klesch Group.

Zu den Hauptverlierern gehört im Weiteren der Wahlzuger Viktor Vekselberg: In zwölf Monaten musste der russische Investor eine Einbusse von gegen drei Milliarden Franken registrieren. Mit noch acht bis neun Milliarden Franken ist er aus den Top Ten gefallen. Nicht einmal so sehr seine Schweizer Industriebeteiligungen als vielmehr die breit gestreuten Investments in Russland haben ihm wegen der dortigen Wirtschaftskrise und des Rubelzerfalls das Besitztum verhagelt.

Nicht minder schwer gezeichnet von der Russlandkrise ist Gennadi Timtschenko. Der Russe mit finnischem Pass lebt offiziell in Genf, verlegt aber seine unternehmerischen Aktivitäten zusehends in sein Geburtsland. So hat ihm die unter seiner Kontrolle stehende Volga Group, die Beteiligungen an Energie- und Chemieunternehmen, Banken und Versicherungen, Transport- sowie Immobilienfirmen hält, eine Vermögenseinbusse von rund zwei Milliarden eingebracht.

Zwölf Neuzugänge in der Liste

Wie jedes Jahr präsentiert BILANZ auch 2015 neue Namen. Diesmal sind es zwölf Reichste, die ein Mindestvermögen von 100 Millionen Franken ihr Eigen nennen – so viel ist nötig, um in die Liste aufgenommen zu werden. Das frische Dutzend bringt zusammen 5,1 Milliarden auf die Waage. Darunter sind einige klangvolle Namen auszumachen. Beispielsweise Andrea Agnelli, Spross des berühmtesten Industriellenclans Italiens.

Der Fiat-Erbe und Verwaltungsrat der Fiat Chrysler Automobiles (FCA) lebt im Tessin und hat es von da aus nicht weit bis zu seinem Arbeitsplatz in Turin. Ebenfalls italienische Wurzeln haben Alessandra und Allegra Gucci. Die Schwestern sind Urenkelinnen des Modehausgründers Guccio Gucci. Sie haben sich, absolut standesgemäss, in St. Moritz niedergelassen.

Im Modegeschäft zu Hause ist auch Philipp Plein. Der Münchner Designer, gerne als «King of Bling» tituliert, hat seinen Wohnsitz in die Sonnenstube verlegt und bedient nun von Lugano aus eine vorwiegend weibliche Kundschaft. Sein geschätztes Vermögen von 100 bis 150 Millionen Franken mag zwar nicht enorm hoch erscheinen, doch für einen 37-Jährigen ist das ein schöner Batzen.

Ebenfalls als Designer, wenn auch von Häusern, verdient Santiago Calatrava seinen Lebensunterhalt. Der weltberühmte Architekt und Bildhauer aus Spanien hat in der Schweizer Häuserlandschaft eindrückliche Spuren hinterlassen – und im bündnerischen Flecken Rossa das Bürgerrecht erworben.

Weltstar Paulo Coelho schafft den Sprung

Noch ein Stück berühmter als Calatrava ist der Schriftsteller Paulo Coelho. Er verkaufte bislang mehr als 200 Millionen Bücher und ist der Best-Seller unter den Bestseller-Autoren. Sein berühmtestes Werk, «Der Alchimist», ging 70 Millionen Mal über den Ladentisch. Der gebürtige Brasilianer lebt in Genf und ist weltweit einer der besten Botschafter für die Calvinstadt.

Keine Berühmtheit war bis vor kurzem Hans Thomas Gross. Doch seit er mit der Hotelerbin und begnadeten Selbstdarstellerin Paris Hilton turtelt und sich vor Paparazzi in Pose wirft, ist der gebürtige Österreicher mit Domizil in Schindellegi SZ gern gesehener Gast auf dem Boulevard. Reich geworden ist er mit Software.

Wo zwölf neue Gesichter erscheinen, müssen zwölf weichen, damit die Obergrenze von 300 Bestand hat. Aus Rang und Traktanden gefallen ist die Familie Hottinger, eine der ältesten Bankierdynastien Europas; die Bank Hottinger wird wegen drohender Überschuldung liquidiert. Der im Mediengeschäft tätige Thomas Sterchi wiederum musste einige Aktivitäten einstellen und einen Abschreiber vornehmen, was einen happigen Verlust nach sich zog. In seinem 64. Lebensjahr an Krebs gestorben ist Claude Dauphin, Hauptaktionär des Erdöl- und Rohstoffhändlers Trafigura. Und mit 65 verstorben ist der polnische Investor Jan Kulczyk, der in einem der exklusivsten Chalets in St. Moritz residierte.

Tally Weijls Kleidchen flattern auf halbmast

Aus wirtschaftlichen Gründen dem Rotstift zum Opfer gefallen ist dagegen das Modepaar Ravital Elfassi-Weijl und Beat Grüring. Das einstige Ehepaar gründete die Kleiderkette Tally Weijl vor 31 Jahren und feierte damit einige Erfolge. Doch obwohl die billige Teeniemode immer noch beträchtliche Verkaufszahlen einbringt, ist der Gewinn derart in den Keller gerasselt, dass sich das Unternehmen nicht mehr verlässlich auf über 100 Millionen schätzen lässt. Der gesamte Modehandel leidet – Tally Weijl besonders. Andere Reichste wurden gestrichen, weil es über sie seit längerem nichts mehr Neues zu berichten gab.

 

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