Zwanzig Tage Vaterschaftsurlaub fordert eine Volksinitiative. Die Initianten sind überzeugt, dass ein solcher den jungen Familien nützt und längst überfällig ist. Der Bundesrat hingegen fürchtet um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz und lehnt die Initiative ab.

Was sind die Folgen des Vaterschaftsurlaubs wirklich? Kann er helfen, Beruf und Familie besser in Einklang zu bringen? Wird er die Erwerbsbeteiligung der Frauen steigern und ihnen helfen, rascher an den Arbeitsplatz zurückzukehren? Wie wirkt er sich auf ihre Löhne aus?

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Claudia Olivetti vom Boston College und Barbara Petrongolo von der Londoner Queen Mary University sind diesen Fragen auf den Grund gegangen. Sie stützten sich in ihrer 2017 publizierten Untersuchung sowohl auf eigene Schätzungen als auch auf eine Vielzahl existierender Studien.

Zunächst ein Blick auf die Situation in anderen Ländern:

  • Regelungen für Frauen und Familien im Arbeitsumfeld haben in Europa eine lange Tradition. Bereits während der Industrialisierung wurden im Rahmen des Arbeitnehmerschutzes spezifische Vorschriften für Frauen eingeführt.
  • Anfang des 20. Jahrhunderts ergänzten einige Länder diese um einen unbezahlten Mutterschaftsurlaub. Dadurch erhielten Mütter die Garantie, wieder an ihren bisherigen Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Später wurden finanzielle Unterstützungen während des Mutterschaftsurlaubs geschaffen.
  • Schweden führte in den 1970er Jahren als erstes Land einen sechsmonatigen Elternurlaub ein, welcher von Müttern und Vätern gleichermassen beansprucht werden konnte.
  • Auch die Europäische Union veröffentlichte in den 1990er Jahren eine Richtlinie für einen dreimonatigen Elternurlaub und stellte die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie in den Vordergrund.
  • Heute sehen alle reichen, industrialisierten Länder zumindest einen bezahlten Mutterschaftsurlaub vor. Ausnahme sind die USA, wo dieser unbezahlt bleibt.
  • Neben den Elternurlaub sind nach und nach weitere familienfördernde Massnahmen getreten, wie die öffentliche Finanzierung von Krippenplätzen, Teilzeitarbeit, oder flexible Arbeitszeiten.

Befürworter und Gegner streiten nach wie vor über Nutzen und Kosten dieser Politik. Den Fortschritten in der Gleichberechtigung, der Förderung der Kindesentwicklung und der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie stünden hohe Kosten gegenüber.

Elternzeit erhöht die Beschäftigung von Frauen

Wie beeinflusst die Familienpolitik die Erwerbstätigkeit und die Löhne von Frauen?

Die Wissenschaftlerinnen starten mit den Ergebnissen einer früheren Untersuchung für neun EU Länder (1969-93), wonach eine bezahlte Elternzeit von bis zu drei Monaten die Beschäftigungsquote von Frauen um 3 bis 4 Prozent erhöht, aber keinen Effekt auf die Gehälter hat. Eine Verlängerung des Elternurlaubs, z. B. auf neun Monate, kann jedoch die Erwerbsquote von Frauen nicht mehr steigern, während sich ihre Löhne um 3 Prozent verringern. Dieses Resultat wurde seither von zahlreichen weiteren Studien bestätigt.

Zudem erwähnen sie eine Studie für OECD Länder (1990-2010) mit dem Ergebnis, dass familienpolitische Massnahmen geschlechtsspezifische Unterschiede bei Beschäftigung und Gehältern verringern. Allerdings ist die empirische Evidenz nicht durchgehend positiv. Eine Untersuchung zur Einführung des Mutterschaftsurlaubs in den USA konnte keinen Einfluss auf Erwerbsquote und Löhne von Frauen feststellen. Weitere Studien aus den USA fanden sogar, dass Mutterschaftsurlaub und staatliche Unterstützung zu einer tieferen Beschäftigung von Frauen führt. Dagegen zeitigen öffentliche Ausgaben im Bereich der Kinderbetreuung positive Effekte.

Olivetti und Petrongolo schätzen selber den Effekt der Familienpolitik auf Beschäftigung und Einkommen von Frauen sowie auf die Geburtenrate in 30 OECD Ländern. Sie konzentrieren sich auf Massnahmen wie z. B. Mutter- und Vaterschaftsurlaub oder Ausgaben für frühkindliche Betreuung. Dazu vergleichen die Forscherinnen aggregierte Daten zu Arbeitsmarkt und Fertilität in den betroffenen Ländern.

Die Grafik zeigt die Entwicklung der Beschäftigungsquote von Frauen zwischen 1970 und 2010. Die Quote von berufstätigen Frauen ist in fast allen Ländern gestiegen. Heute sind durchschnittlich 60 Prozent aller Frauen erwerbstätig, verglichen mit 49 Prozent in den 1980er Jahren.

Beschäftigungsquote von Frauen im Alter von 25 bis 54 Jahren von 1970 bis 2010. Als beschäftigt gelten Frauen, die mindestens eine Stunde pro Woche arbeiten. Quelle: Olivetti & Petrongolo, 2017, S. 215

Zu den Ergebnissen im Detail:

  • Die Daten deuten darauf hin, dass bezahlter und unbezahlter Mutterschaftsurlaub mit geringeren Unterschieden in der Beschäftigungsquote von Männern und Frauen einhergeht.
  • Der Vaterschaftsurlaub hingegen steht in keiner Verbindung zu Lohn oder Beschäftigung.
  • Öffentliche Ausgaben für Kinderbetreuung sowie flexible Arbeitsmöglichkeiten wiederum gehen mit einer höheren Beschäftigungsquote für Frauen und einer geringeren Geschlechterungleichheit in der Erwerbsquote einher. Ein besseres Angebot an Kinderbetreuung ist ausserdem mit einer höheren Geburtenrate verbunden.

Zudem deutet die Analyse auf unterschiedliche Effekte der Familienpolitik abhängig von Qualifikation und Ausbildung der Frauen hin. Vor allem geringqualifizierte Frauen profitieren von einem Mutterschaftsurlaub und werden dadurch häufiger erwerbstätig. Die Erwerbsquote von hochqualifizierten Frauen nimmt hingegen kaum zu, während ihre Löhne tendenziell sinken. Ein Berufsunterbruch ist für eine hoch qualifizierte Beschäftigung eher ungünstig.

Kinderbetreuung hilft erwerbstätigen Müttern

Eine wichtige familienpolitische Massnahme ist der Ausbau der frühkindlichen Betreuung und Bildung. In den betrachteten OECD-Ländern lagen 2014 die Ausgaben dafür zwischen 0.4 Prozent (USA) und 2 Prozent des BIP. Ein Anstieg dieser Ausgaben um einen Prozentpunkt resultiert in einer um 3.6 Prozentpunkte höheren Beschäftigungsquote. Zudem erhöht dieselbe Ausgabensteigerung im Durchschnitt die Geburtenrate um bis zu 0.2 zusätzliche Kinder pro Frau.

Wie reagieren die einzelnen Haushalte, Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf familienpolitische Massnahmen? Die Forscherinnen stützen sich dabei auf mehrere Studien, welche familienpolitische Reformen mithilfe individueller Daten analysieren.

  • Demnach hatte die Verlängerung der Elternzeit in Österreich im Jahr 1990 von einem auf zwei Jahre einen signifikanten Effekt auf die Fertilität. Die Geburtenrate stieg um 12 Kinder pro 100 Frauen. Gleichzeitig ging die Erwerbsquote von Frauen zumindest in den ersten drei Jahren nach der Geburt zurück.
  • Weitere Analysen zeigen, dass eine grosszügige finanzielle Unterstützung die Rückkehr an den Arbeitsplatz ebenfalls verzögert. In Deutschland oder Norwegen etwa führte die Verlängerung der Elternzeit dazu, dass Frauen nach der Geburt länger zu Hause blieben und später an ihren Arbeitsplatz zurückkehrten. Langfristig hatte dies jedoch kaum Folgen für die Erwerbstätigkeit oder die Einkommen.
  • Nur wenige Studien untersuchen die Auswirkungen eines Vaterschaftsurlaubs, denn das Phänomen ist vergleichsweise jung. Schweden führte 1995 einen einmonatigen Vaterschaftsurlaub ein. Die Männer nutzten zwar vermehrt diese Möglichkeit nach der Geburt ihres Kindes. Ihr Anteil an der Kinderbetreuung hat sich dadurch aber nicht erhöht.
  • Subventionen für die Kinderbetreuung sind schliesslich ein weiterer Ansatz, Familien zu unterstützen. In den USA zeigte sich, dass staatliche Programme für vierjährige Kinder einen geringen positiven Effekt auf die Erwerbstätigkeit wenig qualifizierter Arbeitnehmerinnen haben.
  • Ähnliche Untersuchungen fanden positive Effekte von Kindergärten auf die Erwerbstätigkeit alleinstehender Mütter. In Kanada schätzten Wissenschaftler einen stark positiven Effekt von Kinderbetreuungszulagen für Vierjährige. Die Erwerbstätigkeit von Müttern stieg um 8 Prozentpunkte und der Effekt blieb auch langfristig stabil.

Was können wir aus 100 Jahren Familienpolitik in der industrialisierten Welt lernen? Wie immer ist die Antwort nicht ganz eindeutig.

Länderübergreifende Studien finden für eine moderate Elternzeit positive Effekte auf die Erwerbsquote von Frauen, die sich ins Negative wenden, wenn die Elternzeit zu grosszügig angelegt wird. Die Vorteile im Hinblick auf Erwerbstätigkeit und Lohn sind vor allem für gering qualifizierte Arbeitnehmerinnen stärker ausgeprägt.

Untersuchungen von länderspezifischen Reformen zeigen, dass Elternzeit die Rückkehr an den Arbeitsplatz verzögert, aber die Erwerbsquote langfristig wenig bis gar nicht beeinflusst. Durchwegs positive Effekte zeitigen hingegen Ausgaben für die Kinderbetreuung. Solche Investitionen bauen Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt ab und regen zudem die Geburtenraten an.

Corinne Knöpfel ist Masterstudentin an der Universität St. Gallen. Mit der Initiative «Next Generation» ermutigt das Wirtschaftspolitische Zentrum der Universität St. Gallen ihre Nachwuchstalente, die Öffentlichkeit über Erkenntnisse der Wissenschaft zu informieren. Die besten Studierenden fassen wichtige Ergebnisse ausgewählter Publikationen in Fachzeitschriften zusammen.