Das WEF 2016 stand unter dem Motto «Mastering the Fourth Industrial Revolution». Können Sie fünf Jobs nennen, die in den nächsten zehn Jahren kein Roboter wegnehmen kann?
Alain Dehaze*: Krankenschwester, Lehrer und natürlich Robotermaschinist, Roboterprogrammierer sowie Experte im Bereich der Datenanalyse oder Logistik.

Welche Richtung sollte ich wählen, wenn ich heute ein Studium beginnen will?
Ich würde einen technischen Beruf lernen. Programmierer ist sicher gut. Entscheidend werden aber Kreativität, Teamwork und emotionale Intelligenz sein. Diese Fähigkeiten muss man neben den eigentlichen Fachkompetenzen entwickeln. Dann ist man für die Zukunft gut gerüstet.

Auch interessant
 
 
 
 
 
 

Ist es überhaupt noch wichtig, was man studiert? Schliesslich werden die wenigsten Studenten von heute noch Karriere im erlernten Beruf machen.
Eine gute Grundausbildung bleibt wichtig, sei es in handwerklichen oder akademischen Berufen. Aber die Firmen schauen bei der Rekrutierung künftig stärker auf die Einstellung und die Persönlichkeit der Kandidaten und bilden diese danach aus und weiter, gezielt für ihre Aufgaben.

Vor 30 Jahren gab es noch die Möglichkeit, ein Leben lang in einer Firma zu bleiben. Heute sind schon fünf Jahre in einem Job eine lange Zeit. Wohin führt die Entwicklung?
Das hängt von der Grösse des Unternehmens und der Berufserfahrung ab. In den USA wechselt man im Alter zwischen 18 und 25 Jahren durchschnittlich zehn Mal den Job. Die jungen Leute möchten heute verschiedenste Erfahrungen sammeln. Manchmal ist das im gleichen Unternehmen möglich und manchmal muss man dafür die Firma wechseln. Zudem sind in den USA schon 30 Prozent der jungen Leute selbstständig. Beide Tendenzen werden auch in Europa zunehmen.

Manche Experten rechnen damit, dass in den nächsten Jahren Millionen Jobs der Digitalisierung zum Opfer fallen werden. Was halten Sie von dieser Prognose?
Die Einschätzung ist korrekt. Einerseits sehen wir schon heute, dass niedrig qualifizierte und repetitive Arbeiten durch Roboter verrichtet werden können wie beispielsweise in der Autoindustrie. Und andererseits gibt es auch administrative Tätigkeiten, die durch Algorithmen überflüssig werden. Die beschleunigte Technologisierung wird deshalb einen starken Einfluss auf die Arbeit von morgen haben.

Ein düsteres Szenario.
Ganz und gar nicht. Es entstehen viele neue Berufsbilder. Hier sind Unternehmen, Politik und Gesellschaft gleichermassen gefordert, dass die Anpassung an die veränderte Realität gelingt.

Sind die Leute, die heute in bedrohten Berufen arbeiten, schwieriger umzuschulen?
Ja und Nein. Es gibt auch Jobs mit geringerer Qualifikation, die Empathie oder emotionale Intelligenz brauchen, die Zusammenarbeit brauchen, oder auch Kreativität. Zum Beispiel im Altersheim bei der Betreuung von älteren Menschen. Neu für die vierte industrielle Revolution ist, dass die demografische Entwicklung bei diesem Übergang abfedernd wirken wird. Ältere Menschen wollen länger zu Hause bleiben. Und diese Menschen werden Dienstleistungen brauchen, die ein Roboter nicht übernehmen kann.

Und wie steht es mit Ihnen? Könnten Sie von einem Roboter verdrängt werden?
Ein Roboter könnte meinen Job nicht machen. Als CEO braucht man Kreativität, Teamwork, emotionale Intelligenz und Empathie. Das kann ein Roboter heute nicht und wird es auch in Zukunft nicht können.

Aber vielleicht bald. Könnte sich der Mensch nicht selber überflüssig machen durch die Technologie?
Nein. Ein Roboter kann sehr schnell sehr viele Daten verarbeiten. Aber er handelt immer nach einem Algorithmus, einem Plan, der von Menschen bestimmt wird. Den Menschen wird es auch weiter brauchen, davon bin ich überzeugt.

Wie ist die Schweiz auf die digitale Revolution vorbereitet?
Hervorragend. Die Schweiz mit ihrem Bildungssystem, den politischen Rahmenbedingungen und den innovativen Unternehmen hat die Fähigkeit, sich permanent an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Entscheidend dafür sind das duale Bildungssystem und insbesondere die Berufslehre. Alle Leute lernen hier permanent zu lernen; lebenslang. Das ist wirklich einzigartig.

Die Schweiz hat aber noch unmittelbarere Probleme als die Digitalisierung. Zum Beispiel die Frankenstärke oder die ungelösten Differenzen mit der EU. Das führte im letzten Jahr zu einer Verlagerung von manuellen Jobs ins Ausland.
Ich habe vor 25 Jahren schon einmal in der Schweiz gearbeitet. Der Franken war damals viel günstiger und die Arbeitslosigkeit war tief. Inzwischen ist der Franken stärker geworden, aber die Arbeitslosigkeit ist ungefähr gleich geblieben und die Schweiz hat ihre weltweite Spitzenposition behauptet. Warum? Weil die Schweiz immer in Innovation, Bildung und Produktivität investiert hat. Wichtig ist, dass dies auch in Zukunft so bleibt.

Trotzdem gingen Jobs verloren.
Kurzfristige Fluktuationen sind normal. Aber die Zahlen sprechen für die Schweiz. Die Arbeitslosigkeit ist in den letzten 25 Jahren im internationalen Vergleich immer niedrig geblieben. Besonders auffällig ist dabei die tiefe Jugendarbeitslosigkeit. Das zeigt, dass die Ausbildung und der Berufsmarkt hier sehr gut aufeinander abgestimmt sind.

Sie glauben also, dass die Schweiz ihren hohen Lebensstandard auch in den nächsten Jahrzehnten wird halten können?
Ich sage nicht, dass es einfach sein wird, aber ich bin davon überzeugt, dass die Schweiz alle Voraussetzungen mitbringt, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein. In unserem neusten «Global Talent Competitiveness Index» hat die Schweiz unter 109 Ländern im dritten Jahr hintereinander am besten abgeschnitten. Selbst mit einem sehr hohen Lohnniveau ist die Schweiz also das attraktivste Land im weltweiten Kampf um die besten Talente.

Profitiert Adecco eigentlich von hoher Arbeitslosigkeit?
Arbeitslosigkeit ist weder gut noch schlecht für uns. Wenn der Arbeitsmarkt aber völlig ausgetrocknet ist, dauert es länger die passenden Kandidaten hier oder im Ausland zu finden. Das erleben wir zum Beispiel in Japan.

Weltweit steht der Arbeitsmarkt vor enormen Umwälzungen. Das müssen goldene Zeiten für Adecco sein.
Für die Zeitarbeit ist Volatilität gut. Die Firmen brauchen aufgrund der Veränderungen kurzfristige Lösungen. Das nützt auch den Zeitarbeitern, weil diese Erfahrungen sammeln können. Und zu einem späteren Zeitpunkt können unsere Firmenkunden die Zeitarbeiter fest anstellen.

* Alain Dehaze ist seit September 2015 Chef von Adecco, dem weltweit grössten Anbieter von Personaldienstleistungen. Handelszeitung.ch traf den 52-jährigen Belgier im Anschluss an das Davos Debrief von CNN International.