Die wenigsten Schweizer schätzen es, wenn Konzerne ihre Daten auswerten. Und doch nutzen die meisten Whatsapp. Die wenigsten begrüssen es, wenn Werbeanzeigen auf ihr Online-Verhalten zugeschnitten sind. Dennoch googeln fast alle Schweizer ohne Zurückhaltung. Kaum jemand möchte, dass die eigene Krankenkasse persönliche Fitnessdaten protokolliert. Aber wenn es möglich wäre, würden viele Schweizer automatisch ihren Kalorienverbrauch kalkulieren lassen.

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Das zeigt eine repräsentative Studie, welche die Forschungsstelle Sotomo im Auftrag der Stiftung Sanitas durchgeführt hat. Die Zahlen belegen eine deutliche Diskrepanz zwischen den Befürchtungen der Schweiz in punkto Datenschutz und ihrem tatsächlichen Verhalten.

«Sobald eine Anwendung deutlichen Komfort im Alltag bietet, sinkt die Zurückhaltung», sagt Politforscher Michael Hermann, Geschäftsleiter von Sotomo. Das bedeutet: Messengerdienste, Gratis-E-Mail und Suchmaschinen verwenden die Schweizer nahezu ohne Zurückhaltung. Daten in der Cloud zu speichern, umgehen dagegen noch einige Internetnutzer, ebenso Dienste wie Netflix oder Social Media. Offenbar ist das Interesse daran, eine Cloud, Netflix oder Facebook zu verwenden, für einen Teil der Befragten zu klein, um das Datenschutzrisiko auf sich zu nehmen.

Allerdings sind die Hürden selbst bei Social Media hoch, dass Datenschutzbedenken auf das Verhalten von Nutzern ausstrahlen: Selbst der Cambridge-Analytica-Skandal hat in den USA gerade einmal 1 Prozent der Nutzer dazu bewegt, ihren Account bei Facebook zu löschen. Das belegen Zahlen von Thomson Reuters.

Dem spielt in die Hände, dass eine grosse Neugier in Bezug auf die eigenen Daten besteht. Herr und Frau Schweiz als digital affine Personen sammeln zu einem guten Teil die am Tag absolvierten Schritte, ihre Reiserouten oder die am Tag absolvierten Schritte. Noch ein weiterer Teil der Nutzer hat dies zumindest schon einmal versucht. Je jünger die Nutzer sind, desto grösser ist entsprechend auch die Offenheit gegenüber den Möglichkeiten, Daten zu sammeln.

Die Neugier der Nutzer wächst dabei mit den technologischen Möglichkeiten. Die beliebteste Funktion des Schrittezählens ist sicher auch deshalb so weit verbreitet, weil diese mittlerweile ins Smartphone integriert ist. Vor einigen Jahren wäre es noch schwieriger gewesen, diese Daten über sich selbst zu erheben. Die Lust auf die Information über das eigene Verhalten, den Gesundheitszustand und die sportlichen Leistungen, sind dabei noch nicht gestillt.

Tatsächlich wären viele Nutzer daran interessiert, Daten in noch grösserem Umfang festzuhalten. Wenn Daten über den Kalorienkonsum oder den eigenen Stromverbrauch automatisch speicherbar wären, wäre ein guter Teil der Nutzer dabei. Interessant für Firmen wie Nestlé, die daran arbeiten, Daten zur Lieferkette für Lebensmittel bei jedem Produkt mitzuliefern: 30 Prozent der Nutzer hätte Interesse daran, die Nahrungsqualität automatisch zu tracken.

 

Auch wenn das Interesse an den eigenen Daten gross ist und Nutzer ihr Verhalten selten aufgrund von Datenschutzrisiken anpassen, in den Händen von Dritten wissen sie ihre Daten dennoch äusserst ungern. Dabei gibt es interessante Unterscheidungen: Während Daten gegenüber der eigenen Familie oder für die wissenschaftliche Forschung gerne hergegeben werden, wächst bereits medizinischem Fachpersonal gegenüber das Misstrauen.

Für Krankenversicherer, die nach datenbasierten Prämienmodellen suchen, sind sicher folgende Informationen interessant: Nur die Angst vor einem Hackerangriff ist grösser als das Unbehagen bei dem Gedanken, dass der eigene Arbeitgeber, eine Bank oder eine Versicherung Informationen über den eigenen Gesundheitszustand erlangen. Hier reagieren die Nutzer offenbar besonders sensibel.

 

Daten in den Händen Dritter
Quelle: ZVG

Dazu passt ins Bild, dass bei allen Befragten in der Mehrheit das Solidaritätsprinzip in der Krankenkasse befürwortet wird. Egal, wie wohlhabend oder wie jung, die Mehrheit ist stets dagegen, die Prämien für gesund Lebende zu senken. 60 Prozent der Schweiz sprechen sich dagegen aus, weniger Achtsame durch höhere Prämien zu strafen. Michael Hermann meldet hier allerdings Zweifel an, ob sich dieses Bekenntnis zu Solidarität auch in der Praxis spiegeln wäre: «Ich gehe hier von einer Zweiteilung aus – auf der einen Seite steht die persönliche Meinung, auf der anderen auch hier das Verhalten. Wenn günstigere Rabatte winken, würden viele dieses Angebot wohl annehmen.»

Die geringste Unterstützung findet das Bekenntnis zu Solidarität übrigens bei CVP-Wählern – hier sind nur 35 Prozent dagegen, die Prämien für gesund Lebende zu senken und überragende 66 Prozent dafür. Auch SVP-Wähler sehen dies ähnlich: Nur 41 Prozent von ihnen lehnen Prämiensenkungen für Gesunde ab. Das deutlichste Nein kommt von den SP-Wählern, die sich zu 71 Prozent gegen Prämiensenkungen aussprechen.